Füsilier Heinrich Mulch

* 25.11.1895
+ 11.7.1916

gefallen in der 10.Kompagnie des
Lehr-Infanterie-Regiments 
der preußischen Garde
bei Bazentin le Grand während den Kämpfen
um den Mametzer Wald in der Somme-Schlacht


 
Im Sommer 1915 - der Krieg tobte nun fast schon 1 Jahr, kam auch die Zeit, in der Heinrich Mulch zu den Fahnen gerufen wurde. Seine Garnison, in der er die Ausbildungszeit verbrachte, war keine geringere als die Reichshauptstadt Berlin. Wie eine Postkarte vom Juni 1915 belegt, war er zum Lehr-Infanterie-Regiment der preußischen Garde eingezogen worden. Und so präsentiert er sich stolz in seiner neuen Uniform, auf der die Gardelitzen auf dem Kragen seiner Uniformjacke deutlich zu erkennen sind.

 
Füsilier Heinrich Mulch während
seiner Ausbildungszeit in Berlin

 
Im Spätsommer 1915 rückt er dann zur 10.Kompagnie des III.Bataillons in's Feld aus. Zuerst ist die Ostfront sein Ziel. Hier hatte sein Regiment innerhalb der 3.Garde-Infanterie-Division die Dnjester-Schlacht mitgemacht und an den Verfolgungskämpfen teilgenommen. 
Ende August beginnt die große Durchbruchsschlacht bei Zlota-Lipa, in der er wohl zum ersten Mal ins Gefecht kommt. Weiter geht es dann in rastloser Verfolgung, bis die Truppe im September den Sereth erreicht. Das Regiment wird endlich zu einer Ruhezeit aus der Front herausgezogen. Reichliches Essen und auch das ein oder andere Fäßchen deutschen Bieres sorgen für gute Stimmung, so können wir es in der Regimentsgeschichte nachlesen. Und auch die Regimentsmusik trifft ein und bereitet den Männern einige heitere Stunden.

Im Oktober rückt das Regiment dann wieder in Stellung und der Ausbau der Gräben sowie der Unterkünfte für den Winter wird vorangetrieben. Doch immer noch finden Gefechte statt, Angriffe und Gegenangriffe wechseln sich ab. Dann merkt der Russe, daß er hier nicht weiter kommt.

So lesen wir in der Regimentsgeschichte:

"An diesem Frontabschnitt herrschte während des ganzen Winters lebhafte feindliche und eigene Artillerie- und Infanterie-Feuertätigkeit. Zu größeren Kampfhandlungen kam es aber nicht."

Anfang April 1916 kommt dann plötzlich der Befehl, daß die 3.Garde-Infanterie-Division auf einen anderen Kriegsschauplatz verlegt werden soll. Zuerst ist nur bekannt, daß es an die Westfront geht. Ab dem 12.April rollen die Transportzüge. Die Fahrt geht über Lemberg, Krakau, Breslau, Görlitz, Dresden, Nordhausen, Soest, Unna und Aachen nach Belgien hinein. Über Lüttich und Namur fährt man weiter, und schließlich wird nach 5-tägiger Fahrt im Raum Vouziers-Savigny ausgeladen. Nun ist es klar - die Champagne ist das Ziel. Zur großen Freude aller besucht hier der Kaiser die Truppen. Nach dem Abschreiten der Front begrüßt er jedes Regiment einzeln. Anschließend hält er eine Ansprache, in der er das tapfere Verhalten der Division im Osten erwähnte. Mit einem Vorbeimarsch schließt die Parade ab.

Am 22.April rückt das Regiment dann in Stellung in den Raum um Ripont und löst hier badische Truppen ab. Der weitere Ausbau der Stellung, aber auch Ausbildung im rückwärtigen Raum werden nun die Hauptaufgabe der Truppe. Der kalkige Boden und das Ungeziefer macht den Männern schwer zu schaffen - man ist eben in der "Läuse-Champagne".

Der 15.Mai wird dann ein besonderer Tag, auch für Heinrich Mulch. Ein großes Stoßtruppunternehmen ist geplant, und auch die 10.Kompagnie soll daran teilnehmen, auch Flammenwerfer werden dabei eingesetzt. Es ist ein voller Erfolg für die Truppe, in der der Naunheimer kämpfte. Sie kann alleine 10 Gefangene einbringen, Verluste gab es keine.

