Die Schlacht an der Somme

Auftakt und Höhepunkte im Juni/Juli 1916
 

1.Vorwort

Diese Schilderungen können keine Regimentsgeschichte ersetzen. Es soll auch nicht der Zweck sein. Da die Schlacht an der Somme einer der Höhepunkte im 1.Weltkrieg gewesen ist, kann nur versucht werden, im Rahmen des großen Ganzen ausschnittsweise die Kämpfe der beteiligten Truppen darzustellen. Dies ist aber nur möglich, wenn sich der Leser in die geschilderten Situationen hineindenken kann. Er muß – zumindest grob – wissen, was z.B. bei den jeweils geschilderten Truppen u n d deren Nachbarn passierte. Nur so kann er manche Handlungen und Befehle der angesprochenen Einheiten verstehen.
Es ergibt sich also zwangsläufig eine Mischung von Darstellungsarten, einmal aus Sicht der höheren Führung, dann wieder die Darstellung an der Front selbst, d.h. im vordersten Graben oder in der Artilleriestellung.
Da die Schlacht gewaltige Ausmaße hatte, muß der Schwerpunkt der Schilderungen auf den Bereich gelegt werden, der für den Verlauf von besonderer Bedeutung ist. Dies ist der in der Kriegsgeschichte als Somme-Nord bezeichnete Raum, der sich etwa von Peronne über Albert bis Bienvillers erstreckt.

Es sei noch bemerkt, das man die Vorgänge gut auf einer Landkarte nachverfolgen kann. Meist reicht schon eine Straßenkarte aus. Bei den militärischen Verbänden wurden die üblichen Abkürzungen verwandt.


 
Ein Teil des Schlachtfeldes zwischen Combles und Morval

 
2.Die allgemeine Lage im Frühjahr 1916

Das Jahr 1916 hatte in seiner ersten Hälfte im Osten als auch im Westen schon blutigste Schlachten gesehen. So tobten die Kämpfe an allen Fronten, auch an der Südfront gegen Italien trat keine Ruhe ein.
Eine russische Offensive war auf einer Front von 160 Meilen geplant gewesen und binnen drei Tagen in zwei Abschnitten zu einer raumverschlingenden Sturmflut geworden. So entstand daraus ein Feldzug, der eine Reihe von Schlachten gebar und sich zu Operationen entwickelte, die nur mit Mühe gebändigt werden konnten. Durch äußerste Anstrengungen gelang es, die wankende Front der österreichisch-ungarischen Truppen durch das einschieben deutscher Verbände zu stabilisieren. Wieder einmal zeigte es sich, das der Zustand des k.u.k. Heeres katastrophal war. Lediglich gegen die Italiener an der Isonzofront schlugen sich die Truppen gut. Galten doch die Südländer als der Erzfeind. Gegen Rußland jedoch reihte sich Krise an Krise, vor allem die slawischen Einheiten brachen völlig zusammen und liefen scharenweise zum Feind über. Ein Zustand, der schon seit Beginn des Krieges bestand. Nur die deutschstämmigen Truppen und zum Teil die Ungarn fochten tapfer und waren über jeden Zweifel erhaben.

Im Westen hatte sich die OHL zu dem Angriff auf Verdun im Februar 1916 entschieden. Dieser durchaus umstrittene Angriff brachte zuerst große Erfolge, fraß sich dann aber mehr und mehr fest. Im Juni 1916 erreichte er seinen Höhepunkt, die Deutschen standen an einigen Stellen schon gefährlich nahe vor der Stadt. Aber inzwischen war die zeitweilige kurz vor dem Zusammenbrechen stehende französische Front gefestigt worden, und aus dem großen Angriff war nun ein zähes Ringen um jeden Meter Boden entstanden. In Schlamm und Blut erstickte die Schlacht. Der Chef des deutschen Generalstabs, General von Falckenhayn, entwickelte die Theorie von der Ausblutung der französischen Armee. So wurde Division um Division in die Schlacht geführt, auf deutscher wie auf französischer Seite, doch die Hoffnung, daß sich die Franzosen „verbluten“ würden, erfüllte sich nicht. Die Verluste der Deutschen waren ebenso groß. Dennoch war die Situation für die Entente schwierig. Würde Verdun fallen, so könnten die Deutschen die Front erheblich verkürzen, Truppen dadurch frei bekommen, und an anderer Stelle zu einer großen Offensive übergehen. Dazu kam noch, das Verdun für die Franzosen ein Mythos war. Verdun durfte nicht in die Hände des Feindes fallen, koste es, was es wolle. So ging das grausame Ringen weiter.

Schließlich wurde auf Seiten der Entente der Entschluß gefaßt, durch einen groß angelegten Angriff die Front bei Verdun zu entlasten. Einen eigenen Angriff, z.B. in der Champagne, konnten die Franzosen nicht mehr führen, denn dazu waren sie zu geschwächt. So blieb nur die Möglichkeit, mit den Engländern Schulter an Schulter vorzugehen. Letztere standen im nördlichen Frankreich und in Belgien und hatten sich von den schlimmen Kämpfen des Jahres 1915 wieder erholt. Auch materiell brauchte man, vor allem wegen den Lieferungen aus den USA, keine Sorgen zu haben. 
Ein solcher Angriff war allerdings schon länger geplant, die Schlacht bei Verdun hat die Überlegungen hierzu nicht gehemmt, sondern eher beschleunigt, denn das „Ausbluten“ ging an keinem spurlos vorüber.
Das Trommelfeuer der Artillerie, das die Soldaten hier erlebten, galt als das Schlimmste, was man bisher in diesem Kriege erleben konnte. Aber es sollte noch viel Schlimmer kommen.....


