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Bei den großen Heeresvermehrungen
von 1914 im
September und Dezember handelt es sich um klassische neu aufgestellte
Einheiten,
die in der Heimat zusammen gestellt wurden. Die Verfahren, die dabei
angewendet
wurden, waren jedoch höchst unterschiedlich. Deshalb kann mit Fug
und Recht behauptet werden, daß das Ergebnis im ersten Fall in
einem
Desaster endete, im zweiten jedoch ein Erfolg wurde.
Die ersten Neuformationen großen Stils waren im September 1914 folgende: XXII. Reservekorps mit 43. und
44.Reservedivision
Hierzu kam noch eine zusätzliche, von Bayern aufgestellte Division, die 6. bayerische Reservedivision. Schon bei der Gliederung fällt auf, daß keine Infanterie-Brigadeverbände gebildet worden sind. Somit gibt es anfangs auch keine Brigadekommandeure, sondern nur einen Brigade-Infanterieführer für jede Division. Dieser hatte den taktischen Einsatz von vier Infanterie-Regimentern und zwei Jäger-Battaillonen zu leiten, unter den gegeben Umständen eine kaum lösbare Aufgabe. Auch überrascht der starke Mangel an Artillerie und entsprechenden Führern. Da nur ein Feldartillerie-Regiment in der Division vorhanden ist, gibt es folglich auch keinen Brigadeverband, selbst einen Artillerie-Führer, der dem Divisionskommandeur als Berater zur Seite stehen könnte, war nicht vorhanden. Schon hier merkt man, daß sich Fehler, die bei der Aufstellung der Reservedivisionen (die z.B. auch nur ein Feldartillerie-Regiment hatten) zu Beginn des Krieges gemacht wurden, wiederholen. Was die absolut unzureichende Ausbildung und Ausrüstung betrifft, so ist in dem Abschnitt "Der Soldat, seine Familie und die Heimat" ein Bericht, auf den in diesem Zusammenhang verwiesen wird. Die Fehler, die von vielen Fachleuten
jedoch als entscheidenden
bezeichnet werden, liegen im personellen Bereich und in der Art des
ersten
Einsatzes. Die Truppen bestanden überwiegend aus
Kriegsfreiwilligen
und älteren Reservisten sowie aus Offizieren, die zum großen
Teil schon seit längerer Zeit aus dem aktiven bzw. dem Reserve-
oder
Landwehrverhältnis ausgeschieden und somit entweder schon
pensioniert
oder zur Disposition gestellt waren. Bei diesen Vorgaben tat die
überaus
kurze Ausbildungszeit von acht Wochen ihr Übriges hinzu.
Sicherlich läßt sich das
Argument, daß
die Not dazu zwang, nicht völlig von der Hand weisen. Die
schlimmen
Konsequenzen, die dieses Verfahren jedoch hatte, zeigen klar, daß
der Weg, den man bestritten hatte, falsch war. Denn aller Opfermut und
alle Hingabe konnte die fehlende Ausbildung, die Gewöhnung an die
Strapazen sowie die veränderten Verhältnisse gegenüber
dem
Kriege 1870/71 nicht ersetzen. So muß klar erkannt werden,
daß
unersätzliches junges Menschenmaterial, aus dem später auch
neue
Führer hätten rekrutiert werden können, dahin ging. Was
die älteren Offiziere betrifft, so darf man ihnen eines mit
Sicherheit
nicht vorwerfen - fehlenden Opfermut. Sie starben genau wie ihre
Mannschaften,
meistens an deren Spitze. Aber viele waren auch einfach körperlich
nicht mehr in der Lage, einen solchen Feldzug durchzustehen. Einige
"alten
Herren" hatte den Krieg gegen Frankreich noch mitgemacht und hier und
da
trug einer sogar noch das Eiserne Kreuz aus dieser Zeit!
Die zweite große Neufaufstellung erfolgte im Winter 1914. Durch Erlaß des Kriegsministeriums vom 13.11.1914 wurde die Errichtung von 81 sogenannten Feld-Infanterie-Bataillonen in der Heimat angeordnet, die als IV.Bataillone für die bestehenden Regimenter in Aussicht genommen waren. Doch bereits im Dezember ließ man diese Absicht fallen und schuf neun neue Reservedivisionen (davon eine aus Bayern), die - ohne die bayerische - in vier neuen Korps zusammen gefaßt wurden: XXXVIII. Reservekorps mit 75. und
76.Reservedivision
Hier war nun endlich aus den Fehlern
gelernt worden.
Brigadeverbände waren gebildet, erfahrene Obristen oder
Generalmajore
führten sie. Die neue "Dreiergliederung" (d.h. nur noch eine
Infanterie-Brigade
in der Division, diese aber mit drei Infanterie-Regimentern, war schon
eingeführt worden. Die Artillerie, nun zwei
Feldartillerie-Regimenter
je Division, war, wie die aktiven Divisionen, zu einer
Feldartillerie-Brigade
zusammen gefaßt worden. Auch hier war ein schon kriegserfahrener
höherer Offizier als Kommandeur eingesetzt.
Diese neuen Divisionen haben sich unter den denkbar schwersten Verhälnissen (z.B. in der Winterschlacht in den Masuren) glänzend bewährt und gezeigt, was bei richtiger Organisation auch völlig neu aufgestellte Truppenteile leisten können. |
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