Vorgeschichte und Ursachen des Kriegsausbruchs

Hält man sich an die Aussagen des Geschichts-Papstes des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Guido Knopp, so ist die Frage nach den Gründen des Kriegsausbruches ganz schnell und leicht zu beantworten. Der 1.Weltkrieg wurde verursacht "von einem Kaiser, der von deutscher Großmacht träumte." (Sender Phoenix, Programm "100 Jahre Deutschland" vom 24.April 2000, 23.20 Uhr) - So einfach ist das!

Ist es wirklich so einfach? Wie kommt es, daß sich Generationen von Menschen mit dieser Frage beschäftigt haben? Warum greifen Historiker dieses Thema immer wieder auf? Es kann also doch nicht so einfach sein!
Wenn man sich der Mühe unterzieht und sich intensiver mit dieser Materie beschäftigt, so kommt man schnell an einige Punkte, die einen doch an der Knoppschen Aussage zweifeln lassen. Dabei werden zwei verschiedene Ansatzpunkte deutlich. Zum einen erkennt man eine langfristige, sich über Jahre hinweg entwickelnde Staatenkonstellation in Europa, die in ihrer speziellen Zusammensetzung zwar nicht die eigentliche Ursache sein konnte, aber doch zumindest die Voraussetzungen für den Ausgang der Spannungen vom Juli 1914 geschaffen hatte. Dem gegenüber steht eine kurzfristige Entwicklung, die mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo am 28. Juni 1914 begann und schließlich in den Kriegsausbruch mündete.

Geschichte ist fließend. Sie fließt aber nicht wie ein ruhiges Gewässer, sondern eher wie ein reißender Strom, mit Wellen, die Höhen und Tiefen haben. Dabei kann man die Höhen mit den großen, weltverändernden Ereignissen der Geschichte vergleichen. Dazwischen finden wir ruhigere Abschnitte, die den Wellentälern ähneln.
Sehen wir aus dem Jahre 1914 nach rückwärts, so stoßen wir 1871 auf ein solches Wellenhoch, also ein Ereignis, daß von herausragender Bedeutung für die Geschichte ist, ein Ereignis, daß die Landkarte Europas verändert hat: die Gründung des Deutschen Reiches.

Dieser Vorgang hatte eine Situation geschaffen, wie sie jahrhundertelang überhaupt nicht denkbar war. Das ewig politisch zersplitterte, eigentlich nur als geographischer Begriff bekannte Deutschland hatte sich plötzlich geeint. War es bisher immer wieder gut als Schlachtfeld zu gebrauchen, so stand nun eine einheitliche Macht an den Grenzen. Hier in Deutschland konnten die Großmächte Europas vorher ihre Streitigkeiten bequem austragen. Der dreißigjährige Krieg und die Feldzüge Napoleons sollen nur als Beispiel dienen. Damit war es nun vorbei. Alles war auf einmal anders. Katholische Süddeutsche und die Protestanten aus dem Norden, Republikanische Hansestädte und seit vielen hundert Jahren bestehende Monarchien, einfache Menschen und Würdenträger, sie alle kamen nun unter dem Dach des Deutschen Reiches zusammen.
So hatten die Deutschen das erreicht, wovon sie schon seit geraumen Zeiten geträumt hatten, und Bismarck faßte das Ergebnis in die berühmten Worte zusammen: „Das Reich ist saturiert“.

Doch wie kam es nun, daß, von dieser Situation ausgehend, eine Entwicklung eintrat, die schließlich zu der Konstellation führte, die wir bei Ausbruch des Weltkrieges vorfinden. 

Friede herrschte in Europa, die Waffen schwiegen. Aber der Kampf wurde nun mit anderen Mitteln und auf anderen Gebieten weitergeführt. Wenn es auch nach außen hin ein friedlicher Wettstreit war, so wurde er doch von dem einen oder anderen Staat mit tödlichem Ernst betrieben. Hier ist in erster Linie die wirtschaftliche Entwicklung zu nennen, die eine entscheidende Rolle spielte, aber auch die Kolonialpolitik war von besonderer Bedeutung.

Wir wollen nun untersuchen, welche Interessen die Großmächte verfolgten, und wie sich daraus die Beziehungen und Bündnisse entwickelten.

Nach der Bismarck-Ära hielt das Deutsche Reich zuerst an den von ihm geschaffenen Bündnissen fest. Doch die Aufkündigung des Rückversicherungsvertrags unter Caprivi mit Rußland brachte die ersten Veränderungen.
Frankreich hatte die Niederlage von 1870/71 und die Abtretung von Lothringen und dem Elsaß nie überwunden. Der Revanchegedanke verschärfte auf Dauer die deutsch-französischen Spannungen. So sah es die Gelegenheit als günstig an, das von Deutschland "verstoßene" Rußland zu umwerben. Schon hier bahnte sich eine Konstellation an, die für das Reich fatale Folgen haben sollte, und die Bismarck immer zu verhindern wußte. Die nachteilige Mittellage kam voll zur Geltung, weder im Osten noch im Westen stand nun ein Verbündeter. 
Die in Rußland wachsende panslawistische Bewegung trieb das Land nach der Niederlage in Ostasien zu einer Expansionspolitik auf dem Balkan. Dadurch geriet es in immer stärkeren Gegensatz zu Österreich-Ungarn. Das Deutsche Reich zog sich durch die Unterstützung der Donaumonarchie die Feindschafts Rußlands zu, daß mit französischer finanzieller Unterstützung die Schlagkraft seines Heeres wieder herstellte. 

