![]() |
|
1.Vorwort Diese Schilderungen können keine
Regimentsgeschichte
ersetzen. Es soll auch nicht der Zweck sein. Da die Schlacht an der
Somme
einer der Höhepunkte im 1.Weltkrieg gewesen ist, kann nur versucht
werden, im Rahmen des großen Ganzen ausschnittsweise die
Kämpfe
der beteiligten Truppen darzustellen. Dies ist aber nur möglich,
wenn
sich der Leser in die geschilderten Situationen hineindenken kann. Er
muß
– zumindest grob – wissen, was z.B. bei den jeweils geschilderten
Truppen
u n d deren Nachbarn passierte. Nur so kann er manche Handlungen und
Befehle
der angesprochenen Einheiten verstehen.
Es sei noch bemerkt, das man die Vorgänge gut auf einer Landkarte nachverfolgen kann. Meist reicht schon eine Straßenkarte aus. Bei den militärischen Verbänden wurden die üblichen Abkürzungen verwandt. |
![]() |
|
Das Jahr 1916 hatte in seiner ersten
Hälfte im
Osten als auch im Westen schon blutigste Schlachten gesehen. So tobten
die Kämpfe an allen Fronten, auch an der Südfront gegen
Italien
trat keine Ruhe ein.
Im Westen hatte sich die OHL zu dem Angriff auf Verdun im Februar 1916 entschieden. Dieser durchaus umstrittene Angriff brachte zuerst große Erfolge, fraß sich dann aber mehr und mehr fest. Im Juni 1916 erreichte er seinen Höhepunkt, die Deutschen standen an einigen Stellen schon gefährlich nahe vor der Stadt. Aber inzwischen war die zeitweilige kurz vor dem Zusammenbrechen stehende französische Front gefestigt worden, und aus dem großen Angriff war nun ein zähes Ringen um jeden Meter Boden entstanden. In Schlamm und Blut erstickte die Schlacht. Der Chef des deutschen Generalstabs, General von Falckenhayn, entwickelte die Theorie von der Ausblutung der französischen Armee. So wurde Division um Division in die Schlacht geführt, auf deutscher wie auf französischer Seite, doch die Hoffnung, daß sich die Franzosen „verbluten“ würden, erfüllte sich nicht. Die Verluste der Deutschen waren ebenso groß. Dennoch war die Situation für die Entente schwierig. Würde Verdun fallen, so könnten die Deutschen die Front erheblich verkürzen, Truppen dadurch frei bekommen, und an anderer Stelle zu einer großen Offensive übergehen. Dazu kam noch, das Verdun für die Franzosen ein Mythos war. Verdun durfte nicht in die Hände des Feindes fallen, koste es, was es wolle. So ging das grausame Ringen weiter. Schließlich wurde auf Seiten der
Entente der
Entschluß gefaßt, durch einen groß angelegten Angriff
die Front bei Verdun zu entlasten. Einen eigenen Angriff, z.B. in der
Champagne,
konnten die Franzosen nicht mehr führen, denn dazu waren sie zu
geschwächt.
So blieb nur die Möglichkeit, mit den Engländern Schulter an
Schulter vorzugehen. Letztere standen im nördlichen Frankreich und
in Belgien und hatten sich von den schlimmen Kämpfen des Jahres
1915
wieder erholt. Auch materiell brauchte man, vor allem wegen den
Lieferungen
aus den USA, keine Sorgen zu haben.
|
![]() |
während einer Gefechtspause in einem Granatloch |
Unheimlich wächst im Westen der
Materialkrieg
über den Männerkrieg. Wie schon angesprochen, sind es vor
allem
die USA, die die Entente mit Kriegsgerät versorgen. Amerika ist zu
einem einzigen großen Kriegsrüstungslager geworden – frei
nach
dem Motto „Granaten gegen Geld“! Allerdings gilt das nicht für
Deutschland,
denn obwohl die USA offiziell neutral sind, gibt es für
Deutschland
keine Möglichkeit, Material zu beziehen. So können Franzosen
und Engländer aus dem Vollen schöpfen. Und dieser Umstand
wird
auch bei ihren Planungen entsprechend berücksichtigt.