 
Erschöpfte deutsche Soldaten ruhen
während einer Gefechtspause in
einem Granatloch

 
3.Der englisch-französische Angriffsplan und der Aufmarsch

Unheimlich wächst im Westen der Materialkrieg über den Männerkrieg. Wie schon angesprochen, sind es vor allem die USA, die die Entente mit Kriegsgerät versorgen. Amerika ist zu einem einzigen großen Kriegsrüstungslager geworden – frei nach dem Motto „Granaten gegen Geld“! Allerdings gilt das nicht für Deutschland, denn obwohl die USA offiziell neutral sind, gibt es für Deutschland keine Möglichkeit, Material zu beziehen. So können Franzosen und Engländer aus dem Vollen schöpfen. Und dieser Umstand wird auch bei ihren Planungen entsprechend berücksichtigt.
Dieser Aspekt ist von entscheidender Bedeutung. Während schon ab Herbst 1914 immer wieder Munitionsmangel bei den Deutschen auftritt – vor allem für die Artillerie und hier wiederum für die schwere – gibt es bei der Entente in diesem Bereich kaum Sorgen oder Probleme!

Zwar lud der über Noyon vorspringende Mittelbau der deutschen Front zu einem Zangenangriff ein, aber dennoch ist es ganz anders gekommen. England und Frankreich verzichteten auf einen solchen Angriff und entschieden sich für einen einfachen Stoß. Dieser frontale Durchbruchsversuch zielte zunächst auf Peronne und Bapaume, sollte aus der Ferne aber auch Cambrai bedrohen. 
Da das Ziel, Schulter an Schulter anzugreifen, hier am einfachsten gegeben war, hatte dieser Gedanke durchaus eine sinnvolle Basis. Dazu kam der Grundgedanke, die riesigen materiellen Vorteilen voll zu nutzen, um so Menschenleben zu sparen. Trotz des U-Boot-Krieges der Deutschen lief die Versorgung über das Meer durch die USA auf Hochtouren. So glaubte man auf Seiten der Entente, die durchaus bekannten Schwierigkeiten eines frontalen Durchbruchs auf diese Weise aus dem Weg zu räumen. 

Einschließlich der ersten Planungsgedanken haben die Alliierten mehr als 5 Monate zu dieser Schlacht gerüstet. So wurden Schienen und Straßen gebaut, Granaten angehäuft und Tausende von Rohren aller Kaliber in Stellung gebracht. Riesige Mengen tödlicher Gasmunition wurde bereitgestellt. Hinter der Front übten die Angriffstruppen, vor allem die jungen britischen Verbände, die eben erst aufgestellt worden waren, neue Sturmverfahren.
Aber es war nicht das neue Sturmverfahren, welches die Sommeschlacht so grausam werden lassen sollte. 

Um den frontalen Durchbruch zu erzielen, ging man davon aus, das nur eine entsprechende Vorbereitung durch die Artillerie einen Erfolg bringen könnte. Da die Versorgung mit Munition keine Sorgen bereitete, plante man, durch ein entsprechendes Trommelfeuer die deutschen Gräben einschließlich der gesamten Verteidigungszone so sturmreif zu schießen, daß sich dort überhaupt kein Widerstand mehr regen sollte. Auch die Artillerie sollte von vorne herein total ausgeschaltet werden. Nach längeren Berechnungen kam man schließlich zu dem Ergebnis, das dem Sturm der Infanterie ein vorbereitendes Artilleriefeuer von sieben Tagen und Nächten vorhergehen sollte. Dann, so glaubte man, wäre jegliches Leben in den deutschen Stellungen erloschen, und die französische und englische Infanterie könnte – quasi im Spaziergang – die Stellungen nehmen.

Alles war bis in das Kleinste geregelt. Es konnte gar nicht schief gehen, so glaubte man in den höheren Stäben der Entente. Bei einem solchen Hagel von Granaten konnte auch der tapferste Soldat seine Stellung nicht halten. Entweder er floh, oder er wurde erbarmungslos von den Granaten zerrissen.
Unter großer Geheimhaltung liefen die Vorbereitungen ab, der Feind sollte ja nichts erfahren. Und so braute sich ein Gewitter von bisher noch nie dagewesenem Ausmaß vor der Front der Deutschen zusammen – der Aufmarsch zur Schlacht begann!

Am 16.Juni 1916 begann sich das große Unwetter zwischen Scarpe und Somme drohend zusammenzuziehen. Zwei englische und zwei französische Armeen marschierten auf. Die Engländer standen nördlich der Somme im Ancrebogen zwischen Gommecourt und Fricourt, die Franzosen südlich der Sommeschleife zwischen Frise und Estrees.
So war der englische Aufmarschraum durch die Ancre in zwei Abschnitte geteilt, in denen jeweils eine Armee stand. Die Franzosen, die auf ungeteiltem Feld antraten, hatten die schwierigen Sommeschleifen in ihrem südlichen Abschnitt. Massen von Reserven wurden vorgesehen, um die Schlacht fortwährend zu speisen. Die Briten wollten zuerst mit 12 Divisionen in erster und 5 Divisionen in zweiter Linie angreifen. Große Mengen an Kavallerie wurden zur Verfolgung bereitgehalten. Das Hauptgewicht aber lag auf der ungeheuer vermehrten Artillerie aller Kaliber, die von Fliegern bei der Schußbeobachtung unterstützt werden sollte. Hiervon versprach man sich den größten Erfolg.
Die Engländer gingen mit großer Zuversicht in die Schlacht, hatten sie sich doch monatelang darauf vorbereitet. Es war das erste Mal, daß sie die Hauptlast eines Angriffs auf sich nehmen würden. Die Franzosen, die ja immer noch in schwere Abwehrkämpfe bei Verdun verwickelt waren, traten zuerst nur zur Verstärkung des rechten Flügels an. 