Bei dieser sich nun zuspitzenden Situation spielte England das Zünglein an der Waage. Als  d i e  Weltmacht sich ansehend wollte es keinerlei Konkurrenz in Wirtschaft, Handel und Kolonialpolitik dulden. Dazu kam noch, daß der als Defensivmaßnahme gedachten Flottenbau die Gegnerschaft Englands verstärkte. Die Schaffung einer starken deutschen Flotte sah es als Bedrohung seines Herrschaftsanspruchs über die Meere an. Zwar gab es einzelne, tastende Annäherungsversuche, aber jeder auch noch so vorsichtig formulierte Vertragsentwurf sollte immer zu Englands Bedingungen abgeschlossen werden. 
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat England aus seiner "splendid isolation" heraus und begab sich auf die Seite Frankreichs, mit dem es 1904 die "Entente cordiale" abschloß, die 1908 trotz bestehender Gegensätze auch auf Rußland ausgedehnt wurde. 
Die Einkreisung der Mittelmächte war damit vollendet, zumal Italien, und das war den etwas tiefer blickenden Persönlichkeiten durchaus klar, kein vollwertiger Bundesgenosse war. Seine langen, offenen Küstengrenzen am Mittelmeer machte es so verwundbar, daß es bei allen seinen Paktierungen immer auf England Rücksicht nehmen mußte. Dazu kam noch, daß es leidenschaftlich nach den italienisch sprechenden Gebieten Österreichs um Triest und in Südtirol strebte. Dieser Gegensatz war auf die Dauer unüberbrückbar, und es war klar, daß sich Italien schließlich dem auf Dauer anschließen würde, der ihm diesen Gebietszuwachs garantieren konnte. Bismarck war immer bestrebt, gerade um einen Krieg zwischen den beiden Kontrahenten zu vermeiden, sie in ein "gemeinsames Boot" mit Deutschland zu holen. So war das Verhalten Italiens im Weltkrieg vorauszusehen.

Das Deutsche Reich betrieb eine friedliche, aber unsichere und schwankende deutsche Politik. Diese war nicht dazu angetan, die sich aus der außenpolitischen Isolierung ergebenden Gefahren zu bannen. Als geradezu beispielhaft muß man das Zitat aus einer Rede des Reichskanzlers v.Bethmann-Hollweg vom 5.März 1910 im Reichstag ansehen: "Unsere auswärtige Politik, nicht nur England, sondern allen Mächten gegenüber, ist lediglich darauf gerichtet, die wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte Deutschlands frei zur Entfaltung zu bringen." Und nicht lange vorher, am 27.Januar 1910, hatte der Botschafter in London, Graf Wolff-Metternich, dem gleichen Gedanken Ausdruck gegeben: "Wir verlangen nicht neue Länderstrecken; unsere Eroberungspolitik ist auf Erschließung fremder Märkte gerichtet."

Nun gibt es immer wieder Kritiker, die den Vorwurf erheben, Deutschland hat sich mit Österreich-Ungarn den schwächsten und in der geographisch-politischen Konstellation gefährdetsten Staat als Bündnispartner ausgesucht. Dem muß man aber die Frage nach der Alternative entgegenhalten. Bei der o.a. Bündnissituation hätte das Deutsche Reich völlig allein gestanden, und ohne Deutschland als Partner wäre Österreich dem Druck auf dem Balkan und von Seiten Italiens schon viel eher erlegen. Spätestens dann wäre Deutschland so isoliert gewesen, daß es überhaupt keine Chance mehr gehabt hätte, sich der Einkreisungspolitik noch mit militärischen Mitteln zu wehren. Man war auf Gedeih und Verderben aufeinander angewiesen.

Ein weiterer Vorwurf, der gerne Deutschland gegenüber erhoben wird, ist der des angeblichen Militarismus. Ohne eine Flut von statistischem Material anzuführen, sollen nur drei Vergleiche erläutert werden:

1.

1914 lag die Friedensstärke der Heere bei

- Deutschland.............761 000
- Österreich-Ungarn...478 000

also insgesamt bei ca. 1 239 000 Mann.

Dem gegenüber standen 

- Rußland.....1 450 000 (+ 400 000 Mann im Winter zusätzlich)
- Frankreich.....910 000 (einschließlich 67 000 Farbige nach Buat)
- England.........250 000
- Serbien............52 000 
- Belgien............61 000

also insgesamt 2 723 000 Mann (+ 400 000 Russen im Winter zusätzlich).

Das ist mehr als das Doppelte!

Und schließlich noch zwei spezielle Vergleiche zwischen Deutschland und Frankreich:

2.

Das Verhältnis der  F r i e d e n s s t ä r k e  zur  B e v ö l k e r u n g s z a h l  betrug 1913

- in Frankreich 2%

- in Deutschland 1,17 %

Das bedeutet, daß in Frankreich prozentual fast doppelt so viele waffenfähige Bürger im Frieden beim Militär waren als in Deutschland!

