Sergeant Wilhelm Schmehl

* 20.5.1884
+ 30.5.1918

gefallen in der 6.Kompagnie des
Reserve-Infanterie-Regiments Nr.234
während der Kämpfe bei Soissons


 
Wilhelm Schmehl hatte seine Wehrdienstzeit weit von seiner Heimat Naunheim entfernt in Konstanz am Bodensee bei dem dort in Garnison liegenden 6.Badischen Infanterie-Regiment Kaiser Friedrich III. Nr.114 abgeleistet. Dieses Regiment stellte auch die Wachkompagnie für die Burg Hohenzollern, die er dadurch kennen lernte.
Der Zufall wollte es, daß ein weiterer Naunheimer, Heinrich Rühl IV., zur gleichen Zeit dort stationiert war. Aus diesen Friedenszeiten stammt das folgende Bild des Gefreiten Wilhelm Schmehl: 

 

 
Nach einigen Jahren Friedenszeit wurde er kurz nach Kriegsausbruch als Gefreiter der Reserve in das am 9.September 1914 in Kassel neu aufgestellte Reserve-Infanterie-Regiment Nr.234 einberufen. Nicht nur sein alter Freund aus Friedenszeiten Heinrich Rühl IV. (+ 6.5.15) zog mit ihm in die gleiche Einheit ein, sondern auch etliche andere Kameraden aus seinem Heimatdorf Naunheim, z.B. Heinrich Becker (+ 24.5.15), Ludwig Neumann (+ 24.4.15) und Friedrich Schäfer (+ 22.9.15), aber auch aus den umliegenden Gemeinden, z.B. aus Frankenbach Ludwig Donges (+ 20.2.16) und Heinrich Kleinschmidt (+ 19.4.17), aus Werdorf Wilhelm Haag (+ 1.10.18), aus Hermannstein Karl Hedderich (+ 1.12.15), aus Kölschhausen Wilhelm Moritz (+ 30.9.18), aus Rodheim Ludwig Platt (+ 24.5.17) und auch aus Wetzlar der erst 17 jährige Kriegsfreiwillige Alfred Schmidt, der schon am 11.11.14 in der ersten Flandernschlacht gefallen ist.

Das Schicksal wollte es, das Wilhelm Schmehl derjenige Naunheimer Gefallene wurde, der am längsten an der Front stand. Fast 4 Jahre lang, von Oktober 1914 bis Ende Mai 1918, hat er seinem Vaterland in schwerer Zeit gedient. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 2.Klasse ausgezeichnet und zweimal befördert, erst zum Unteroffizier, dann zum Sergeanten. 


 
Wilhelm Schmehl im Jahre 1916 
mit seiner Frau Luise 
und Tochter Wilhelmine

 
Wilhelm Schmehl hat mit seinem Regiment im Laufe des Krieges viele Schlachtfelder des Weltkriegs gesehen. Die 51.Reserve-Division, zu der sein Regiment gehörte, galt als gute Truppe. Im Oktober 1914 begann es nach dem Vormarsch durch Belgien mit der ersten Flandernschlacht, der im Winter und dem ersten Halbjahr 1915 die schweren Kämpfe im Raum Ypern folgten. Orte wie Langemark und Poelcapelle, Pilkem und St.Julien, die damals immer wieder in den Heeresberichten genannt wurden, bei allen hat er gekämpft. Fast schien es zuerst so, als sollte es für das Regiment nur Flandern als Einsatzgebiet geben. Zwei Weihnachtsfeste wurden hier gefeiert, und man war am Anfang des Jahres 1916 schon richtig "bodenständig" geworden.

 
Vorderster Graben des Regiments 234 in Flandern
Das zerstörte St.Julien im Brennpunkt des Kampfes

 
Die Regimentsgeschichte schreibt hierüber:

" Der Sommer 1916 brachte wenig große Kampfhandlungen, etwas Minenschießerei, etwas Gasabblasen, einige Patrouillenunternehmungen, hier und da Verbesserung der Stellungslage, aber alles dies stand in keinem Verhältnis zu dem, was an anderer Stelle der Westfront von der Truppe gefordert wurde. Wir wußten genau, eines Tages wird auch unsere Stunde schlagen, in der wir die Gräben in Flandern würden räumen müßen."