Am 23.Juni begann sich das Geschützfeuer an der englisch-französischen Front zum Wirkungsschießen zu verdichten. Es war ein kritischer Tag. Die Deutschen standen vor Fleury und Souville im Kampf um Verduns Innengürtel, und der Russe lag nach der Vernichtung der österreichischen Armee des Erzherzogs Ferdinand nun mit der deutschen Südarmee des Generals von Linsingen im Styrbogen verkämpft.
Dann, am 24.Juni, eröffneten die Alliierten die Offensive an der Somme in einer Breite von 40 km!


 
Zusammengeschossene deutsche Stellung

 
4.Die Lage der Deutschen

Ende Juni 1916 lag im Bereich der 2.Armee u.a. das XIV.Reservekorps nördlich von Peronne bis etwa Bienvillers in Stellung. Zu ihm gehörten 5 Divisionen. Von Norden ab in südlicher Richtung waren eingesetzt:

2.GardeResDiv bei und nördlich Gommecourt
52.InfDiv beiderseits Hebuterne 
26.ResDiv beiderseits Thiepval
28.ResDiv im Raum Mametz, Fricourt und ostwärts Contalmaison
12.InfDiv nördlich Maricourt bis Hem wenige Kilometer nordostwärts von Peronne

Bei Curlu lag die 12.InfDiv mit ihren vordersten Teilen unmittelbar an der Somme, was ihre Stellung zusätzlich erschwerte.

Südlich dieses Korps schlossen sich innerhalb der 2.Armee das XVII. Armeekorps sowie das Gardekorps an.

Die deutsche I. Stellung bestand fast durchweg aus drei, in einer Tiefe von 500 bis 1000 Meter hintereinander liegenden und untereinander durch viele Annäherungsgräben verbundenen, durch starke Drahthindernisse gesicherte Kampfgräben. In und zwischen diesen Gräben boten in den Boden getriebene Stollen (Unterstände) den Grabenbesatzungen dürftige Unterkunft und Schutz gegen Artilleriefeuer. Eine Zwischenstellung rückwärts gelegen war vorhanden und teilweise schon sehr gut ausgebaut. Die II. Stellung war so weit zurückgezogen, daß sie der Wirkung der feindlichen Artillerie auf die I. Stellung entzogen war. Einzelne Riegelstellungen zwischen der I. und II. Stellung sollten die seitliche Ausbreitung eines etwaigen feindliches Einbruchs einschränken. Die in der I., Zwischen- und II. Stellung gelegenen Ortschaften, Höfe und Waldstücke waren meist zur abschnittsweisen Verteidigung ausgebaut. Die III. Stellung war nur stellenweise hergerichtet, einzelne Stützpunkte waren vorhanden. 

Die verdrahteten Batteriestellungen für leichte und schwere Artillerie lagen, mit mehr oder weniger guten Eindeckungen versehen, zwischen der Zwischen- und der II. Stellung sowie rückwärts der letzteren. Wechselstellungen waren in größerer Anzahl vorhanden.
Eine kritische Stelle in der Front war der etwas vorspringende Teil bei Fricourt und Mametz im Bereich der 28.ResDiv und der südlich angrenzenden 12.InfDiv. Hier konnte der Gegner von zwei Seiten angreifen.
Hinter der Front der 2.Armme lagen als Reserve drei abgekämpfte Divisionen, das war wenig genug.

Das XIV.Reserve-Korps hatte seine Stellungen gut ausgebaut und mit geringen Kampfmitteln und wenigen Divisionen schon lange behauptet. In seinem rückwärtigen Gebiet lagen viele Wohlfahrtseinrichtungen für die Truppe, die hier schon längere Zeit eingesetzt war. Große Gebiete wurden landwirtschaftlich ausgenutzt. Die bebauten Felder gingen, als die Schlacht begann, der Kornreife entgegen.

Die deutsche Verteidigung war im Sommer 1916 noch immer auf die Behauptung der stark besetzten vordersten Kampfgräben eingeschworen. In ihnen mußte – koste es, was es wolle – dem Feind der Durchbruch verwehrt werden. Kein Grabenstück durfte freiwillig aufgegeben werden. Geländeverluste mußten in möglichst sofortigen Gegenstößen oder in Gegenangriffen nach Artillerievorbereitung wieder genommen werden. Die Deutschen Somme-Kämpfer haben diese Befehle befolgt, wie deutsche Soldaten zu gehorchen gelernt hatten. Es bedurfte erst der blutigen, im Laufe der gewaltigen Abwehrschlacht erwachsenden Lehre, um mit der Zeit zu einem den tatsächlichen Verhältnissen und Bedürfnissen besser entsprechenden Kampfverfahren zu gelangen.

