Brief von Heinrich Bill

Im Quartier rasselt der Wecker! Heraus aus dem Lager, schnell in die Kleider. Die ersten Sonnenstrahlen scheinen über die Schwarzen Berge, die die Grenze zwischen Österreich und Montenegro bilden. In Begleitung zweier Kriegskameraden gehe ich nach dem Flugplatz, der von den steilen kahlen Felswänden des Karstsgebirges auf drei Seiten umgrenzt ist. Während sich die Maschine mit gedrosseltem gas warmlief, nahm ich noch einen kleinen Imbiß, Dann erschein unser Kommandeur, begrüßte uns und gab das Zeichen "Los"! Die Maschine lief in rasendem Tempo über das Flugfeld. Höher und höher trägt sie uns (meinen Beobachter und mich) über das silberglitzernde Wasser der Adria. Der Höhenmesser zeigt 800 Meter. Ich steuere die Meeresküste entlang dem Festland zu. 

Links von mir sehe ich die kahlen, von Schnee und Eis bedeckten Felsen. Tief unten kleine Häuschen mit dunkelroten Dächern, von zierlichen Gärten umgeben. Auf der rechten Seite meiner Fahrtrichtung nichts als Wolkenberge und Wasser. Nach meiner Fliegerkarte mußte ich meinen Kurs um 25 Grad landeinwärts ändern. Etwa 30 Sekunden in der neuen Flugrichtung dahingleitend, hörte ich plötzlich ein krachendes Geräusch an Motor und Propeller, dann trat eine unheimliche Stille ein. Ich konstatierte Kurbelwellenbruch.

Was nun machen? In Montenegro landen? Dann sind wir gefangen! Wir befinden uns in 2000 Meter Höhe. Also gehe ich in die Kurve, direkt heimwärts. Landen geht nicht, sonst werden wir beschossen. Darum zwei Seemeilen weit ins Meer hinaus. Vielleicht bemerkt uns eine gute Menschenseele und wir bekommen Hilfe von unserer Seite.

Schon entkleidet sich mein Begleiter, als ich in ruhigem Gleitflug mit stehendem Propeller niedergehen muß. Langsam nähere ich mich der Wasseroberfläche und höre schon die rauschenden Gewässer.

Kaum hatte ich mich aus meiner Pilotenmontur herausgeschält, da wurde mein Flugzeug von einer Welle erfaßt und überschlug sich., wobei mein Beobachter herausgeschleudert wurde, ich aber am Rumpf meines Vogels mit den Füßen hängenblieb, ehe ich mich schwimmend frei machen konnte. Einige Minuten später sank der Apparat in die Tiefe. Nun hieß es schwimmen und wiederum schwimmen, ohne Hoffnung, ohne Anhaltspunkt für eine Rettung.

Es verging wohl eine halbe Stunde, aber niemand kam in Sicht. Weit von mit entfernt entdeckte ich einen Hydroplan, doch so hoch, daß er die im Wasser treibenden Flieger nicht sehen konnte. Langsam spürte ich, daß meine Kräfte nachließen. Es mochte etwa eine Stunde verflossen sein. Meine Füße erstarrten vor Kälte; ich konnte kaum noch Bewegungen machen. In mir kam der Gedanke auf, diesem Leben ein Ende zu setzen. Schon schluckte ich tüchtig Meerwasser. Meinem Begleiter rief ich zu "Viele Grüße an die Bekannten, ich kann nicht mehr". Da plötzlich vernahm ich den Freudenruf meines Begleiters "Ein Schiff"! Als mich eine Welle hochhob, entdeckte ich eine Rauchfahne und Kamine. Es waren zwei österreichische Torpedoboote, die in Richtung auf uns heranschnauften.

Bald waren sie in meiner Nähe. Mein Beobachter wurde herausgefischt. Von da ab weiß ich nichts mehr. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Bett einer schönen Kajüte. Neben mir standen zwei duftenden Schalen heißen Tees. Langsam taute ich auf und fand mich zurecht. Es war wie ein Traum, als ich an die vergangenen Stunden zurückdachte.

Unser gemeinsames Ringen zwischen Tod und Leben, hat mich mit meinem Beobachter, einem Offizier, kameradschaftlich noch näher gebracht. Wir werden dieses Abenteuer nie vergessen – den Dank an unseren lieben Gott auch nicht, der uns auch so großer Not noch einmal rettete. Viel Glück! Mit Gott! Gut Land!

Es grüßt Euch vielmals bis auf Wiedersehen

Heinrich


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