3.

Die Zahl der  t a t s ä c h l i c h eingestellten Wehrpflichtigen im Verhältnis zur  m ö g l i c h e n  Menge aufgrund der gesetzlichen Vorschriften lag bis 1913

- in Frankreich zwischen 78 und 82 %

- in Deutschland zwischen 50 und 55 %

Das bedeutet, Deutschland hat nur etwa jeden zweiten Wehrpflichtigen auch tatsächlich eingezogen, Frankreich hingegen mindestens drei von vieren!

Dem Deutschen Kaiser unter Berücksichtigung dieser Zahlen vorzuwerfen, er hätte vorsätzlich einen Krieg vom Zaune gebrochen, würde bedeuten, Wilhelm II. nachträglich für Schwachsinnig zu erklären. Ein solcher Versuch hält keiner ernsthaften Prüfung stand!
Man muß hier sogar die Frage stellen, ob der deutsche Reichstag bei der Verweigerung des Etats zur Aufstellung neuer Truppenteile nicht sträflich leichtsinnig gehandelt hat! Denn diese Zahlen waren schon damals bekannt! Dem Deutschen Reich aber Militarismus zu unterstellen heißt, die Zahlen nicht zu kennen und voreingenommen zu sein!

Wir wollen aber noch einmal auf das Problem der Staatenkonstellationen zu sprechen kommen, da diese für die Entwicklung der Ereignisse im Sommer 1914 von fundamentaler Bedeutung ist.
Um die ganzen komplizierten Abhängigkeiten und Bündniszwänge der sechs Großmächte in Europa deutlich herauszustellen, sollen diese hier mit ihren spezifischen Wechselwirkungen nochmals schematisch gegenüber gestellt werden. Dabei bedeutet rot eine feindliche Gesinnung, blau eine mehr oder minder neutral-ausgeglichene Haltung, und grün eine freundschaftliche Verbindung. Dazu ist noch anzumerken, daß nicht jedes Bündnis automatisch eine freundschaftliche Gesinnung nach sich zieht. Dies ist ganz besonders bei dem Verhältnis Italiens zu Österreich-Ungarn zu beachten!

1. England

=> sieht in dem wirtschaftlich aufstrebenden Deutschland seinen größten Konkurrenten, der auch immer stärker seine traditionelle Vormachtstellungen auf den Weltmeeren bedroht

=> hat mit Österreich-Ungarn direkt kein Konfliktpotential

=> ist mit Frankreich verbündet

=> ist mit Rußland verbündet

=> hält Italien in Abhängigkeit durch Bedrohung dessen Küsten

2. Frankreich

=> hält den Revanchegedanken gegen Deutschland aufrecht zur Wiedergewinnung von Lothringen und dem Elsaß

=> ist mit England verbündet

=> ist mit Rußland verbündet

=> verhält sich gegenüber Italien offen neutral, fördert aber vorsichtig dessen Konflikt mit Österreich

=> verhält sich ebenso gegen Österreich-Ungarn, um dadurch Rußland zu stützen

3. Rußland

=> verhält sich wegen der Unterstützung des Vordringens des Panslawismus auf dem Balkan Österreich-Ungarn gegenüber feindlich 

=> sieht Deutschland wegen dessen pro-österreichischem Verhalten auch als Gegner an

=> ist mit England verbündet

=> ist mit Frankreich verbündet

=> hat mit Italien direkt kein Konfliktpotential

4. Italien

=> sieht Österreich-Ungarn wegen Gebietsforderungen trotz eines Bündnisses an Gegner an

=> verhält sich gegenüber Deutschland trotz eines Bündnisses wegen der Abhängigkeit Englands gegenüber vorsichtig neutral

=> hat mit Frankreich direkt kein Konfliktpotential und wird von diesem indirekt unterstützt

=> hat mit Rußland direkt kein Konfliktpotential

=> hat mit England direkt kein Konfliktpotential, ist aber von ihm wegen seiner Küstengrenzen abhängig

5. Österreich-Ungarn

=> sieht Rußland wegen dessen Balkanpolitik als gefährlichsten Gegner an

=> sieht Italien wegen dessen Gebietsforderungen trotz eines Bündnisses an Gegner an

=> hat mit Frankreich direkt kein Konfliktpotential, obwohl dieses Italien vorsichtig unterstützt

=> hat mit England direkt kein Konfliktpotential

=> ist mit Deutschland verbündet

6. Deutschland

=> wird von England als dessen größter wirtschaftlicher Konkurrent angesehen, der auch immer stärker die britische Vormachtstellung auf den Weltmeeren bedroht

=> kommt mit Frankreich wegen dessen Revanchegedanken zur Wiedergewinnung von Lothringen und dem Elsaß zu keinem Ausgleich

=> hat zwar ein Bündnis mit Italien, das aber wegen dessen Gebietsforderungen Österreichs gegenüber nicht von hohem Wert ist

=> wird von Rußland wegen seines Bündnissen mit Österreich-Ungarn als Gegner angesehen

=> ist mit Österreich-Ungarn verbündet

Zu dieser ganzen Konstellation gesellte sich noch eine Atmosphäre des permanenten Mißtrauens. Es gab keinen "ehrlichen Makler" wie Bismarck mehr. Keiner traute dem anderen, jeder unterstellte bei allen Gesprächen dem Partner nur, den eigenen Vorteil zu suchen. Und genau in diese Stimmungen fiel ein Ereignis, daß das Faß zum Überlaufen brachte. 
 