So nutzte das Regiment die noch verbleibende Zeit zur Ausbildung. Der langjährige Regimentskommandeur, Major Freiherr v.Edelsheim, kümmerte sich um jede Kleinigkeit und sorgte dafür, daß seine Truppe gut gerüstet der Zukunft in's Auge sehen konnte.

Schon hatte sich der Sommer seinem Ende geneigt, da kamen am 15.September 1916 die Verlegungsbefehle - die Schlacht an der Somme tobte, und die 51.Reserve-Division sollte nun hier eingesetzt werden. 

In Moorslede begann das Verladen des Regiments auf die Eisenbahn. Nach einem kurzen Gottesdienst durch den Divisionspfarrer Kolbe rollten noch in der Nacht zum 16. die ersten Züge los. Am 17. rollte das II.Bataillon ab, in deren 6.Kompagnie sich Wilhelm Schmehl seit Kriegsbeginn befand und inzwischen zum Unteroffizier befördert worden war. Über Douai und Cambrai ging die Fahrt, und bereits abends wurde in Rumilly ausgeladen, um dann im Fußmarsch Sorail zu erreichen. Nach weiteren Nachtmärschen wurde es schließlich bei Combles westlich Sailly in vorderster Stellung eingesetzt. Schon traten die ersten Verluste ein. Permanent lag feindlichen Streufeuer auf den Stellungen, die Männer versuchten immer wieder, die Gräben auszubessern. Ein Vorbringen warmer Verpflegung war nicht möglich, die Truppe lebte ausschließlich von Konserven und etwas Wasser. 
Der 23.September war ein Großkampftag, die feindlichen Truppen konnten bei den Nachbarn Geländegewinne erzielen und schlossen nun Combles von drei Seiten ein.
Am nächsten Tag griffen die Engländer nach starkem Minenbeschuß an, sie trafen hauptsächlich auf die 6.Kompagnie. Es gelang dem Feind an einigen Stellen, in den deutschen Graben einzudringe. Doch obwohl die Truppe schon stark mitgenommen war, gelang es ihr, an allen Stellen im erbitterten Nahkampf, den Feind hauptsächlich durch Handgranaten wieder zu vertreiben. Ein zweiter Angriff zwei Stunden später wurde hauptsächlich durch die Unterstützung der Maschinengewehre abgewiesen. 
Die Lage spitzte sich durch die erheblichen Verluste jedoch immer mehr zu. Am 25. wurde die 6.Kompagnie wieder durch einen großen Angriff getroffen. Nochmals  gelang es dem zusammengeschmolzenen Haufen, den Feind abzuwehren. Aber auch von Norden und Süden drückte der Feind die Stellungen ein.

Die Regimentsgeschichte schreibt über diese Situation:

"Die Lage für das Regiment war auf das bedrohlichste angestiegen. Der nächste Masseneinsatz mußte dem Feind Fregicourt in den Schoß werfen und dann Combles seiner letzten rückwärts führenden Straße berauben. - Das Regiment wäre verloren gewesen."

Während noch über eine Räumung des Ortes nachgedacht wurde, passierte am 26. September das Unheil! Beim Nachbarregiment brach der Gegener ein, die Front drohte aufgerollt zu werden. So versuchten die Kompagnien einzeln, sich abzusetzten und rückwärtige Stellungen zu erreichen.


 
Die Umgebung der Kirche von Combles nach 
schwerem Artilleriebeschuß im September 1916

 
Dramatisch wurde die Situation bei der 6.Kompagnie. Hierüber lesen wir in der Regimentsgeschichte:

"Bei der 6.Kompagnie riß die Verbindung ab und Leutnant Daniel mit etwa 30 Mann verlief sich und geriet in Feindeshand. Von der 6.Kompagnie kamen in dieser Nacht überhaupt nur Leutnant Standhardt und 10 Mann in der Riegelstellung an, der Rest war versprengt."

Am 29.September wurde das Regiment dann endgültig abgelöst, die zur Schlacke ausgebrannte Truppe kam nach Gonnelieu in Ruhe. Es grenzt fast an ein Wunder, daß Wilhelm Schmehl diesen Hexenkessel überlebt hat!

