Unteroffizier Ludwig Neumann

* 19.6.1885
+ 24.4.1915

gefallen als Gruppenführer
in der 8.Kompagnie des
Reserve-Infanterie-Regiments Nr.234
während des Sturms auf St.Julien in Flandern


 
Zum 1. Oktober 1906 wurde der in Hassloch bei Wiesbaden geborene Lehrer Ludwig Neumann nach Naunheim versetzt. Zusätzlich zu seinem Lehreramt wird er auch der Dirigent des örtlichen Gesangvereins. Bis zum Kriegsausbruch im August 1914 hat er dieses Funktionen wargenommen.

 
Die alte Schule in Naunheim, an der der Lehrer
Ludwig Neumann bis 1914 unterrichtet hat

 
Es muß als ein besonders glücklicher Umstand angesehen werden, daß es noch im Jahre 2002 eine Zeitzeugin in Naunheim gibt, die von den Vorgängen der damaligen Zeit erzählen kann.
Frau Katharine Adam, im Jahre 1907 in Naunheim geboren, war 1914 Schülerin der 2.Klasse, die von Ludwig Neumann unterrichtet wurde. Sie berichtet:

 
 
Frau Katharine Adam geb.Bill 
im Sommer 2002

 
"Der Dorfschullehrer Neumann war eine Respektsperson. Er war zwar streng, aber trotzdem mochten die Kinder ihn, auch wenn er die etwas wilderen Buben ab und zu "gezisselt" hat. Die Mädchen waren artiger. Er hat damals 
alle Fächer unterrichtet, so z.B. Schreiben, Lesen, Rechnen und Singen.
Als der Krieg ausbrach, da mußten die Männer fort in's Feld, und auch der Lehrer Neumann wurde Soldat. Mit der Hilfe der Eltern haben wir dann später Päckchen gepackt und den Soldaten geschickt. Auch für den Lehrer haben wir das gemacht. Wenn ein Soldat aus unserem Dorf gefallen war, dann wurde in der Kirche vom Pfarrer eine Andacht gehalten. 
Wir Kinder mußten damals viel auf dem Feld helfen. Das war auch für uns nicht leicht."

 
Als Unteroffizier der Reserve rückte Ludwig Neumann in das am 9.September 1914 in Kassel neu aufgestellte Reserve-Infanterie-Regiment Nr.234 ein. Etliche andere Kameraden aus seinem Heimatdorf Naunheim begleiteten ihn, z.B. Heinrich Becker (+ 24.5.15), Heinrich Rühl IV. (+ 6.5.15), Wilhelm Schmehl (+ 30.5.18) und Friedrich Schäfer (+ 22.9.15), aber auch aus den umliegenden Gemeinden rückten Männer bei den 234ern ein, z.B. aus Frankenbach Ludwig Donges (+ 20.2.16) und Heinrich Kleinschmidt (+ 19.4.17), aus Werdorf Wilhelm Haag (+ 1.10.18), aus Hermannstein Karl Hedderich (+ 1.12.15), aus Kölschhausen Wilhelm Moritz (+ 30.9.18), aus Rodheim Ludwig Platt (+ 24.5.17) und auch aus Wetzlar der erst 17 jährige Kriegsfreiwillige Alfred Schmidt, der schon am 11.11.14 in der ersten Flandernschlacht gefallen ist.

Am 12.Oktober rückt das Regiment dann aus. 2 Tage Bahnfahrt nach belgisch Flandern, und dann Tagesmärsche von bis zu 25 km steht den Männern bevor. Am 20. schließlich erreichen sie Westrozebeke. Hier stoßen sie auf heftigen Widerstand, es entbrennt ein verlustreicher Kampf.  Dennoch kann auch das Dorf Poelcapelle noch genommen werden, die Vorpostenstellung liegt nun mit der Front nach Langemark. In den nächsten Tagen finden die blutigen Kämpfe im Raum um den Houthoulster Wald statt. Geschickt verzögern die englischen Truppen das Verstürmen der jungen deutschen Regimenter. Endlich, anfang November, tritt eine kutze Ruhephase ein. Die Division, zu der das Regiment 234 gehört, wird herausgezogen und etwas weiter südlich neu eingesetzt. Gegen Ende des Jahres erstarren die Kämpfe dann in Matsch und Kälte.

Über die Weihnachtszeit schreibt die Regimentsgeschichte:

"Das Weihnachtsfest kam heran und mit ihm eine schier überwältigende Fülle von Liebesgaben, Kassel und Göttingen schickten waggonweise Pakete, mit großer Mühe und Sorgfalt für jeden einzelnen Mann zusammengestellt."

Die ersten Wochen des neues Jahres wurden dazu genutzt, die Stellungen auszubauen und zu verbessern. Dann aber wird es wieder ernst. Ein großer Angriff ist in Vorbereitung.
Am 22.April 1914 wird dem Reserve-Infanterie-Regiment 234 für diesen Angriff, dessen Ziel St.Julien ist, auch zwei Kompagnien der Reserve-Jäger 23 unterstellt, auch Gas wird eingesetzt. Um 6.00 Uhr nachmittags beginnt der Sturm, rasch werden die ersten feindlichen Stellungen genommen. "Die Stimmung der Truppe ist glänzend" schreibt die Regimentssgeschichte. Ein großer Sieg war erfochten worden, aber noch war das große Ziel - Ypern - nicht erreicht. 

Der Morgen des 24.April zieht herauf. "St.Julien sollte genommen werden!", so schreibt die Regimentsgeschichte. Doch schon auf den Höhen von Keerselaere empfängt die Deutschen ein wahnsinniges Infanterie- und MG-Feuer, der Angriff muß vorübergehend eingestellt werden.


 
Der Angriff (Pfeile) der 234er und und der 23er Jäger am 24.April 1915 auf St.Julien

 
Dann aber beschießt die deutsche Artillerie den Ort, und die Infanterie kannt sich langsam näher heranarbeiten. Nun werden auch die Jäger-Kompagnien mit zum Sturm angesetzt, es nähert sich die Entscheidung. Dieser Angriff sollte ein blutiger Tag für die Naunheimer Soldaten werden.
An der Spitze der 2.Jäger-Kompagnie fällt als einer der ersten der Kompagnieführer, Leutnant Paul Heep aus Wetzlar. Und mit ihm wird auch der Jäger Karl Mulch aus Naunheim tödlich verwundet, er verstirbt zwei Tage später in einem Feldlazarett. Dann wird in der 6.Kompagnie der 234er Heinrich Rühl schwer verwundet, er stirbt am 6.Mai im Lazarett Euskirchen.
Schließlich, als die ersten Gruppen in den Ort eindringen, fällt auch der Unteroffizier Ludwig Neumann. Um die Verwundeten und Gefallenen kann sich zu diesem Zeitpunkt keiner kümmern.  Erst gegen 7.00 Uhr abends, als St.Julien sicher in deutscher Hand ist, kann das Gefechtsfeld abgesucht werden.

 
Vorderster Graben des Regiments 234
Der Brennpunkt, das zerstörte St.Julien

 
Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde Ludwig Neumann seinerzeit auf einem der vielen Soldatenfriedhöfe in Flandern beigesetzt. Doch manche von diesen wurden während den Rückzugskämpfen 1918 gänzlich zerstört, auch die späteren Umbettungen sind nicht alle ordnungsgemäß verlaufen. So finden wir heute kein Grab mehr von ihm. Aber es ist anzunehmen, daß er dennoch unbekannt auch heute noch in Flanders Erde ruht.

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