Zwar lud der über Noyon vorspringende
Mittelbau
der deutschen Front zu einem Zangenangriff ein, aber dennoch ist es
ganz
anders gekommen. England und Frankreich verzichteten auf einen solchen
Angriff und entschieden sich für einen einfachen Stoß.
Dieser
frontale Durchbruchsversuch zielte zunächst auf Peronne und
Bapaume,
sollte aus der Ferne aber auch Cambrai bedrohen.
Einschließlich der ersten
Planungsgedanken haben
die Alliierten mehr als 5 Monate zu dieser Schlacht gerüstet. So
wurden
Schienen und Straßen gebaut, Granaten angehäuft und Tausende
von Rohren aller Kaliber in Stellung gebracht. Riesige Mengen
tödlicher
Gasmunition wurde bereitgestellt. Hinter der Front übten die
Angriffstruppen,
vor allem die jungen britischen Verbände, die eben erst
aufgestellt
worden waren, neue Sturmverfahren.
Um den frontalen Durchbruch zu erzielen, ging man davon aus, das nur eine entsprechende Vorbereitung durch die Artillerie einen Erfolg bringen könnte. Da die Versorgung mit Munition keine Sorgen bereitete, plante man, durch ein entsprechendes Trommelfeuer die deutschen Gräben einschließlich der gesamten Verteidigungszone so sturmreif zu schießen, daß sich dort überhaupt kein Widerstand mehr regen sollte. Auch die Artillerie sollte von vorne herein total ausgeschaltet werden. Nach längeren Berechnungen kam man schließlich zu dem Ergebnis, das dem Sturm der Infanterie ein vorbereitendes Artilleriefeuer von sieben Tagen und Nächten vorhergehen sollte. Dann, so glaubte man, wäre jegliches Leben in den deutschen Stellungen erloschen, und die französische und englische Infanterie könnte – quasi im Spaziergang – die Stellungen nehmen. Alles war bis in das Kleinste geregelt. Es
konnte gar
nicht schief gehen, so glaubte man in den höheren Stäben der
Entente. Bei einem solchen Hagel von Granaten konnte auch der tapferste
Soldat seine Stellung nicht halten. Entweder er floh, oder er wurde
erbarmungslos
von den Granaten zerrissen.
Am 16.Juni 1916 begann sich das große
Unwetter
zwischen Scarpe und Somme drohend zusammenzuziehen. Zwei englische und
zwei französische Armeen marschierten auf. Die Engländer
standen
nördlich der Somme im Ancrebogen zwischen Gommecourt und Fricourt,
die Franzosen südlich der Sommeschleife zwischen Frise und Estrees.
Am 23.Juni begann sich das
Geschützfeuer an der
englisch-französischen Front zum Wirkungsschießen zu
verdichten.
Es war ein kritischer Tag. Die Deutschen standen vor Fleury und
Souville
im Kampf um Verduns Innengürtel, und der Russe lag nach der
Vernichtung
der österreichischen Armee des Erzherzogs Ferdinand nun mit der
deutschen
Südarmee des Generals von Linsingen im Styrbogen verkämpft.