In den letzten Tagen des Juni wurden durch die deutsche Aufklärung zwischen Arras und Peronne Massen von englischen Truppen festgestellt. Flieger erkannten endlose Kolonnen, die die Straßen bedeckten und Staub aufwirbelten. Deutsche Horchposten vernahmen das Rollen und Stampfen von Rädern, auch die englische  Luftabwehr steigerte sich.
Nur in den Mulden und Sümpfen der Sommeniederung blieb alles wie es war, und zwischen Frise und Peronne – im Abschnitt der 12.InfDiv – übertönte das tausendstimmige Orchester der Frösche die Geräusche in den feindlichen Gräben.

Der Oberkommandierende der 2.Armee, General von Below (Fritz) und der Kommandierende General des XIV.Reservekorps, Generalleutnant von Stein, waren sich am Abend des 23.Juni einig in Ihrer Überzeugung, daß der Engländer sich zur Schlacht bereitstellt.


 
Die strategische Lage der deutschen 2.Armee 
mit seinen drei Korps vor Beginn der Schlacht

 
5.Der Auftakt zur Schlacht

Von der Scarpe bis zur Oise flammte die Front auf – die Artillerieschlacht begann! Das war aber keine Artillerievorbereitung mehr, sondern ein Vernichtungsschießen, welches die Sicherung des Schlachterfolges in sich selbst tragen sollte. Bald erkannte die deutsche Führung, daß der eigentliche Feuerbogen sich von Monchy bis Chaulnes wölbte. Kraft und Methodik dieser Beschießung übertraf alles, was der deutsche Soldat bisher erduldet hatte. Britische Marinerohre von 38 cm-Kaliber und französische Haubitzen von 40 cm-Kaliber zerschlugen die Anmarschstraßen und zerstörten die Stützpunkte hinter der bedrohten Linie, auf die das Feuer Tausender kleinerer Geschütze niederging. Flach- und Steilfeuer, Gasangriffe und Minenüberfälle verketteten sich und säten Tod und Vernichtung. Die Artillerie der Entente arbeitete wie ein Uhrwerk. Kein Drahtnetz blieb heil, kein Verhau blieb aufrecht. Wege und Straßen, Dörfer und Städte wurden zerstört, Batterien zerschlagen, Kolonnen mit einem Eisenhagel zugedeckt, Gräben und Stollen umgewühlt.
Der Engländer schoß schematisch, aber mit enormer Genauigkeit. Der Franzose hatte ein bewegliches Verfahren. Seine Batterien wechselten rascher Ziel und Richtung und wirkten durch überraschendes Kreuzfeuer und gewaltiges Zusammenfassen aller Kaliber noch verheerender als der Brite. Am 25.Juni warfen sich die Flieger der Alliierten auf die deutschen Beobachtungsballons und brachten sie zum Absturz. Während auf der Seite der Entente sich nun meilenweit Ballon an Ballon reihte, erblindete die deutsche Front mehr und mehr.

Die Beschießung von Flers und Combles wurde immer stärker, so daß die dort befindlichen Stäbe der 28.ResDiv und der 12.InfDiv nach Le Transloy und Moislains auswichen, um eine geordnete Kampfleitung zu ermöglichen. Das Dorf Combles selbst erhielt in der Nacht zum 26. alleine etwa 3000 schwere Granaten. Auf dem Bahnhof flog ein Munitionszug in die Luft. Auch eine Kleinbahn im Bereich der 12.InfDiv wurde schnell zerstört. Die Versorgungsteile dieser Division mußten nun weit zurück verlegt werden, was zur Folge hatte, daß die Kolonnen nun ca. 25 km weit zur Front vorfahren mußten. Dennoch wurde der Nachschub bei der 12.InfDiv durch die hingebungsvolle Arbeit aller aufrecht erhalten. 

Die ohnehin zahlenmäßig wesentlich geringere deutsche Artillerie konnte einem solchen Orkan nicht die Spitze bieten. Kaum flammte ihr Abwehrfeuer auf, stürzten sich die feindlichen Flieger auf sie, und das zusammengefaßte Feuer der britischen und französischen schweren Artillerie ließ sie schnell verstummen. So kam nun bei den Deutschen noch der psychologische Effekt hinzu, daß sich die in den Gräben verzweifelt ausharrende Infanterie von der eigenen Artillerie im Stich gelassen fühlte.
Auch die Gasangriffe forderten schwere Opfer. Scharfe Chlordämpfe und süßliche Phosgenschwaden wälzten sich über die Felder, die Vögel stürzten aus der Luft, Blätter und Früchte hingen versengt, Pferde und Hunde, alles Getier war vergiftet. Ja bis in die tiefsten Stollen drang dieser lautlose Tod. 

So wurden die Grabenkompanien langsam ausgetilgt. Ersatz, der nachts über Leichen nach vorne kroch, wurde wiederum zusammen geschossen und verblutend in die Unterstände gejagt. Nach drei, vier Tagen glaubte man, daß Ende sei gekommen. Weit gefehlt! Weiter steigerten die Alliierten das Artilleriefeuer. Langsam fing das Gelände an, sich zu verändern. Das Erdreich war nun überall aufgewühlt, Wälder waren teilweise verschwunden oder es ragten nur noch die Stümpfe der Bäume hervor, Kuppen wurden abgetragen, Mulden zu Kratern ausgeworfen, Kirchtürme, Windmühlen, schließlich alles, was nur irgendwie ein Beobachtungspunkt sein konnte, wurde dem Erdboden gleich gemacht. Kurz, die Gegend fing an, sich in eine Mondlandschaft zu verwandeln. Weder Fauna noch Flora überstanden diesen Orkan – das Gelände hatte anscheinend kein Leben mehr zu bieten.
Einzelne Regimenter, die besonders gelitten hatten, mußten frühzeitig abgelöst werden. So kam ein weiteres Übel hinzu, nämlich jenes, daß die ohnehin geringen Reserven der Deutschen quasi tropfenförmig eingesetzt werden mußten. Die Divisionsverbände wurden zerrissen, was natürlich eine schwierige Gefechtsleitung mit sich brachte, da Truppe und Führung sich permanent neu an einander gewöhnen mußten.

