Reservist Heinrich Ludwig Wagner


* 29.11.1890
+ 31.10.1914
 

gestorben in einem Feldlazarett
in Czenstochau (Russisch-Polen)
in der 8.Kompagnie des

1.Ober-Elsäßischen 
Infanterie-Regiments Nr.167
an einer im Felde zugezogenen
schweren Erkrankung


 
Als am 2.August 1914 der Krieg ausbrach, da rückte auch Heinrich Ludwig Wagner gemäß seiner damals gültigen Mobilmachungsbestimmung in's Feld aus. Sein Ziel war Kassel in Nordhessen, und dort das 1.Ober-Elsäßische Infanterie-Regiment Nr.167. Schon in den Jahren 1910 bis 1912 war er in dieser Gegend, denn im nicht weit entfernten Göttingen leistete er seinen gesetzlichen Wehrdienst beim Infanterie-Regiment Nr.82 ab. Viele Naunheimer Reservisten zogen bei  Kriegsbeginn mit ihm in die gleiche Einheit, u.a. Ludwig Schäfer (+ 12.10.14), Heinrich Bernhardt (+ 15.10.14), Ludwig Bill II. (+ 24.8.15), Ludwig Bill XIII. (+ 30.6.16), Friedrich Karl Jenes (+ 5.3.15) und Ludwig Wagner (+ 5.3.15).

Über diese Tage schreibt die Regimentsgeschichte:

"Die Mobilmachung verlief beim Regiment reibungslos. In ausgezeichneter Stimmung treffen Reservisten und Wehrleute, welche die Kompagnien auf Kriegsstärke bringen sollen, ein."

Am 8.August schließlich verlassen die Transportzüge Kassel in Richtung Westen. Über Marburg - Gießen - Wetzlar - Troisdorf - Köln - Euskirchen - Gerolstein geht die Fahrt zunächst nach Bleialf in der Eifel. Als die Züge in Köln den Rhein überqueren, stimmte man überall begeistert die "Wacht am Rhein" an.
Schließlich wird am 13.August der Vormarsch nach Belgien hinein angetreten. Nach einigen Scharmützeln mit belgischen Freischärlern kommt auf einmal der Befehl, auf Namur abzudrehen.

Über diese Festung schreibt das Reichsarchiv:

"Ebenso wie Lüttich war auch Namur zu einer neuzeitlichen Gürtelfestung ausgebaut, deren Forts durch Ausbau und Kampfstärke eine hohe Widerstandskraft besaßen."

Am 22.August begann das Feuer der deutschen schweren Artillerie. Die 167er im Rahmen ihrer 22.Division lagen südlich der Maas, die Hauptkräfte der Angriffsgruppe nördlich.

Einen Tag später begann das Vorrücken der Infanterie. Zwei Forts der Belgier ergaben sich kurz darauf am Nordflügel, bald erreichten die Truppen die ersten Zwischenstellungen, und am Abend hatten einige Regimenter sogar schon den Stadtrand besetzt. So waren auch die Regimenter der 22.Division vorgestürmt und hatten noch in später Stunde das Fort Maizeret genommen. Schließlich stand alles am 24. morgens zum Sturm bereit.
Wieder lag der Schwerpunkt im Norden, und ein Fort nach dem anderen streckte die Waffen. Einige wenige hielten sich noch bis zum nächsten Tag, doch endlich war am 25.August ganz Namur von deutschen Truppen besetzt - fast 7000 Belgier und Franzosen  waren gefangen genommen worden.

So war es auch den Hessen, vergönnt, siegreich in die Stadt und Festung Namur einzurücken.

 
Die Zitadelle von Namur

Doch damit war die Zeit an der Westfront schon fast vorbei. Am 1.September bereits wurde verladen, und der Bahntransport an die Ostfront begann. Über Köln - Wetzlar - Gießen - Kassel - Berlin - Schneidemühle - Bromberg und Thorn ging die Fahrt nach Biesellen. Hier wurde am 4. früh morgens bei schauderhaftem Wetter ausgeladen und nach kurzem Marsch Ortsunterkunft bezogen.

General v.Hindenburg hatte bei Tannenberg einen großen Sieg über die Russen erfochten. Aber noch war ganz Ostpreußen nicht befreit. Eine zweite Schlacht - später "Schlacht an den Masurischen Seen" genannt - stand bevor. Hierzu hatte die deutsche Führung Truppen der Westfront als Verstärkung vorgesehen. Daß diese später in der Marneschlacht fehlen könnten, hatte man nicht bedacht.

Am 5.September begann dann der Vormarsch über Allenstein hinaus nach Osten, aber außer einigen russischen Kavalleriepatrouillen war zuerst kein Feind zu sehen.
Dann aber häufen sich die Gefechte mit zurückweichender feindlicher Infanterie. Die nächsten Tage sind geprägt von einem ständigen Wechsel - marschieren und kämpfen. An die Truppe werden hohe Anforderungen gestellt. Erschütternd ist für die Männer immer wieder der Zustand der ostpreußischen Dörfer, die nach und nach befreit werden. Die Russen haben teilweise fürchterlich gehaust...