|
![]() |
|
Ende Juni 1916 lag im Bereich der 2.Armee u.a. das XIV.Reservekorps nördlich von Peronne bis etwa Bienvillers in Stellung. Zu ihm gehörten 5 Divisionen. Von Norden ab in südlicher Richtung waren eingesetzt: 2.GardeResDiv bei und nördlich
Gommecourt
Bei Curlu lag die 12.InfDiv mit ihren vordersten Teilen unmittelbar an der Somme, was ihre Stellung zusätzlich erschwerte. Südlich dieses Korps schlossen sich innerhalb der 2.Armee das XVII. Armeekorps sowie das Gardekorps an. Die deutsche I. Stellung bestand fast durchweg aus drei, in einer Tiefe von 500 bis 1000 Meter hintereinander liegenden und untereinander durch viele Annäherungsgräben verbundenen, durch starke Drahthindernisse gesicherte Kampfgräben. In und zwischen diesen Gräben boten in den Boden getriebene Stollen (Unterstände) den Grabenbesatzungen dürftige Unterkunft und Schutz gegen Artilleriefeuer. Eine Zwischenstellung rückwärts gelegen war vorhanden und teilweise schon sehr gut ausgebaut. Die II. Stellung war so weit zurückgezogen, daß sie der Wirkung der feindlichen Artillerie auf die I. Stellung entzogen war. Einzelne Riegelstellungen zwischen der I. und II. Stellung sollten die seitliche Ausbreitung eines etwaigen feindliches Einbruchs einschränken. Die in der I., Zwischen- und II. Stellung gelegenen Ortschaften, Höfe und Waldstücke waren meist zur abschnittsweisen Verteidigung ausgebaut. Die III. Stellung war nur stellenweise hergerichtet, einzelne Stützpunkte waren vorhanden. Die verdrahteten Batteriestellungen
für leichte
und schwere Artillerie lagen, mit mehr oder weniger guten Eindeckungen
versehen, zwischen der Zwischen- und der II. Stellung sowie
rückwärts
der letzteren. Wechselstellungen waren in größerer Anzahl
vorhanden.
Das XIV.Reserve-Korps hatte seine Stellungen gut ausgebaut und mit geringen Kampfmitteln und wenigen Divisionen schon lange behauptet. In seinem rückwärtigen Gebiet lagen viele Wohlfahrtseinrichtungen für die Truppe, die hier schon längere Zeit eingesetzt war. Große Gebiete wurden landwirtschaftlich ausgenutzt. Die bebauten Felder gingen, als die Schlacht begann, der Kornreife entgegen. Die deutsche Verteidigung war im Sommer 1916 noch immer auf die Behauptung der stark besetzten vordersten Kampfgräben eingeschworen. In ihnen mußte – koste es, was es wolle – dem Feind der Durchbruch verwehrt werden. Kein Grabenstück durfte freiwillig aufgegeben werden. Geländeverluste mußten in möglichst sofortigen Gegenstößen oder in Gegenangriffen nach Artillerievorbereitung wieder genommen werden. Die Deutschen Somme-Kämpfer haben diese Befehle befolgt, wie deutsche Soldaten zu gehorchen gelernt hatten. Es bedurfte erst der blutigen, im Laufe der gewaltigen Abwehrschlacht erwachsenden Lehre, um mit der Zeit zu einem den tatsächlichen Verhältnissen und Bedürfnissen besser entsprechenden Kampfverfahren zu gelangen. In den letzten Tagen des Juni wurden durch
die deutsche
Aufklärung zwischen Arras und Peronne Massen von englischen
Truppen
festgestellt. Flieger erkannten endlose Kolonnen, die die Straßen
bedeckten und Staub aufwirbelten. Deutsche Horchposten vernahmen das
Rollen
und Stampfen von Rädern, auch die englische Luftabwehr
steigerte
sich.