Danach ist es zuerst wieder etwas ruhiger, nur die Artillerie schießt ständig. Lange währ dieser Zustand aber nicht, denn schon in den ersten Junitagen heißt es wieder, die Sachen zu packen und zum Verladen bereit zu sein. Am 7.Juni geht es dann nach Valenciennes. Hier, hinter der Front, liegt die Division nun als Reserve der Obersten Heeresleitung. Zwar freut man sich zuerst über die Ruhe, aber diese Bestimmung ließ auch baldige Blutopfer erwarten. Was würde wohl kommen?

So verstreichen die nächsten Tage. Ausbildung wird fleißig betrieben, und die Kommandeure besichtigen ihre Truppen. Aber gegen Ende des Monats beginnt ein Rauschen, das von der Front herüberdringt. Mehr und mehr steigert es sich zu einem Dröhnen. Den erfahrenen Männern ist klar: dort tobt eine gewaltige Artillerieschlacht!

Die Regimentsgeschichte schreibt hierzu:

"Ein so anhaltendes, gewaltiges Artilleriefeuer hatten wir noch nicht gehört. Es war doch undenkbar, das wir dort nicht gebraucht werden sollten. Eine ganze Woche ging das nun schon so."

Dann, am Abend des 1.Juli, wird die Division vorgeschoben. Nun brennt es, denn der feindliche Infanterieangriff ist erfolgt - die Sommeschlacht ist im vollen Gange!
Zur Entlastung der bedrohten Verdunfront hatten Engländer und Franzosen eine gewaltige Entlastungsoffensive gestartet. Die deutsche Front sollte durchbrochen werden, und alles, was nördlich lag, zum Meer hin aufgerollt werden. Es waren für die Deutschen wohl die kritischsten Tage, die der Krieg bisher gebracht hatte.


 
Das Somme-Schlachtfeld mit dem Todesort (+) von Heinrich Mulch

 
Am 2.Juli beziehen die Truppen Ortsunterkunft hinter der Front, das III.Bataillon in Malancourt. Dann aber wird plötzlich nach Nordwesten abgedreht, denn westlich von Peronne war eine bedrohliche Lage entstanden. So marschieren die Truppen nach Beaulencourt, wo sie abends eintrafen. Noch einmal ist ihnen Ruhe gegönnt, trotz des ohrenbetäubenden Lärms der nahen Schlacht.
Am nächsten Tag rückt man nach Flers vor. Das Regiment wird nun zerrissen, die Bataillone einzeln eingesetzt. Plötzlich ist allen klar: vorne herrscht höchste Not!

Das III.Bataillon, in welchem sich Heinrich Mulch mit seiner 10.Kompagnie befindet, bekommt zuerst den Auftrag, südwestlich Flers eine neue III.Stellung auszuheben. Kaum hat man am 4.Juli mit dieser Arbeit begonnen, als der Befehl eintrifft, alarmbereit in Flers zu bleiben. Abends kommt dann der Befehl, in Richtung Klein-Bazentin vorzurücken. So marschiert das Bataillon in eine Schlucht nordöstlich von Klein-Bazentin. Hier kommt es in einen heftigen Feuerüberfall der englischen Artillerie, der 1 Toten und 34 Verletzte kostet. In einer Kiesgrube am Friedhof gräbt sich das Bataillon dann ein und verbringt dort die Nacht.

Am nächsten Tage löst es bayerische Truppen in der II.Stellung ab. Die Gräben sind in einem denkbar schlechten Zustand, und wieder bringt der Tag Verluste - 8 Tote und 38 Verwundete beim III.Bataillon. Dazu kommt noch, daß das Wetter immer schlechter wird. Der Regen wird stärker und der Lehmboden klebt an den Stiefeln, so daß alle Bewegungen große Kraft kosten. Die Stellung hatt ihren linken Flügel bei Groß-Bazentin, den rechten am Wege Klein-Bazentin-Mametz.

Auch am 6.Juli treten wieder Verluste durch das verheerende Artilleriefeuer ein - 4 Tote, 28 Verwundete und 3 Vermißte sind zu beklagen. Und wieder kommen die Feldküchen nicht heran. Es istr ihnen unmöglich, bei diesem Hagel von Granaten vorzurücken. Und die ganze Nacht über rast das Artilleriefeuer weiter. Dennoch versuchen die Führer, Klarheit über die Gefechtssituation zu gewinnen.

In der Regimentsgeschichte lesen wir:

"Vom III.Bataillon vorgesandte Patrouillen hatten festgestellt, daß das Vorgelände bis zur Artillerieschlucht bis auf Patrouillen feindfrei war.
Am 7.Juli steigerte der Feind das Artilleriefeuer zu unerhörter Wucht, wovon hauptsächlich die 9. und 10.Kompagnie betroffen waren."