So kam der fünfte Tag, und auch der sechste Tag neigte sich. Das Feuer brüllte noch immer und schüttete Berge von Eisen auf die deutschen Linien. 
In der Nacht vom 29. zum 30. mußten bei der 12.InfDiv die vordersten Besatzungen der InfReg 62 und 63, die zum Teil schon 18 Tage im schwersten Feuer gelegen hatten, durch Teile des bayr. ResInfReg 6 abgelöst werden. Lediglich der Artillerie gelang es, aufgrund der vorher erkundeten Wechselstellungen, ihre Kampfkraft halbwegs zu erhalten.
Am 30.Juni schließlich und noch in der Nacht zum 1.Juli, nach sieben Tagen und Nächten, so wie es geplant war, schwoll der Orkan noch einmal zu einem ohrenbetäubenden Donner an, gewaltiger Rauch und Staub nahmen jegliche Sicht. Die Welt schien unterzugehen. Es war, als wäre der jüngste Tag angebrochen!


 
Englische Infanterie im Angriff auf die deutschen Stellungen

 
6.Krisen und Höhepunkte

Am 1.Juli um 8.00 morgens wurde es klar, daß der feindliche Sturm unmittelbar bevorstand. Um 8.30 Uhr ging das Artilleriefeuer auf die rückwärtigen Stellungen und das Hintergelände über, um das Herankommen der Reserven zu verhindern. Gleich darauf brach der Sturm der Engländer, Iren, Schotten, Kanadier, Australier und Franzosen los.
Die Infanterie der Entente hatte durch das deutsche Vergeltungsfeuer wenig gelitten und trat, von dem Schauspiel des eigenen überwältigenden Artilleriefeuers begeistert, zuversichtlich zum Sturm an.
Der Angriff war auf gewaltsame Durchbrechung der deutschen Front ausgelegt und wurde mit rücksichtsloser Wucht geführt.

Nun wiederholte sich etwas, was es in diesem Kriege schon vereinzelt gab und geben wird – etwas, was heute kaum noch nachvollziehbar ist, weil es das Vorstellungsvermögen schlichtweg übersteigt.
Da erstanden aus Trichtern und Trümmern die letzten Überlebenden der deutschen Grabenbesatzungen und richteten die wenigen, nicht verschütteten Gewehre und MG auf den anlaufenden Feind. In den Batteriestellungen der Artillerie wurde das letzte noch verwendungsfähige Geschütz aus der Deckung gerissen und unmittelbar hinter die Infanterie gerollt, an einigen Stellen sogar mit bloßen Händen. Munitionskolonnen mit zum Teil blutenden Pferden brachten die Granaten nach vorne. Die letzten Flieger, die General von Below noch besaß, warfen sich mit Todesverachtung den feindlichen Geschwadern entgegen. Ein Verzweiflungskampf begann!

Während um das XIV.Reservekorps herum die Front zu bröckeln begann, stand dieses wie ein Fels in der Brandung. Zwar drangen die Briten zwischen den Dorfstellungen in die deutschen Linien ein, brachten aber die festen Punkte nicht zu Fall. Furchtbar wütete das deutsche Abwehrfeuer in den dichten Reihen der Angreifer. Die jungen Divisionen der Engländer waren völlig überrascht, daß hier noch jemand lebte. So begann ein grausames Spiel. Die wenigen Deutschen, die den Mut und auch das Glück auf ihrer Seite hatten, mähten die Feinde reihenweise nieder. Augenzeugenberichte sprechen teilweise von Bergen von Leichen, die sich vor den Stellungen türmten. An einzelnen Punkten war die Feldartillerie offen, d.h. ohne Deckung aufgefahren, und schoß im direkten Schuß mit Schrapnells auf den Feind. Abgeschnitten von der Außenwelt hielten wenige Deutsche ganze feindlicher Regimenter auf. Die britische Führung drängte, aber die unerfahrene Truppe gewann nur Zoll um Zoll Raum. Das Kampfgelände glich einem Chaos, Leichen überall, hungernde und durstige, von Gaskrämpfen geschüttelte Deutsche, stemmten sich den Truppen der Entente entgegen.

Im Bereich der 12.InfDiv waren die Franzosen kaum vorwärts gekommen. Kritisch war jedoch die Lage am rechten Flügel, dort wo sich die Badener der 28.ResDiv verzweifelt gegen die doch langsam Raum gewinnenden Engländer wehrten. So erreichten den Kommandeur der Schlesier, Generalleutnant Chales de Beaulieu, dringende Hilferufe, Unterstützung war gefordert. Generalleutnant von Hahn, der Divisionskommandeur der 28.ResDiv, bat eindringlich um flankierenden Einsatz der Artillerie, da seine eigene kaum noch kampfkräftig war. Die Leitungen waren zerschossen, Läufer- und Flaggenverbindungen versagten. Montauban war von den Engländern genommen. Drangen sie hier weiter vor, so konnte das ein Auseinanderreißen der Front zur Folge haben. So befahl der Divisionskommandeur der 12.InfDiv den Kommandeur des FeldArtReg 57, Oberstleutnant von der Burg, persönlich zu sich, und trug ihm auf, mit allen ihm noch zur Verfügung stehenden Geschützen den Badenern zu Hilfe zu kommen. Zwar hatten die 57er schon enorme Einbußen an Bedienungen und Gerät, dennoch raffte der Regimentskommandeur einige Geschütze zusammen und schickte sie in Stellung.
Die badische Infanterie kämpfte zäh und verbissen, entbehrte aber der Artillerieunterstützung. Die Geschütze der 57er sollte sie bringen.