Der Oberkommandierende der 2.Armee, General von Below (Fritz) und der Kommandierende General des XIV.Reservekorps, Generalleutnant von Stein, waren sich am Abend des 23.Juni einig in Ihrer Überzeugung, daß der Engländer sich zur Schlacht bereitstellt. |
![]() |
mit seinen drei Korps vor Beginn der Schlacht |
Von der Scarpe bis zur Oise flammte die
Front auf –
die Artillerieschlacht begann! Das war aber keine
Artillerievorbereitung
mehr, sondern ein Vernichtungsschießen, welches die Sicherung des
Schlachterfolges in sich selbst tragen sollte. Bald erkannte die
deutsche
Führung, daß der eigentliche Feuerbogen sich von Monchy bis
Chaulnes wölbte. Kraft und Methodik dieser Beschießung
übertraf
alles, was der deutsche Soldat bisher erduldet hatte. Britische
Marinerohre
von 38 cm-Kaliber und französische Haubitzen von 40 cm-Kaliber
zerschlugen
die Anmarschstraßen und zerstörten die Stützpunkte
hinter
der bedrohten Linie, auf die das Feuer Tausender kleinerer
Geschütze
niederging. Flach- und Steilfeuer, Gasangriffe und
Minenüberfälle
verketteten sich und säten Tod und Vernichtung. Die Artillerie der
Entente arbeitete wie ein Uhrwerk. Kein Drahtnetz blieb heil, kein
Verhau
blieb aufrecht. Wege und Straßen, Dörfer und Städte
wurden
zerstört, Batterien zerschlagen, Kolonnen mit einem Eisenhagel
zugedeckt,
Gräben und Stollen umgewühlt.
Die Beschießung von Flers und Combles wurde immer stärker, so daß die dort befindlichen Stäbe der 28.ResDiv und der 12.InfDiv nach Le Transloy und Moislains auswichen, um eine geordnete Kampfleitung zu ermöglichen. Das Dorf Combles selbst erhielt in der Nacht zum 26. alleine etwa 3000 schwere Granaten. Auf dem Bahnhof flog ein Munitionszug in die Luft. Auch eine Kleinbahn im Bereich der 12.InfDiv wurde schnell zerstört. Die Versorgungsteile dieser Division mußten nun weit zurück verlegt werden, was zur Folge hatte, daß die Kolonnen nun ca. 25 km weit zur Front vorfahren mußten. Dennoch wurde der Nachschub bei der 12.InfDiv durch die hingebungsvolle Arbeit aller aufrecht erhalten. Die ohnehin zahlenmäßig
wesentlich geringere
deutsche Artillerie konnte einem solchen Orkan nicht die Spitze bieten.
Kaum flammte ihr Abwehrfeuer auf, stürzten sich die feindlichen
Flieger
auf sie, und das zusammengefaßte Feuer der britischen und
französischen
schweren Artillerie ließ sie schnell verstummen. So kam nun bei
den
Deutschen noch der psychologische Effekt hinzu, daß sich die in
den
Gräben verzweifelt ausharrende Infanterie von der eigenen
Artillerie
im Stich gelassen fühlte.
So wurden die Grabenkompanien langsam
ausgetilgt. Ersatz,
der nachts über Leichen nach vorne kroch, wurde wiederum zusammen
geschossen und verblutend in die Unterstände gejagt. Nach drei,
vier
Tagen glaubte man, daß Ende sei gekommen. Weit gefehlt! Weiter
steigerten
die Alliierten das Artilleriefeuer. Langsam fing das Gelände an,
sich
zu verändern. Das Erdreich war nun überall aufgewühlt,
Wälder
waren teilweise verschwunden oder es ragten nur noch die Stümpfe
der
Bäume hervor, Kuppen wurden abgetragen, Mulden zu Kratern
ausgeworfen,
Kirchtürme, Windmühlen, schließlich alles, was nur
irgendwie
ein Beobachtungspunkt sein konnte, wurde dem Erdboden gleich gemacht.
Kurz,
die Gegend fing an, sich in eine Mondlandschaft zu verwandeln. Weder
Fauna
noch Flora überstanden diesen Orkan – das Gelände hatte
anscheinend
kein Leben mehr zu bieten.