Wieder sind erhebliche Verluste zu beklagen, aber die Truppe hält aus. Am 8.Juli wird dann dem III.Bataillon ein MG-Zug zur Verstärkung unterstellt. Aber es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und Hunger und Durst werden nun fast unerträglich!

Unaufhörlich trommelt die schwere englische Artillerie auf die deutschen Gräben. Jegliche Verbindung nach hinten zu den Kameraden ist unterbunden.

Über diese Tage und Stunden schreibt die Regimentsgeschichte:

"Unter ununterbrochenem Artilleriefeuer verging beim II. und III. Bataillon die Nacht vom 9./10.Juli. Von allen, die dort jede Sekunde dem Tod in's Auge sehen mußten, in ohnmächtiger Wut über ihre Wehrlosigkeit der Tag und Nacht rasenden feindlichen Artillerie gegenüber, glaubte wohl niemand mehr, noch einmal aus dieser Schlacht nach Hause zu kommen."

So harren die Garde-Füsiliere übermüdet und ohne Verpflegung weiter in ihren verschlammten Gräben und Unterständen aus. 


 
Teil des durch das englische Trommel-
feuer zerstörten Grabens des III.Bataillons

 
Und doch steht allen noch Schwereres bevor - es geht um die Entscheidung. Am 10.Juli beginnt schließlich das entscheidende Ringen des Feindes um den Mametzer Wald, um die II.deutsche Stellung bei Klein- und Groß-Bazentin und um diese Dörfer.

Schwer wird das II.Bataillon an diesem Tag angegriffen, es ruft um Hilfe. Der Kommandeur des III.Batailons, Major v.Kriegsheim, schickte trotz des furchtbaren Artilleriefeuers einige Gruppen an die bedrohte Flanke, seine letzten Reserven zieht er dann nach vorne. Das Armee-Oberkommando schickt nochmals den Befehl, die Stellung unbedingt zu halten. Das Ziel der Abwehr sei die Verhinderung eines Durchbruchs. Deshalb habe auch der Mametzer Wald so große Bedeutung. Noch einmal schickt der Kommandeur Gruppen nach vorne, um Lücken in der Stellung zu schließen.

Diese vorgeschobenen Gruppen des III.Bataillons kämpfen einen aussichtslosen Kampf. Das erkennt auch Major v.Kriegsheim, und so befielt er ihnen am Abend des 10.Juli den Rückzug in die II.Stellung. In der Nacht vom 10./11.Juli kann er dann, weil alles planmäßig verläuft, sogar einige Gruppen als Reserven etwas zurückziehen. Schlimm ist jedoch, daß nur noch 2 MG feuerbereit sind, der Rest ist zerstört oder ihre Bedienungen sind gefallen.

In der Regimentsgeschichte lesen wir:

"Am Abend des 10.Juli war der größte Teil des Mametzer Waldes verloren. Nur etwa 1/4 im Nordteil wurde noch gehalten."

Dort liegen nur noch verstreut die Truppen der 3.Garde-Infanterie-Division und versuchen, den drohenden Durchbruch der Engländer zu verhindern. Diese konzentrieren am 11.Juli weiterhin schwerstes Artilleriefeuer auf die II.deutschen Stellung, in der das III.Bataillon des Lehr-Infanterie-Regiments immer noch aushält. 

Über diese Stunden schreibt die Regimentsgeschichte:

"Besonders stark hatte das III.Bataillon am 11. unter dem feindlichen Artilleriefeuer zu leiden. Bereits in der Nacht lag heftiges Feuer auf den Gräben. Am Morgen wurde es so stark, daß die Gräben eingeebnet wurden und schwere Verluste eintraten. Besonders die 9. und 10.Kompagnie waren davon betroffen. Mannschaften, Gewehre und Munition wurden in großer Zahl verschüttet."

Das war auch die Schicksalsstunde von Heinrich Mulch, der mit vielen seiner Kameraden der 10.Kompagnie in diesem Trommelfeuer gefallen ist. Als das Regiment am 14.Juli endlich abgelöst wird, können fast keine Toten geborgen werden. Daher finden wir später auch kein Grab von ihm, aber wir wissen, daß er noch heute unbekannt, aber nicht vergessen, in Frankreichs Erde ruht.


 
Der Nordteil des Mametzer Waldes (im Hintergrund) im Jahr 1999
- Blickrichtung von Bazentin le Grand aus - 
hier ging im Juli 1916 auch Heinrich Mulch mit der 10.Kompagnie vor

 
Mit 18 Offizieren und 903 Mann rückte das III.Bataillon damals in die Schlacht - nur 4 Offiziere und 107 Mann blieben übrig, getreu dem alten preußischen Wahlspruch: "Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht"!

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