 
Das österreichische Thronfolgerpaar in Sarajewo 
vor dem Attentat am 28.Juni 1914 im Fond des Wagens
Der Attentäter (3. von links) Gavrilo Princip, ein Student,
wird nach dem Anschlag von Sicherheitskräften abgeführt

 
 
Am 28.Juni 1914 werden der österreichische Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand zusammen mit seiner  Gemahlin, Herzogin Sophie von Hohenberg, in Sarajewo durch Pistolenschüsse des serbischen Gymnasiasten Princip ermordet. Das Attentat ist die Ausführung eines Planes, den ein serbischer Geheimbund vorbereitet und vom dem auch die serbische Regierung selbst Kenntnis hat.

Wir wollen die nun folgenden Ereignisse - der besseren Übersicht wegen - in chronologischer tabellarischer Form wiedergeben.
 

Datum
Ereignis
5.Juli
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. erhält ein Handschreiben des Kaiser Franz Josef von Österreich, in dem die durch Serbien geschaffene Lage und die Absichten der österreichischen Politik dargelegt sind. Die deutsche Regierung betrachtet die Auseinandersetzung mit Serbien als eine österreichische Angelegenheit, in die Deutschland sich nicht einmischen wolle.

Besprechung des deutschen Kaisers mit den einzelnen Ressortchefs über die Lage. Keinerlei Anordnungen von Kriegsvorbereitungen.

 6.Juli 
Die deutsche Antwort auf das Handschreiben vom 5.Juli schließt mit folgendem Satz: "Was endlich Serbien anlange, so könne S.M. (Kaiser Wilhelm II.) zu den zwischen Österreich-Ungarn und diesem Lande schwebenden Fragen naturgemäß keine Stellung nehmen, da sie sich seiner Kompetenz entzögen. Kaiser Franz Josef könne sich aber darauf verlassen, daß S.M. im Einklang mit seinen Bündnispflichten und seiner alten Freundschaft treu an Seite Österreich-Ungarns stehen werde."
Aus diesem Satz ist dann die bekannte Geschichte vom "Blankoscheck" entstanden, den Kaiser Wilhelm II. damit Österreich ausgestellt haben soll, und der damit der "Hauptgrund" für den Kriegsausbruch und der deutsche Kaiser der "Hauptschuldige" sein soll.

abends: Auf Wunsch seiner näheren Umgebung Abfahrt des Kaisers zur geplanten Nordlandreise.

7.Juli
Ministerrat in Wien. Beschlußfassung über eine an Serbien zu richtende Note.
14.Juli
Ministerrat in Ischl. An Stelle einer Note wird ein Ultimatum an Serbien beschlossen.
16.Juli
Die englische Flotte, die sich seit dem Frühjahr in fortschreitender Auffüllung zur "Probemobilmachung" befand, ist seit dem 16.Juli in mobilem Zustand zu Manövern um Portland versammelt (8 Schlachtschiff- und 11 Kreuzergeschwader).

Die englische Botschaft in Wien erhält durch Verrat Kenntnis von dem Inhalt des österreichischen Ultimatums an Serbien und drahtet in nach London. In gleicher Weise erhalten die französische und die russische Regierung von dem Ultimatum Kenntnis.

19.-23.Juli
Der französische Präsident Poincare und Ministerpräsident Viviani besuchen den Zaren von Rußland.
23.Juli
6 Uhr abends: Überreichung des österreichischen Ultimatums an Serbien.
24.Juli
Deutschland setzt sich in Noten an die anderen Großmächte für Lokalisierung des österreichisch-serbischen Streitfalls ein.

Rußland und Frankreich suchen den britischen Premierminister Grey zu bestimmen, offiziell eine entschiedene Stellung einzunehmen. Grey lehnt ab.

Der russische Außenminister Sasonow erklärt, daß die russische Mobilmachung auf jeden Fall durchgeführt werden müsse.
Sasonow sagt dem serbischen Gesandten in Petersburg, daß Rußland keine aggressiven Handlungen Österreichs gegen Serbien zulassen könne.

Der französische Botschafter teilt der russischen Regierung mit, daß Frankreich nötigenfalls alle durch das Bündnis bedingten Verpflichtungen erfüllen werde.

nachmittags: Ministerrat in Petersburg. Feststellung, daß Rußland zum Kriege bereit und gewillt sei, Serbien zu unterstützen. Beschluß, eine Verlängerung der Serbien von Österreich-Ungarn gesetzten Frist durchzusetzen.

25.Juli
In einer Beratung in Krasnoje Selo unter Vorsitz des Zaren wird die Teilmobilmachung (Mil.-Bezirke Kiew, Moskau, Odessa und Kasan) gegen Österreich beschlossen, falls Österreich offensiv gegen Serbien vorginge.

Sasonow erklärt dem englischen Botschafter, daß Rußland, wenn es der Hilfe Frankreichs sicher sei, das gesamte Risiko des Krieges auf sich nehme.