Am 9. kommt es zu einem sehr ernsten Gefecht bei Korklack. Eine Batterie der Artillerie fährt zu dicht auf, dadurch soll die Stellung vorgeschoben werden. Die Russen fürchten einen Angriff und eröffnen ein wildes Feuer. Es treten die ersten größeren Verluste ein, doch die Männer haben Glück: in der Nacht räumt der Russe seine Stellung, und sofort wird die Verfolgung aufgenommen. Auch am 11. finden wieder schwere Kämpfe mit den Nachhuten des Feindes statt. In der Nähe der Kleinbahn Muldstehlen-Insterburg fallen aus dem Nachbarort Waldgirmes die Kameraden Wilhelm Will und August Stamm.

Immer erschöpfter wird die Truppe, und auch der Wettergott kennt keine Gnade - durchweg Regen. Die Männer kommen aus ihren nassen Sachen nicht mehr heraus, Krankheitsfälle mehren sich. Am 14. wird kurz hinter Eydtkuhnen die russische Grenze überschritten. Vom Feind ist kaum noch etwas zu sehen, er hat sich doch mit größeren Truppenteilen noch absetzen können. Dann, am 16., läßt General v.Hindenburg den Vormarsch stoppen, die Schlacht an den Masurischen Seen war beendet! Über 40 000 gefangene Russen, über 150 erbeutete Geschütze waren der Erfolg. Und nicht zuletzt: Ostpreußen war vom Feinde frei.

Am 15. haben die Truppen in Eydtkuhnen ein Ruhetag, doch schon am 16. beginnt der Rückmarsch, der am 20. in Wehlau endet. Jetzt endlich bekommen die Männer die wohlverdiente Ruhe. Auch die Ausrüstung kann gereinigt und ergänzt werden. Aber auch diese Ruhezeit dauert nicht lange, denn schon am 22. beginnt das Verladen auf dem Bahnhof. Neue Aufgaben warten - aber wo?

Nach doch recht kurzer Fahrt werden die Truppen schließlich in Krakau ausgeladen. Es gilt, den stark bedrohten Bundesbrüdern aus Österreich-Ungarn zu helfen. General v.Hindenburg und sein Stabschef Ludendorf haben den Feldzug in Südpolen geplant - und die 167er sollen dabei mitwirken.

Der Vormarsch beginnt in nördliche Richtung. Schlimm sind die Quartiere! Die Regimentsgeschichte schreibt immer wieder von "Ungeziefer" und "fürchterlichen Zuständen". Weiter heißt es:

"Das mitgeführte Insektenpulver tut seine Schuldigkeit. Wie schön dünkten jedem die Zustände daheim."

Anfang Oktober haben die Truppen den ersten Feindkontakt, aber noch handelt es sich um leichte Gefechte. Am 4.Oktober jedoch wird der Widerstand der Russen bei Opatow stärker.


 
Der lange Marsch der 167er von
Krakau im Süden nach Holendry
an der Weichsel (Pfeil)


Der Feind hatte sich auf den Höhen des Ortes eingegraben, ein nicht gerade leichter Angriff für die 167er. In mehreren Wellen wird angegriffen, erste Verluste treten ein. Doch als die Männer bis auf 500 m an die Stellung der Russen herangekommen sind, bemerken sie, wie diese kehrt machen und flüchten. Rasch geht es vorwärts, das Dorf wird besetzt und abgesucht. Fast 500 Gefangene kann das Regiment an diesem Tag melden, ein großer Erfolg.

Doch schon nach wenigen Stunden wird gesammelt und der Vormarsch fortgesetzt. Schließlich ist man am 8. nur noch wenige Kilometer von der Weichsel entfernt.

Aber die anstrengenden Märsche und Kämpfe hinterlassen ihre Spuren. Erschöpfung macht sich breit, und weiter mehren sich die Ausfälle durch Krankheit. Vor allem die Ruhr macht den Männern zu schaffen. Der desolate Zustand der Wege läßt auch die Fahrzeuge nicht in der üblichen Schnelligkeit folgen. Oftmals kommen die "Gulaschkanonen" zu spät oder gar nicht. Auch hat es in einzelnen Fällen schon Mangel an Munition gegeben. Und dennoch, der Drang nach vorwärts ist weiterhin ungebrochen. Allein der Name des Armee-Oberbefehlshabers "Hindenburg" hat schon in diesem frühen Stadium des Krieges einen anspornenden Klang. Auch rechnen viele damit, daß es an der Weichsel einige Tage Ruhe geben wird.


 

Die Todesanzeige im Wetzlarer Anzeiger vom 29.Dezember 1914

 
Der 15.Oktober bricht an. Die Kämpfe gehen trotz des furchtbaren Wetters - es regnet immer noch  in Strömen - weiter. Besonders an der Flußniederung toben die Gefechte. Doch Heinrich Ludwig Wagner nimmt an dieser Schlacht nicht mehr teil - völlig entkräftet und erschöpft wird er in diesen Tagen in ein Feldlazaretrt in Czenstochau eingeliefert, doch auch hier können ihm die Ärzte nicht mehr helfen. Am 31.Oktober 1914 stirbt er fern der Heimat vermutlich an Typhus und wird auf dem dortigen Lazarettfriedhof beigesetzt.

Da diese Friedhöfe teilweise den gang der Geschichte überdauert haben, ist es ist möglich, daß sein Grab heute noch existiert. Klarheit darüber wird allerdings nur schwer zu bekommen sein.


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