So kam der fünfte Tag, und auch der
sechste Tag
neigte sich. Das Feuer brüllte noch immer und schüttete Berge
von Eisen auf die deutschen Linien.
|
![]() |
|
Am 1.Juli um 8.00 morgens wurde es klar,
daß
der feindliche Sturm unmittelbar bevorstand. Um 8.30 Uhr ging das
Artilleriefeuer
auf die rückwärtigen Stellungen und das Hintergelände
über,
um das Herankommen der Reserven zu verhindern. Gleich darauf brach der
Sturm der Engländer, Iren, Schotten, Kanadier, Australier und
Franzosen
los.
Nun wiederholte sich etwas, was es in
diesem Kriege
schon vereinzelt gab und geben wird – etwas, was heute kaum noch
nachvollziehbar
ist, weil es das Vorstellungsvermögen schlichtweg übersteigt.
Während um das XIV.Reservekorps herum die Front zu bröckeln begann, stand dieses wie ein Fels in der Brandung. Zwar drangen die Briten zwischen den Dorfstellungen in die deutschen Linien ein, brachten aber die festen Punkte nicht zu Fall. Furchtbar wütete das deutsche Abwehrfeuer in den dichten Reihen der Angreifer. Die jungen Divisionen der Engländer waren völlig überrascht, daß hier noch jemand lebte. So begann ein grausames Spiel. Die wenigen Deutschen, die den Mut und auch das Glück auf ihrer Seite hatten, mähten die Feinde reihenweise nieder. Augenzeugenberichte sprechen teilweise von Bergen von Leichen, die sich vor den Stellungen türmten. An einzelnen Punkten war die Feldartillerie offen, d.h. ohne Deckung aufgefahren, und schoß im direkten Schuß mit Schrapnells auf den Feind. Abgeschnitten von der Außenwelt hielten wenige Deutsche ganze feindlicher Regimenter auf. Die britische Führung drängte, aber die unerfahrene Truppe gewann nur Zoll um Zoll Raum. Das Kampfgelände glich einem Chaos, Leichen überall, hungernde und durstige, von Gaskrämpfen geschüttelte Deutsche, stemmten sich den Truppen der Entente entgegen. Im Bereich der 12.InfDiv waren die
Franzosen kaum vorwärts
gekommen. Kritisch war jedoch die Lage am rechten Flügel, dort wo
sich die Badener der 28.ResDiv verzweifelt gegen die doch langsam Raum
gewinnenden Engländer wehrten. So erreichten den Kommandeur der
Schlesier,
Generalleutnant Chales de Beaulieu, dringende Hilferufe,
Unterstützung
war gefordert. Generalleutnant von Hahn, der Divisionskommandeur der
28.ResDiv,
bat eindringlich um flankierenden Einsatz der Artillerie, da seine
eigene
kaum noch kampfkräftig war. Die Leitungen waren zerschossen,
Läufer-
und Flaggenverbindungen versagten. Montauban war von den
Engländern
genommen. Drangen sie hier weiter vor, so konnte das ein
Auseinanderreißen
der Front zur Folge haben. So befahl der Divisionskommandeur der
12.InfDiv
den Kommandeur des FeldArtReg 57, Oberstleutnant von der Burg,
persönlich
zu sich, und trug ihm auf, mit allen ihm noch zur Verfügung
stehenden
Geschützen den Badenern zu Hilfe zu kommen. Zwar hatten die 57er
schon
enorme Einbußen an Bedienungen und Gerät, dennoch raffte der
Regimentskommandeur einige Geschütze zusammen und schickte sie in
Stellung.