Aus einem Bericht eines beteiligten Leutnants zitieren wir:

„Ein kühnes Wagnis, die Geschütze in diesem Feuer und angesichts der feindlichen Infanterie und deren MG über eine fast 1 km lange Strecke ungedeckt vorzubringen. Das geringste Ausbiegen nach der Seite genügt, um Pferde und Fahrzeug rettungslos im Trichterfeld versacken zu lassen. Und das Liegenbleiben auch nur eines einzigen Gespanns auf der Straße muß alle nachfolgenden aufhalten. Ein Ausweichen, ein zurück gibt es nicht, denn dann ist das Schicksal der gesamten Batterie besiegelt. Mit zusammengebissenen Zähnen, aufs höchste gespannten Nerven jagen die Führer über die zerschossene Straße. Erbarmungslos klatschen die Peitschen auf die keuchenden, schnaubenden Pferde – und es glückt! Ohne Verluste biegen die Geschütz, sobald der feste Boden neben der Straße beginnt, nach rechts, und mit unglaublicher Schnelligkeit ist der ganze Stellungswechsel vollzogen. Die Wirkung sollte nicht ausbleiben, sowohl drüben beim Feind, als auch hier bei unserer braven Infanterie!“

Von ganz besonderer Dramatik ist das Vorgehen weiterer Geschütze der 57er, die Oberstleutnant von der Burg an die bedrohte Stelle dirigiert hat. Sie sollen der schon vorne stehenden Batterie zur Hilfe kommen. Lesen wir weiter in dem Gefechtsbericht:

„Die jetzt in einem wahnsinnigen Tempo heranpreschenden Geschütze konnten nicht erst an der Straße angehalten werden. Sie fuhren unmittelbar in offener Stellung auf, verfolgt von Schrapnell- und Infanteriefeuer des Gegners. Die durch das Sausen und Zischen geängstigten Gespanne vollführten einen wahren Zick-Zack-Kurs. Aber die Fahrer, vornüber über die Hälse der Pferde gebeugt, hielten die allgemeine Richtung. „Batterie zum Feuern kehrt – Marsch! Batterie – Halt! Nach rückwärts protzt ab!“ Wie auf dem Exerzierplatz folgten die Geschütze dem Kommando. Dann aber trat beim Abprotzen eine Krise ein. Durch das stärker werdende Feuer der Infanterie wollten die Pferde nicht halten, bäumen sich, zerren an den Tauen und Ketten, so daß das Abprotzen nicht so schnell, wie in dieser kritischen Lage erwünscht, vor sich geht. Noch ist die Stellung von den Geschützprotzen nicht geräumt, da stürmt auch schon von hinten die Munitionsstaffel heran. Eine Gruppe feindlicher Granaten schlägt zwischen sie. Aber schon im nächsten Moment erscheinen die Munitionswagen aus der Rauchwand, um jetzt in noch wilderem Tempo in die Feuerstellung einzurücken. Der Wirrwarr unter den Gespannen wuchs und steigerte sich aufs höchste. Das Kommando „Aufsatz tief – Schnellfeuer!“ tat in diesem kritischen Augenblick seine Wirkung. Die Bedienung wurde wie elektrisiert an die Geschütze gerissen, und bald blitzten die ersten Rohre auf. Allmählich entwickelte sich das Schnellfeuer unter den Händen einer fieberhaft arbeitenden Bedienung. Der Erfolg trat überraschend schnell ein. Das Infanteriefeuer hörte langsam auf und der Feind stockte, zog sich teilweise sogar zurück.“

So wie hier geschildert, spielten sich in diesen ersten Tagen der Schlacht unzählige Vorgänge ab. Immer wieder wurden verloren gegangene Abschnitte zurück erobert. An vielen Stellen kamen die Angreifer nur wenige Kilometer voran. Dafür häuften sich die Verluste von Tag zu Tag. Am 4.Juli war klar, daß der erhoffte s c h n e l l e Durchbruch gescheitert war. Nun sollte eine andere Strategie folgen.


 
Engländer ergeben sich nach einem mißglückten Angriff

 
7.Vergebliches Anrennen

General von Below zog alles, was er an Reserven hatte bzw. was ihm von der OHL zur Verfügung gestellt bekam, zusammen. Einzeln wurden die Regimenter, teilweise sogar Bataillone, in die Schlacht geworfen, um die Front zu stabilisieren. So kamen nach und nach 11. und 12.ResDiv, 183. und 185.InfDiv, die 3.GardeInfDiv, die 123.InfDiv sowie schließlich die 7. und 8.InfDiv zum Einsatz. Trotzdem waren die Truppen der Alliierten den Deutschen immer noch an Zahl und Material weit überlegen. Auch auf ihrer Seite kamen die Reserven zum Zug. 

Ab dem 6.Juli rauschte ein heftiges Gewitter über das Schlachtfeld. Blitze zuckten und Wassermassen ergossen sich über das Land. Die Karrenwege versanken im kreidigen Schlamm, die Wälder dampften und die Somme trat über die Ufer. Die Schlacht wurde dadurch erschwert, aber nicht unterbrochen. Mit gesteigertem Aufwand an Artillerie und Infanterie traten die Truppen der Entente erneut an.