3 Uhr nachmittags: Mobilmachung Serbiens.

Grey schreibt an den englischen Botschafter in Petersburg: Er glaube nicht, daß die öffentliche Meinung Englands es billigen würde, daß es wegen des serbischen Streites zum Kriege käme. Wenn es aber zum Kriege käme, könnte England durch andere Erwägungen sich in denselben hineingezogen sehen.

Anordnung zur Auffüllung der Führerstellen in der englischen Flotte.

6 Uhr nachmittags: Überreichung der serbischen Antwort auf das österreichische Ultimatum. Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Serbien.

9.30 Uhr abends: Teilmobilmachung Österreich-Ungarns gegen Serbien (22 Infanterie- und 2 Kavalleriedivisionen)

Mitternacht: In Rußland Anordnung des Rücktransportes der Truppen aus den Lagern in ihre Standorte.

Der französische Botschafter in London, Paul Cambon, wird bis zum 27. nach Paris zurückgerufen.

Auf Grund der ihm vorliegenden Nachrichten tritt der deutsche Kaiser die Rückkehr von der Nordlandreise an.

26.Juli
1 Uhr morgens: Erklärung des Kriegszustandes für die russischen Festungen.

3.26 Uhr morgens: Offizielles Inkrafttreten der Kriegsvorbereitungsperiode für das  g e s a m t e  europäische Rußland, also auch gegen Deutschland!
Suchomlinow gibt dem deutschen Militärattaché in Petersburg sein Ehrenwort, daß noch keine Mobilmachungsorder ergangen, kein Pferd ausgehoben, kein Reservist eingezogen sei.

Warnung der deutschen Regierung an die russische: 
Russische Mobilmachungsmaßnahmen gegen Deutschland müßten die deutsche Mobilmachung zur Folge haben.

England entspricht  n i c h t  der deutschen Bitte, in Petersburg mäßigend zu wirken, macht dagegen Vorschläge einer Botschafterkonferenz zwischen England, Frankreich, Italien und Deutschland.

4 Uhr nachmittags: Befehl an die bei Portland zusammengezogene englische Flotte, die in Aussicht genommene Demobilmachung  einzustellen.

Rückberufung der deutschen Flotte aus den nordischen Gewässern.

In Frankreich Urlaubsverbot für Soldaten und Rückberufung der Urlauber.

27.Juli
Bekanntgabe der englischen Regierung, daß die Flotte mobil zusammen bleibt.

Die russische Kriegsvorbereitungsperiode nimmt ihren Fortgang.

In Frankreich Rückbeorderung sämtlicher Truppenteile in ihre Standorte.

Deutsche Ablehnung des Greyschen Vorschlags einer Botschafterkonferenz, da ihre Zusammensetzung eine Österreich ungünstige Entscheidung mit Sicherheit voraussehen läßt.

Eintreffen Kaiser Wilhelms II. in Potsdam. Der Kaiser setzt sich ohne Verzug persönlich für den Frieden ein: Telegramme an den Zaren und den englischen König, Versuch eines Einwirkens auf die österreich-ungarische Regierung im Sinne einer Verständigung.

28.Juli
11 Uhr vormittags: Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien.

Telegramm des deutschen Kaisers an den russischen Zaren mit der dringenden Bitte, seine Bemühungen zur Erhaltung des Friedens zu unterstützen.

Deutschland empfiehlt der österreich-ungarischen Regierung eingehend, Vermittlungsvorschlägen gegenüber nicht mehr die bisherige Zurückhaltung zu zeigen.

Telegramm Sasonows an den russischen Botschafter in Berlin: 
Infolge der Kriegserklärung Österreichs gegen Serbien wird die kaiserlich russische Regierung morgen (29.) die Mobilmachung in den Militärbezirken von Odessa, Kiew, Moskau und Kasan anordnen. Bitte die deutsche Regierung davon zu verständigen und zu betonen, daß Rußland keinerlei aggressive Absichten gegen Deutschland hegt.

Der englische und der französische Botschafter in Petersburg suchen die Politik der russischen Regierung dahin zu beeinflussen, daß die Schuld am Kriege auf Deutschland geschoben werden könne. Dies sei das einzige Mittel, die öffentliche Meinung in England für einen Krieg geneigt zu machen.

Der Chef des zweiten Bureaus des französischen Generalstabs berichtet, daß die deutschen Vorbereitungen lange nicht so weit vorgeschritten seien wie die französischen.

29.Juli
7 Uhr morgens: Auslaufen der 1. englischen Flotte nach Scapa Flow. Fahrt um die Ostküste, statt wie vorgesehen um die Westküste! (In den norwegischen Gewässern versammelt sich zu dieser Zeit die deutsche Flotte!)

In England ergeht "Warnungstelegramm" an Heer und Flotte.

morgens: Telegramm des russischen Generalstabschef an den Kommandierenden des Militärbezirks Warschau: "Der 30. wird bekanntgegeben als erster Tag unserer allgemeinen Mobilmachung.

Äußerung Greys zum deutschen Botschafter Lichnowsky in London: "Solange der Konflikt sich auf Österreich und Rußland beschränke, könne die britische Regierung abseits stehen. Würden aber Deutschland und Frankreich hineingezogen, so sei die Lage sofort eine andere und die britische Regierung könne dann nicht lange abseits stehen."
Von dieser Unterredung hat Grey den französischen Botschafter vorher in Kenntnis gesetzt. Daher bestand für Frankreich über Englands bewaffneten Beistand kein Zweifel.