Aus einem Bericht eines beteiligten Leutnants zitieren wir: „Ein kühnes Wagnis, die Geschütze in diesem Feuer und angesichts der feindlichen Infanterie und deren MG über eine fast 1 km lange Strecke ungedeckt vorzubringen. Das geringste Ausbiegen nach der Seite genügt, um Pferde und Fahrzeug rettungslos im Trichterfeld versacken zu lassen. Und das Liegenbleiben auch nur eines einzigen Gespanns auf der Straße muß alle nachfolgenden aufhalten. Ein Ausweichen, ein zurück gibt es nicht, denn dann ist das Schicksal der gesamten Batterie besiegelt. Mit zusammengebissenen Zähnen, aufs höchste gespannten Nerven jagen die Führer über die zerschossene Straße. Erbarmungslos klatschen die Peitschen auf die keuchenden, schnaubenden Pferde – und es glückt! Ohne Verluste biegen die Geschütz, sobald der feste Boden neben der Straße beginnt, nach rechts, und mit unglaublicher Schnelligkeit ist der ganze Stellungswechsel vollzogen. Die Wirkung sollte nicht ausbleiben, sowohl drüben beim Feind, als auch hier bei unserer braven Infanterie!“ Von ganz besonderer Dramatik ist das Vorgehen weiterer Geschütze der 57er, die Oberstleutnant von der Burg an die bedrohte Stelle dirigiert hat. Sie sollen der schon vorne stehenden Batterie zur Hilfe kommen. Lesen wir weiter in dem Gefechtsbericht: „Die jetzt in einem wahnsinnigen Tempo heranpreschenden Geschütze konnten nicht erst an der Straße angehalten werden. Sie fuhren unmittelbar in offener Stellung auf, verfolgt von Schrapnell- und Infanteriefeuer des Gegners. Die durch das Sausen und Zischen geängstigten Gespanne vollführten einen wahren Zick-Zack-Kurs. Aber die Fahrer, vornüber über die Hälse der Pferde gebeugt, hielten die allgemeine Richtung. „Batterie zum Feuern kehrt – Marsch! Batterie – Halt! Nach rückwärts protzt ab!“ Wie auf dem Exerzierplatz folgten die Geschütze dem Kommando. Dann aber trat beim Abprotzen eine Krise ein. Durch das stärker werdende Feuer der Infanterie wollten die Pferde nicht halten, bäumen sich, zerren an den Tauen und Ketten, so daß das Abprotzen nicht so schnell, wie in dieser kritischen Lage erwünscht, vor sich geht. Noch ist die Stellung von den Geschützprotzen nicht geräumt, da stürmt auch schon von hinten die Munitionsstaffel heran. Eine Gruppe feindlicher Granaten schlägt zwischen sie. Aber schon im nächsten Moment erscheinen die Munitionswagen aus der Rauchwand, um jetzt in noch wilderem Tempo in die Feuerstellung einzurücken. Der Wirrwarr unter den Gespannen wuchs und steigerte sich aufs höchste. Das Kommando „Aufsatz tief – Schnellfeuer!“ tat in diesem kritischen Augenblick seine Wirkung. Die Bedienung wurde wie elektrisiert an die Geschütze gerissen, und bald blitzten die ersten Rohre auf. Allmählich entwickelte sich das Schnellfeuer unter den Händen einer fieberhaft arbeitenden Bedienung. Der Erfolg trat überraschend schnell ein. Das Infanteriefeuer hörte langsam auf und der Feind stockte, zog sich teilweise sogar zurück.“ So wie hier geschildert, spielten sich in diesen ersten Tagen der Schlacht unzählige Vorgänge ab. Immer wieder wurden verloren gegangene Abschnitte zurück erobert. An vielen Stellen kamen die Angreifer nur wenige Kilometer voran. Dafür häuften sich die Verluste von Tag zu Tag. Am 4.Juli war klar, daß der erhoffte s c h n e l l e Durchbruch gescheitert war. Nun sollte eine andere Strategie folgen. |
![]() |
|
General von Below zog alles, was er an Reserven hatte bzw. was ihm von der OHL zur Verfügung gestellt bekam, zusammen. Einzeln wurden die Regimenter, teilweise sogar Bataillone, in die Schlacht geworfen, um die Front zu stabilisieren. So kamen nach und nach 11. und 12.ResDiv, 183. und 185.InfDiv, die 3.GardeInfDiv, die 123.InfDiv sowie schließlich die 7. und 8.InfDiv zum Einsatz. Trotzdem waren die Truppen der Alliierten den Deutschen immer noch an Zahl und Material weit überlegen. Auch auf ihrer Seite kamen die Reserven zum Zug. Ab dem 6.Juli rauschte ein heftiges Gewitter über das Schlachtfeld. Blitze zuckten und Wassermassen ergossen sich über das Land. Die Karrenwege versanken im kreidigen Schlamm, die Wälder dampften und die Somme trat über die Ufer. Die Schlacht wurde dadurch erschwert, aber nicht unterbrochen. Mit gesteigertem Aufwand an Artillerie und Infanterie traten die Truppen der Entente erneut an. Im deutschen Lager herrschte schwere Sorge.