Im deutschen Lager herrschte schwere Sorge. Die Heeresleitung war durch die überwältigende Artilleriekraft überrascht worden. Zur Ohnmacht verdammt sahen die Führer ihre Divisionen im Feuer schmelzen und die Reserven zur Schlacke ausbrennen, bevor der Kampf in die Entscheidung wuchs. Die Lage der 2.Armee wurde kritisch. In der großen Sommeschleife zwischen Frise und Peronne, dort, wo die Reste der 12.InfDiv immer noch tapfer aushielten, drohte durch Kreuzfeuer der französischen Artillerie Vernichtung. Die Deutschen wichen daher nach Osten aus, Peronne rückte in den Feuerkreis. Verzweifelt hielt die verblutende Infanterie nach ihren Fliegern Ausschau, horchte umsonst auf wachsenden Donner eigener Artillerie – der Feind beherrschte mit beiden Waffen Luft und Feld.
Denn der Angriff der Entente war nicht abgeblasen worden. Es begann nun ein zähes „anknabbern“ der Front der Deutschen in der Hoffnung, an einer Stelle doch durchzustoßen, um dann die Front noch aufrollen zu können. 
So galt es auszuharren, bis die OHL Hilfe schicken konnte. 

Am 7.Juli traten die Verbündeten erneut an. Im Raume um Peronne griffen die Franzosen wütend an. Doch wie zu Beginn der Schlacht stemmten sich die Reste der deutschen Infanterie dagegen. Wieder entstand ein Ringen um jeden Meter Boden. Dörfer wechselten mehrfach am Tage den Besitzer – dem Stoß folgte jedesmal der Gegenstoß. So wuchsen die Verluste des Angreifers von Tag zu Tag. Die Kämpfe übertrafen an Erbitterung und Grauen alles bisher dagewesene. Neunzehnmal drangen die Engländer in die Reste des Troneswäldchen ein und wurden achtzehnmal wieder hinausgeschlagen. Hier hat sich die 12.InfDiv aufs Äußerste gewehrt. Unter der Führung ihres umsichtigen Kommandeurs Oberstleutnant von der Burg jagten die Geschütze des FeldArtReg 57 und der rechts anschließenden 3.GardeInfDiv wütendes Sperrfeuer vor die Front der bedrohten Infanterie. Doch die Kraft der deutschen Truppen ging auch hier langsam zu Ende.
Immer wieder rafften sich Engländer und Franzosen auf, immer wieder wurden Ortschaften und Waldreste buchstäblich bis zum letzten Mann verteidigt. So ging das zähe Ringen weiter bis zum 19.Juli. Schließlich waren auch die Truppen der Entente müde und erschöpft. Eine Atempause trat ein.

Die Führung der Engländer und Franzosen ist nicht gewillt, den Angriff abzubrechen. Noch immer ist sie personell  und materiell im Vorteil. Dem britischen und französischen Volk wird das bisher erreichte geschickt durch linientreue Presse "schmackhaft“ gemacht, die enormen Verluste werden kaschiert. 
Doch auch die Deutschen sind nicht müßig. Endlich haben sie die Zeit, die sie brauchen, um sich neu zu ordnen. Neue Reserven rollen heran, die Divisionen, die am meisten gelitten haben, werden endlich abgelöst. Und auch die Artillerie kann wieder ihre Stimme erheben, so daß die Infanterie sich wieder von den Kanonen gestützt fühlt. So zieht die Schlacht die ganze Westfront in ihren Bann. Die OHL hatte erkannt, daß sie nicht gleichzeitig bei Verdun und an der Somme opfern konnte, und darüber hinaus noch zwanzig Divisionen zur Unterstützung der Österreicher einsetzen konnte. Zwar wurde der Angriff auf Verdun nicht eingestellt, aber der Auftrag lautete dort nur noch, den Feind zu binden. Das Schwergewicht lag nun an der Somme. 
So wurde auch der Befehlsbereich der höheren Führung unstrukturiert. General von Below übernahm den Teil nördlich der Somme mit der 1.Armee, den südlichen Abschnitt mit der bisherigen 2.Armee erhielt General von Gallwitz. 
Der Krieg, der von den Verbündeten überall, im Osten, Westen und Süden, nun angriffsweise geführt wurde, erhielt an der Somme nun den Charakter einer Zermürbungsschlacht von unberechenbaren Ausmaßen, eine reine Abwehrschlacht für die Deutschen. Von dem großen Gedanken eines schnellen Durchbruchs war bei der Entente nichts übrig geblieben. Bis zum 19.Juli war der Geländegewinn bei den Franzosen eine Einbeulung der deutschen Front von maximal 10 km, bei den Engländern gar nur 7 km. Die Verluste an Menschen waren jedoch enorm. 
Der neue Stoß der Alliierten richtete sich zentral auf Combles, er stellte den Verteidiger erneut vor eine schwere Krise.