6 Uhr nachmittags: Telegramm des deutschen Kaisers an den Zaren mit dem Erfolge, daß dieser gegen 11 Uhr abends telefonisch Suchomlinow befiehlt, die Teilmobilmachung gegen Österreich anzuhalten. Der Befehl bleibt unbeachtet! (Aussage Suchomlinows im Hochverratsproßes gegen ihn!)

Deutsches Neutralitätsangebot an England für den Fall eines deutsch-französischen Krieges gegen die Zusicherung, daß Deutschland  keine Gebietserweiterungen auf Kosten Frankreichs plane.

Sasonow dankt der französischen Regierung für die Zusage unbedingter Waffenhilfe. Viviani erneuert die Versicherung der Unterstützung Rußlands durch Frankreich.

In Deutschland erfolgt auf österreichische Mitteilung von der russischen Mobilmachung in den Militärbezirken Odessa, Kiew und Warschau Rückberufung aller außerhalb befindlichen Truppen in ihre Standorte.

Der russische Generalstabschef Januschkewitsch gibt - den vom Zaren unterschriebenen Mobilmachungsbefehl in der Tasche - dem deutschen Militärattaché in Moskau in feierlicher Form sein Ehrenwort, daß die Mobilmachung nirgends erfolgt sei.

nachmittags: O f f i z i e l l e  Bekanntmachung der russischen  T e i l mobilmachung gegen Österreich-Ungarn (55 Infanterie und 8 1/2 Kavallerie-Divisionen). Im geheimen Beginn der allgemeinen russischen Mobilmachung (insges. 111 Divisionen). (Aussage im Suchomlinow-Prozeß "... war am 29. im Gange und blieb es auch trotz Gegenbefehl des Zaren.")

30.Juli
Nochmaliger Versuch einer Einwirkung der deutsche Regierung auf die österreichische: "Die Verweigerung jedes Meinungsaustauschs mit Petersburg würde ein schwerer Fehler sein. Wir sind zwar bereit, unsere Bündnispflicht zu erfüllen, müssen es aber ablehnen, uns von Wien leichtfertig und ohne Beachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu lassen."

1.20 Uhr nachmittags: Telegramm des Zaren an den deutschen Kaiser. Der Zar dankt für die Vermittlungsversuche des Kaisers, räumt ein, daß die militärischen Maßnahmen, die jetzt in Kraft getreten sind, vor 5 Tagen als Verteidigungsmaßnahme gegen Österreich getroffen seien, und kündigt die Entsendung seines Generals a la suite Tatischtschew mit Instruktionen an. Weder der General noch ein Schreiben sind je angekommen!

3 Uhr nachmittags: Telegramm des deutschen Kaisers an den Zaren. Hinweis auf die ernste Gefahr, die die russische Mobilmachung darstelle. "Wenn ... Rußland gegen Deutschland mobil macht, so wird meine Vermittlerrolle, mit der Du mich gütigerweise betraut  hast, und die ich auf Deine ausdrückliche Bitte übernommen habe, gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht werden. Das ganze Gewicht der Entscheidung ruht jetzt ausschließlich auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung für Krieg oder Frieden zu tragen."

Der deutsche Botschafter in Petersburg legt im Auftrage der deutschen Regierung die Schritte dar, die zur Erhaltung des Friedens deutscherseits in Wien unternommen sind, und weist nach, daß die russischen Maßnahmen zum Kriege führen müssen. Sasonow antwortet, eine andere Politik könne er nicht treiben, ohne das Leben des Zaren zu gefährden. Er fordert Entscheidung der serbischen Frage durch die Großmächte und Abänderung der im österreichischen Ultimatum gestellten Forderungen. England tritt der russischen Auffassung grundsätzlich bei.

nachmittags: In Frankreich ergeht der Befehl zur Aufstellung des Grenzschutzes; dadurch werden  11 Infanterie- und 3 Kavallerie-Divisionen ohne weiteres mobil.

6 Uhr nachmittags: In Rußland  o f f i z i e l l e  Ausdehnung der Mobilmachung auf das ganze Reich. Damit werden alle Versuche zu friedlicher Verständigung vernichtet und die vom Zaren erbetene Vermittlung des deutschen Kaisers zur Aussichtslosigkeit verurteilt.

31.Juli
8 bis 9 Uhr morgens: In Petersburg wird der Gesamtmobilmachungsbefehl angeschlagen. 

Der italienische Ministerrat faßt den Beschluß, daß in dem bevorstehende Kriege der Bündnisfall auf Grund des Dreibundvertrages (mit Deutschland und Österreich-Ungarn)  n i c h t  gegeben sein würde. Italien würde neutral bleiben.

Ein weiteres Telegramm des deutschen Kaisers an den Zaren. Hinweis auf die alte traditionelle deutsch-russische Freundschaft, eindringliche Warnung vor den verhängnisvollen Folgen der russischen Kriegspolitik. 
Das Telegramm kreuzt sich mit einem Telegramm des Zaren an den Kaiser.
Der Zar teilt mit, daß die Einstellung der militärischen Vorbereitungen technisch unmöglich seien. Er gebe aber sein Wort darauf, daß seine Truppen, solange die Verhandlungen andauerten, keine herausfordernde Handlung begehen würden.