Nach einigen Erholungstagen wurde die Division im Oktober wieder verladen, sie sollte nun an einem ruhigen Frontteil eingesetzt werden. Das Ziel war zuerst Tahure in der Champagne. An dem bekannten "Kanonenberg" bei Cernay übernahmen die 234er nun eine gut ausgebaute Stellung, in der sie bis zum Jahre 1917 bleiben sollten - fast ein Jahr lang.

 
Anmarschweg der 234er zum "Kanonberg" 
bei Cernay in der Champagne im Jahre 1917

 
Die kommenden Monate wurden eine ruhige Stellungszeit, die auch zur Erholung diente, allerdings 1917 immer wieder durch Patrouillenunternehmungen unterbrochen. Das Regiment hatte dabei große Erfolge. So kam es, daß am 20.April auch der Generalfeldmarschall v.Hindenburg die Division besichtigte. Es folgten dann kleinere Stellungsverschiebungen und weitere Erkundungseinsätze. Am 13.August 1917 kam der Befehl zur Ablösung und die Truppe kam im Raum um Sedan in Ruhe. Doch schon am 18. wurde verladen, es ging nach Samogneux bei Verdun.

 
Nur kurz, nachdem das Regiment sich in der neuen Stellung eingerichtet hatte, kam ein Angriffsbefehl. Ziel war die vor kurzem verloren gegangene Höhe 344. Am 9.September begann der Sturm, der jedoch auf erbitterten Widerstand traf. Die Verbände gerieten durcheinander, und auch das eigene Artilleriefeuer lag nicht gut. Dazu kam noch ein sehr starker Nebel, der der Grund war, daß sich an einigen Stellen die Angreifer gegenseitig mit Handgranaten bewarfen. So war der Angriff völlig mißlungen, und am 10. wurde das Regiment völlig erschöpft abgelöst und kamen in Ruhe.

Hier sollte bei Nouart ein besonderes Ereignis passieren: Kronprinz Wilhem von Preußer, der Oberbefehlshaber der 5.Armee, dem die Division unterstand, besichtigte das Regiment bei herrlichem Herbstwetter. Der bei den Soldaten sehr beliebte Führer sprach bei dieser Gelenheit mit vielen Männern persönlich und erkundigte sich nach ihren Wünschen und Nöten. 


 
Der Deutsche Kronprinz (mitte) begrüßt die Männer vom 
Reserve-Infanterie-Regiment 234. Ganz links vorne mit Stahlhelm 
der Regimentskommandeur Oberstleutnant Freiherr v.Edelsheim, zwischen 
diesem und dem Kronprinzen der Divisionkommandeur Generalleutnant Balck.

 
Wenige Tage später wurde die Divsion wieder an die Champagnefront verlegt, blieb aber hier zuerst auch in Ruhe. Erst mitte Dezember kamen die Männer südlich von Ripont wieder in Stellung. Nach einem ruhigen Weihnachtsfest fanden im Januar 1918 wieder einige Patrouillenunternehmungen statt.  Ende Februar fand eine Stellungsverschiebung statt, das Regiment lag nun am Butte du Mesnil. Während die 234er hier treu die Wacht hielten, begann am 21.März 1918 der große deutsche Angriff zwischen Lens und La Fere, der die Entscheidung des Weltkriegs bringen sollte. Doch am rechten Flügel kam der Vorstoß nur langsam voran. So wurde am 23.März auch die 51.Reserve-Divison aus der Champagne abberufen und kam in den Raum um Montdidier. Nach weiteren Fußmärschen wurden die vordersten Stellungen erreicht. Hier bekamen die 234er die undankbare Aufgabe, das von den anderen Truppen eroberte Gelände zu halten und gegen mögliche Gegenangriffe zu verteidigen. Nenneswerte Gefechtshandlungen gab es jedoch keine, und so kam es daß das Regiment am 30. April zurückgezogen wurde. Nach einer kurzen Ruhezeit folgten anstrende Märsche in Richtung Süden. Gerüchte besagten, eine weitere große Schlacht stünde bevor, und die Division sollte dabei eingesetzt werden. Der alte Angriffsgeist der 234er aus der Zeit von Flandern 1914, die so lange schon zurück lag, war noch einmal geweckt worden.