Wieder bricht der Angriff am 20.Juli unter stärkstem Artilleriefeuer los. Wieder läuft alles nach dem altbekannten Schema ab. Wieder kämpft man um Meter. Nur äußerst langsam dringen die Briten und Franzosen vor. Man merkt, daß neue deutsche Verbände eingesetzt sind. Und dennoch, rücksichtslos werfen die Alliierten neue Truppen in das Gefecht. Und die Schlacht frißt ihre Kinder – auf beiden Seiten! Immer wieder ist es das Material, das den Engländern und Franzosen Vorteile bringt: mehr Flugzeuge, mehr Geschütze, mehr Munition, mehr Beobachtungsballons, mehr an allem – nur nicht mehr an Mut! 
Der Verteidiger verliert Mann um Mann, sieht seine Batterien zusammenbrechen, seine Reserven zu Einzelreihen aufgelöst auf Trampelpfaden das Leichenfeld durchqueren, um die geschlagenen Lücken zu füllen, und wartet zähneknirschend auf den Feind. Immer wieder laufen die besten britischen Regimenter an, immer wieder werden sie zusammengeschossen. Die Engländer fordern die Franzosen auf, noch einmal mit allem anzugreifen, was sie haben. Immer noch wird um das Dorf Maurepas gekämpft, obwohl wir  mittlerweile Anfang August schreiben! Erst am 15.August geht Maurepas teilweise verloren. 

Die Alliierten wollen den Durchbruch um jeden Preis erzwingen, denn nun nimmt auch der Druck der Öffentlichkeit zu. So geht die Schlacht weiter. Schwere Gewitter überschwemmen das Trichtergelände, sie erschweren Engländern und Franzosen das weitere Heranführen von Verstärkungen. Doch die Entente gibt die Hoffnung nicht auf, die Schlacht zu gewinnen. Im Herbst soll die Ernte eingeholt werden. Zäh geht es hier und da noch etwas voran, aber ein zügiger Angriff ist das alles nicht mehr. Erst im Spätherbst, ja teilweise sogar erst im November, flauen die Kämpfe ab. Erschöpft sinken beide Seiten zu Boden. Bei den Alliierten werden die wenigen Kilometer Bodengewinn gefeiert – offiziell! Doch die militärische Führung hat erkannt, daß es ein Schlag in das Wasser war. Im Grunde wurde nichts erreicht – außer, daß etliche Quadratkilometer französischen Bodens nun eine Wüstenei sind, und daß zigtausende Soldaten gefallen sind. Auf der deutschen Seite ist man stolz, dem Druck standgehalten zu haben. Kluge Köpfe erkennen aber, daß dieser Abwehrsieg nicht durch die Führung erkämpft wurde, sondern einzig und allein durch die Feldgrauen Truppen an vorderster Front. Noch war der Geist vom August 1914 lebendig – doch wie lange noch? Viele von denen, die damals auszogen, bedeckt nun der Rasen. Und der Ersatz, willig ja, und lernfähig auch. Aber wie lange kann Deutschland das noch durchhalten.......


 
Oberst v.Loßberg, 
der "strategische Kopf" 
des deutschen Abwehrkampfes

 
8.Nachwort

Meldung eines BtlKdr’s aus der Schlacht an der Somme an sein Regiment: 

„Ich habe starke Verluste. 4.Kompanie zählt nur noch 1 Offizier, 3 Unteroffiziere und 31 Mann (Anm.: von 250 !!!). Ich bitte um viel Wasser!“

Dieses Regiment verlor in der Sommeschlacht 1300 von 3000 Mann!

Neben Verdun und Flandern zählt die Schlacht an der Somme zu den großen Kämpfen, deren Charakter von einem Grauen unermeßlichen Ausmaßes geprägt waren. Dabei sollen die vielen anderen Schlachten nicht abgewertet werden. Nur der Mythos, der hier entstand, der Mythos vom „Sommekämpfer“, drückt das Außergewöhnliche aus. Er stand für Taten, die mit dem bloßen Verstand nicht mehr zu begreifen waren. Heldentum und das Wahnsinnig werden wechselten sich in den Gräben ab. 
Hier bewahrheiteten sich die Worte des bekannten Kriegsphilosophen Clausewitz, der in seinem noch heute gültigen Werk „Vom Kriege“ eigentlich als einziger eine Erklärung liefert, warum Menschen so etwas Furchtbares überstehen können. Er spricht von den sogenannten „Friktionen“, von Einflüssen und Verhaltensweisen, die ein Feldherr nicht vorhersehen kann, wo er nicht steuernd eingreifen kann.

Clausewitz gibt ein Beispiel, in dem er beschreibt, wie in früheren Kriegen Soldaten, die in der Friedensausbildung immer hervorragende Leistungen erbracht hatten, plötzlich im feindlichen Feuer versagten. Dieses Versagen, dazu noch an kritischer Stelle, konnte sich zu einem schlachtentscheidenden Vorgang entwickeln. Umgekehrt wuchs mancher Schwache, in der Ausbildung immer ängstlich sich verhaltende, plötzlich über sich hinaus, und riß dadurch die schon wankenden Kameraden mit sich. Ein schon fast vollendeter Durchbruch wurde noch aufgefangen, und die Front stabilisierte sich wieder.
Diese, von Clausewitz als erstem ausgesprochen und zu Papier gebrachten Verhaltensweisen von Menschen im Kriege, haben wir an der Somme in Reinkultur gesehen. Man kann die Vorgänge schildern, ob man sie versteht, bleibt dahingestellt.

Als die Schlacht zu Ende war, die Millionen von Granattrichtern sich mit Wasser gefüllt hatten, und die ganze Landschaft zu einem Friedhof geworden war, da lag auf beiden kämpfenden Parteien ein tiefer Druck. In seiner Öde und in seinem Grauen schien das Schlachtfeld – so hat es Generalfeldmarschall von Hindenburg empfunden – selbst dasjenige von Verdun noch zu übertreffen.


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