Der deutsche Botschafter in Petersburg, Graf Pourtales, versucht vergeblich, den Zaren zu bewegen, die Mobilmachung rückgängig zu machen. Der russische Hausminister Graf Fredericks sagt Pourtales, daß Suchomlinow und Maklakow die Mobilmachungsorder durchgesetzt hätten, weil die innere Lage Rußlands auf eine Entscheidung dränge.

12.23 Uhr nachmittags: In Österreich-Ungarn allgemeine Mobilmachung.

1 Uhr nachmittags: In Deutschland Erklärung des Zustandes drohender Kriegsgefahr. 

3 Uhr nachmittags: Telegramm des deutschen Reichskanzlers an den Botschafter in Petersburg. Deutschland sei durch die russische Mobilmachung gezwungen worden, zur Sicherung des Reiches die "drohende Kriegsgefahr" auszusprechen. Die Mobilmachung müsse folgen, falls Rußland nicht binnen zwölf Stunden die Kriegsmaßnahmen gegen Deutschland und Österreich einstelle.
Dieses Telegramm wurde um Mitternacht Sasonow vorgelegt.

7 Uhr nachmittags: Anfrage der deutschen Regierung in Paris, ob Frankreich in einem möglichen deutsch-russischen Kriege neutral bleiben werde. Im Falle einer "wie nicht anzunehmenden" Neutralität will Deutschland zuerst die Festungen Toul und Verdun als Pfand fordern; dieser Passus fehlt jedoch in der offiziell überreichten Note!
Der französische Minister des Auswärtigen gibt bei der Unterredung mit dem deutschen Botschafter vor, 
"über eine angebliche Gesamtmobilmachung der russischen Armee in keiner Weise unterrichtet zu sein", 
obwohl er am Morgen ein Telegramm seines Botschafters in Petersburg mit Meldung über die russische Gesamtmobilmachung erhalten hatte.

Ermordung des kriegsfeindlichen französischen Sozialistenführers Jaures in Paris.

1.August
Grey teilt Cambon mit, daß er eine Verletzung der belgischen Neutralität nicht dulden und jede Demonstration der deutschen Flotte an der französischen Küste verhindern werde.

Auf die Anfrage des deutschen Botschafters, ob, wenn Deutschland verspreche, Belgiens Neutralität nicht zu verletzen, England sich verpflichte, neutral zu bleiben, gibt Grey ausweichende Antwort. Die weitere Frage, welche Garantien England für seine Neutralität fordere, sowie das Angebot der Integrität Frankreichs und seiner Kolonien, erfuhren die gleiche Ablehnung mit der Begründung: 
"England müsse sich die Hände frei halten."

1 Uhr nachmittags: Antwort der französischen Regierung auf die deutsche Anfrage vom vorigen Abend:
"Frankreich werde tun, was seine Interessen ihm geböten."

4.23 Uhr nachmittags: Eingang eines Telegramms des deutschen Botschafters in London, Fürst Lichnowsky im Auswärtigen Amt. Grey habe gefragt, ob Deutschland sich verpflichten würde, in einem deutsch-russischen Kriege Frankreich nicht anzugreifen, falls es neutral bleibe.

Deutschland erklärte sich sofort bereit unter der Bedingung, daß England die Garantie für die französische Neutralität übernehme. Aus diesem Grunde erteilte der Kaiser den Befehl, die für den 1.Mobilmachungstag (2.August) in Aussicht genommene Besetzung Luxemburgs zu unterlassen.
Auch gab es Überlegungen, den gesamten geplanten Aufmarsch anzuhalten, und alle verfügbaren Truppen gegen Rußland zu wenden. Dies führte allerdings zu größten Reibungen mit der militärischen Führung, die sich kaum in der Lage sah, daß Räderwerk des Aufmarsches so kurzfristig anzuhalten.
Die sich zwischen Kaiser und dem Großen Generalstab zuspitzende Situation klärte sich aber abends dahingehend, daß sowohl der englische König, als auch dessen Regierung, die ganze Anfrage als Mißverständnis erklärte. Die durch den Mobilmachungsbefehl eingeleiteten planmäßigen Maßnahmen nahmen daher ihren Fortgang.

4.40 Uhr nachmittags: Allgemeine Mobilmachung in Frankreich.

5 Uhr nachmittags: Allgemeine Mobilmachung in Deutschland.

6 Uhr abends: Da Rußland das deutsche Ultimatum unbeantwortet läßt, erfolgt die deutsche Kriegserklärung an Rußland.

10.30 Uhr abends: Letztes Telegramm des Kaisers an den Zaren mit der dringenden Mahnung, den Frieden zu erhalten.

2.August
2.25 Uhr vormittags: Offizieller Mobilmachungsbefehl für die englische Flotte (17 1/2 Stunden vor Übergabe des deutschen Ultimatums in Brüssel). 
England übernimmt in bindender Form den Schutz der französischen Küsten und seiner Schiffahrt gegen die deutsche Flotte.