Die Heeresleitung
war durch die überwältigende Artilleriekraft überrascht
worden. Zur Ohnmacht verdammt sahen die Führer ihre Divisionen im
Feuer schmelzen und die Reserven zur Schlacke ausbrennen, bevor der
Kampf
in die Entscheidung wuchs. Die Lage der 2.Armee wurde kritisch. In der
großen Sommeschleife zwischen Frise und Peronne, dort, wo die
Reste
der 12.InfDiv immer noch tapfer aushielten, drohte durch Kreuzfeuer der
französischen Artillerie Vernichtung. Die Deutschen wichen daher
nach
Osten aus, Peronne rückte in den Feuerkreis. Verzweifelt hielt die
verblutende Infanterie nach ihren Fliegern Ausschau, horchte umsonst
auf
wachsenden Donner eigener Artillerie – der Feind beherrschte mit beiden
Waffen Luft und Feld.
Am 7.Juli traten die Verbündeten
erneut an. Im
Raume um Peronne griffen die Franzosen wütend an. Doch wie zu
Beginn
der Schlacht stemmten sich die Reste der deutschen Infanterie dagegen.
Wieder entstand ein Ringen um jeden Meter Boden. Dörfer wechselten
mehrfach am Tage den Besitzer – dem Stoß folgte jedesmal der
Gegenstoß.
So wuchsen die Verluste des Angreifers von Tag zu Tag. Die Kämpfe
übertrafen an Erbitterung und Grauen alles bisher dagewesene.
Neunzehnmal
drangen die Engländer in die Reste des Troneswäldchen ein und
wurden achtzehnmal wieder hinausgeschlagen. Hier hat sich die 12.InfDiv
aufs Äußerste gewehrt. Unter der Führung ihres
umsichtigen
Kommandeurs Oberstleutnant von der Burg jagten die Geschütze des
FeldArtReg
57 und der rechts anschließenden 3.GardeInfDiv wütendes
Sperrfeuer
vor die Front der bedrohten Infanterie. Doch die Kraft der deutschen
Truppen
ging auch hier langsam zu Ende.
Die Führung der Engländer und
Franzosen ist
nicht gewillt, den Angriff abzubrechen. Noch immer ist sie
personell
und materiell im Vorteil. Dem britischen und französischen Volk
wird
das bisher erreichte geschickt durch linientreue Presse "schmackhaft“
gemacht,
die enormen Verluste werden kaschiert.
Wieder bricht der Angriff am 20.Juli unter
stärkstem
Artilleriefeuer los. Wieder läuft alles nach dem altbekannten
Schema
ab. Wieder kämpft man um Meter. Nur äußerst langsam
dringen
die Briten und Franzosen vor. Man merkt, daß neue deutsche
Verbände
eingesetzt sind. Und dennoch, rücksichtslos werfen die Alliierten
neue Truppen in das Gefecht. Und die Schlacht frißt ihre Kinder –
auf beiden Seiten! Immer wieder ist es das Material, das den
Engländern
und Franzosen Vorteile bringt: mehr Flugzeuge, mehr Geschütze,
mehr
Munition, mehr Beobachtungsballons, mehr an allem – nur nicht mehr an
Mut!