 
Am 27. Mai 1918 standen zwei deutsche Armeen zwischen Noyon und Reims zum Angriff bereit. Das Ziel war zunächst nicht weit gesteckt. Man wollte über Fluß "Vesle" nach Süden hinaus gelangen und die Linie Soissons-Fismes überschreiten. Es war kein leichtes Unternehmen, galt es doch nicht nur den Höhenzug "Chemin des Dames" zu überwinden, sondern auch der recht ansehnliche Fluß "Aisne" lag vor der Front.

 
Der Verlauf des deutschen Angriffs Ende Mai 1918

 
Doch die ersten beiden Tage brachten den Deutschen überragende Erfolge. Nach zwei Stunden war der Chemin des Dames gestürmt und die Truppen drangen in das Aisnetal hinab. Dann wurde auf Schnellbrücken der Fluß überquert, und gegen Abend standen die Angreifer schon da, wo sie nach dem Plan der Führung erst in zwei Tagen hätten stehen sollen. Nun faßten Hindenburg und Ludenlorff den Entschluß, den Erfolg auszunutzen und den Angriffsplan zu erweitern. Unaufhaltsam ging es weiter, in breiter Front wurde die Vesle überschritten und Soissons und Fismes erreicht.

 
In Gewaltmärschen hatten auch die 234er am 29.Mai Soissons erreicht und wurden südlich der Stadt an der Bahnlinie nach Chateau in die Front eingeschoben. Am Vormittag des 30. erhielt die Truppe unerwartet plötzlich einen Angriffsbefehl, obwohl die Masse der Artillerie noch nicht heran war. Alles mußte nun sehr überstürzt angeordnet werden. Der Gefechtsstreifen des Regiments verlief auf Anordnung der Division südlich Vauxbuin in Richtung auf Missy. Unmittelbar vor der Stellung lag ein Chateau und dahinter die Höhe 133, die im ersten Anlauf zu nehmen war. 

Die Regimentsgeschichte schreibt dazu:

"Das Regiment trat mit dem II. Bataillon vorne links und dem III. Bataillon vorne rechts an, das I. Bataillon folgte als Regimentsreserve."

Wilhelm Schmehl, inzwischen zum Sergeanten befördert, war mit seiner 6.Kompagnie bei dem II.Bataillon zum Schutz der Flanke eingesetzt.


 
Um 9 Uhr vormittags am 30.Mai begann der Sturm, der wegen der schwachen Artillerieunterstützung sofort hauptsächlich auf dem rechten Flügel auf heftigen Widerstand stieß. Links beim II.Bataillon ging es besser vorwärts, hier wurden auch die ersten französischen Gefangenen eingebracht. Sehr früh schon wurde das I.Bataillon - die Reserve - rechts eingesetzt. Da traf aber auch das II.Bataillon südwestlich des Chateaus auf hartnäckige Gegenwehr. Der Steilhang der Höhe 133 mußte Schritt für Schritt im Nahkampf Mann gegen Mann erkämpft werden. Schließlich lagen die Männer noch vor einem großen französischen MG-Stützpunkt fest. Mit Hilfe einer deutschen MG-Scharfschützen-Abteilung gelingt es, in einem letzten großen Anlauf den Stützpunkt zu erobern und die Franzosen dazu zu zwingen, den gesamten Höhenzug zu räumen. Doch diesen großen Triumph erlebt Wilhelm Schmehl nicht mehr, er ist beim Einbruch in die französische Stellung gefallen.

 
Skizze der Kämpfe der 234er südlich von
Soissons. In der Mitte des Gefechtsstreifens
das Chateau und die Höhe 133, bei deren
Erstürmung der Sregeant Wilhelm Schmehl
gefallen ist.

 
Zu seinen Ehren soll hier noch auszugsweise der Heeresbericht folgen, der in der Heimat damals von diesen schweren Kämpfen berichtet hat:

"Im Westen und Südwesten von Soissons wird schon drei Tage hartnäckig gekämpft. Der Franzose wehrt sich tapfer und wirft Division auf Division dem Angriff entgegen. Die bekannte ruhmreiche 51.Reserve-Division stand im schwersten Ringen um die gut ausgebauten Stellungen bei Vauxbuin...
Nicht weniger als 7 französische Divisionen, darunter Elitetruppen, hatte diese tapfere Division an den letzten zwei Tagen zu bekämpfen gehabt."


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