8 Uhr abends: Da über die französisch-belgischen Abmachungen für den Mobilmachungsfall kein Zweifel bestand, richtet Deutschland ein Ultimatum an Belgien, den  Durchmarsch deutscher Truppen zu gestatten.

3.August
Neutralitätsbeschluß der rumänischen Regierung, auf welchen König Karol maßgeblichen Einfluß hatte.

Deutsche Erklärung, daß Bedrohung der Nordküste Frankreichs nicht erfolgen werde, solange England neutral bleibe.

12 Uhr mittags: Mobilmachung des englischen Landheeres (Expeditionskorps).

6 Uhr abends: Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich.

Der Flügeladjudant v.Kleist, vom deutschen Kaiser zum König von Italien entsandt, um diesen an die Erfüllung der aus dem Bündnisvertrage Italien erwachsenden Pflichten zu erinnern, meldet die Antwort des Königs. Dieser sei persönlich mit ganzem Herzen bei Deutschland. Zusammengehen mit Österreich würde aber im Lande Entrüstungssturm entfesseln. Einen Aufstand könne die Regierung nicht riskieren.

nachts: Einmarsch deutscher Truppen in Belgien.

4.August
Kriegstagung des deutschen Reichstages. Thronrede des Kaisers ("Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche").

Bis Mitternacht befristetes englisches Ultimatum an Deutschland: Zurückziehung der deutschen Forderungen an Belgien und Beobachtung der belgischen Neutralität. Die Ablehnung dieses Ansinnens bedeutet die englische Kriegserklärung.

Der Jubel, der damals in vielen Städten aller beteiligten Länder ausbrach, zeigt - in aus heutiger Sicht mehr als unverständlicher Form - nur, welches Pulverfaß zur lange erwarteten Explosion gekommen war. Es wird aber auch deutlich, welche politische "Schwüle" über dem Europa von 1914 hing.
Es ist aber geradezu beängstigend, wenn man sich nochmals in kurzer Form über die verheerende Wirkung der Feststellung über das Eintreten der Bündnisfälle Klarheit verschafft. Es kommt geradezu einer Kettenreaktion gleich. Auslöser ist immer eine Mobilmachung eines potentiellen Gegners:

Ausgang war am 25. Juli: Allgemeine Mobilmachung  S E R B I E N S

Die Antwort war am gleichen Tag: Teilmobilmachung  Ö S T E R R E I C H -U N G A R N S

Bis hierher kann man noch von einem lokalen Konflikt sprechen. 

Dann aber folgte am 26.Juli: Kriegszustand der Festungen in  R U S S L A N D und Beginn der russischen Kriegsvorbereitungsperiode.

Und weiter ging es in Rußland.

Am 29.Juli: offizielle Teilmobilmachung  R U S S L A N D S und geheim eingeleitete allgemeine Mobilmachung.

Die Eskalation erfolgte einen Tag später.

Am 30.Juli: Offizielle Allgemeine Mobilmachung in  R U S S L A N D 

Nun geht es Schlag auf Schlag, der Konflikt weitet sich aus.

Die erste Reaktion ist am 31.Juli: Allgemeine Mobilmachung Ö S T E R R E I C H -U N G A R N S

Und darauf folgt dann am 1.August getreu den Bündnissen: Allgemeine Mobilmachung  F R A N K R E I C H S und unmittelbar darauf: Allgemeine Mobilmachung in  D E U T S C H L A N D

Schließlich am 2. und 3.August: Allgemeine Mobilmachung  E N G L A N D S

Das Drama war nun nicht mehr aufzuhalten!
 

Besinnen wir uns noch einmal auf die am Anfang dieser Abhandlung gestellte Frage. War es wirklich so einfach, wie Herr Knopp es im Fernsehen dargestellt hat? Wir behaupten nein! Es war wesentlich komplizierter! Und als Fazit soll auch nicht  d e r  Verantwortliche vor das Gericht der Geschichte gezerrt werden. Denn diesen einen werden wir nicht finden!  J e d e r  damals handelnde Politiker oder Monarch glaubte sich - aus der damaligen Sicht der Dinge und der damaligen Auffassung und Einschätzung von Ereignissen - im Recht. Wir müssen uns also bei jeder Bewertung in die Zeit von 1914 versetzen! Das gebietet die Fairness denen gegenüber, die sich heute nicht mehr verteidigen können.
Ein abschließendes Urteil soll sich jeder Leser selber bilden. Wichtig ist nur, daß die - so weit dies durch die Aktenlage möglich ist - Objektivität nicht zu kurz kommt.
Es fällt uns heute schwer, zu verstehen, daß man zu jener Zeit noch dachte, man könne Konflikte dieser Art in Europa noch militärisch entscheiden. Ganz vereinzelt gab es schon vorher mahnende Worte. Aber diese "einsamen Rufer in der Wüste" hörte man nicht. Oder verstand man sie damals einfach noch gar nicht? War es vielleicht sogar notwendig, daß die Menschen in Europa einen solchen Krieg erleben mußten, um daraus möglicherweise sogar lernen zu können? 
Um dieses zu erreichen, hätte aber nach dem Krieg ein entsprechender Friede entstehen müssen. Im Anschluß an die Chronologie der Kriegsjahre werden wir aber traurig feststellen, daß die Menschen in über 4 Kriegsjahren nichts dazugelernt hatten!


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