Die Alliierten wollen den Durchbruch um jeden Preis erzwingen, denn nun nimmt auch der Druck der Öffentlichkeit zu. So geht die Schlacht weiter. Schwere Gewitter überschwemmen das Trichtergelände, sie erschweren Engländern und Franzosen das weitere Heranführen von Verstärkungen. Doch die Entente gibt die Hoffnung nicht auf, die Schlacht zu gewinnen. Im Herbst soll die Ernte eingeholt werden. Zäh geht es hier und da noch etwas voran, aber ein zügiger Angriff ist das alles nicht mehr. Erst im Spätherbst, ja teilweise sogar erst im November, flauen die Kämpfe ab. Erschöpft sinken beide Seiten zu Boden. Bei den Alliierten werden die wenigen Kilometer Bodengewinn gefeiert – offiziell! Doch die militärische Führung hat erkannt, daß es ein Schlag in das Wasser war. Im Grunde wurde nichts erreicht – außer, daß etliche Quadratkilometer französischen Bodens nun eine Wüstenei sind, und daß zigtausende Soldaten gefallen sind. Auf der deutschen Seite ist man stolz, dem Druck standgehalten zu haben. Kluge Köpfe erkennen aber, daß dieser Abwehrsieg nicht durch die Führung erkämpft wurde, sondern einzig und allein durch die Feldgrauen Truppen an vorderster Front. Noch war der Geist vom August 1914 lebendig – doch wie lange noch? Viele von denen, die damals auszogen, bedeckt nun der Rasen. Und der Ersatz, willig ja, und lernfähig auch. Aber wie lange kann Deutschland das noch durchhalten....... |
![]() |
der "strategische Kopf" des deutschen Abwehrkampfes |
Meldung eines BtlKdr’s aus der Schlacht an der Somme an sein Regiment: „Ich habe starke Verluste. 4.Kompanie zählt nur noch 1 Offizier, 3 Unteroffiziere und 31 Mann (Anm.: von 250 !!!). Ich bitte um viel Wasser!“ Dieses Regiment verlor in der Sommeschlacht 1300 von 3000 Mann! Neben Verdun und Flandern zählt die
Schlacht an
der Somme zu den großen Kämpfen, deren Charakter von einem
Grauen
unermeßlichen Ausmaßes geprägt waren. Dabei sollen die
vielen anderen Schlachten nicht abgewertet werden. Nur der Mythos, der
hier entstand, der Mythos vom „Sommekämpfer“, drückt das
Außergewöhnliche
aus. Er stand für Taten, die mit dem bloßen Verstand nicht
mehr
zu begreifen waren. Heldentum und das Wahnsinnig werden wechselten sich
in den Gräben ab.
Clausewitz gibt ein Beispiel, in dem er
beschreibt,
wie in früheren Kriegen Soldaten, die in der Friedensausbildung
immer
hervorragende Leistungen erbracht hatten, plötzlich im feindlichen
Feuer versagten. Dieses Versagen, dazu noch an kritischer Stelle,
konnte
sich zu einem schlachtentscheidenden Vorgang entwickeln. Umgekehrt
wuchs
mancher Schwache, in der Ausbildung immer ängstlich sich
verhaltende,
plötzlich über sich hinaus, und riß dadurch die schon
wankenden
Kameraden mit sich. Ein schon fast vollendeter Durchbruch wurde noch
aufgefangen,
und die Front stabilisierte sich wieder.
Als die Schlacht zu Ende war, die Millionen von Granattrichtern sich mit Wasser gefüllt hatten, und die ganze Landschaft zu einem Friedhof geworden war, da lag auf beiden kämpfenden Parteien ein tiefer Druck. In seiner Öde und in seinem Grauen schien das Schlachtfeld – so hat es Generalfeldmarschall von Hindenburg empfunden – selbst dasjenige von Verdun noch zu übertreffen. |
|
|