Ersatzreservist Heinrich Lamm

* 21.4.1888
+ 13.4.1915

gestorben in einem Lazarett in Kassa (Ungarn)
an seiner in der 8.Kompagnie des
Infanterie-Regiments von Wittich
(3.Kurhessisches) Nr.83
bei den Kämpfen um Höhe 10 
an der Rawka (russisch Polen)
erhaltenen schweren Verwundung
 


 
Als am 2.August 1914 der 1.Weltkrieg ausbrach, da rückte auch Heinrich Lamm gemäß seiner damals gültigen Mobilmachungsbestimmung in's Feld aus. Sein Ziel war Kassel, und dort das 3.Kurhessische Infanterie-Regiment Nr.83. 

Da das Regiment sofort nach der Verkündigung der Mobilmachung nach Lüttich abtransportiert wurde, mußten die nun eintreffenden Ergänzungsmannschaften nach der Einkleidung und dem Empfang von Waffen und Gerät nachgeführt werden. 4 bis 5 Tage waren dafür vorgesehen.

Am 7.August abends schließlich verlassen die Transportzüge Kassel in Richtung Westen. Über Marburg - Gießen - Wetzlar - Troisdorf - Köln - Euskirchen - Gerolstein geht die Fahrt nach Westen. Als die Züge in Köln den Rhein überqueren, stimmte man überall begeistert die "Wacht am Rhein" an. 
Schließlich wird am 9.August das Regiment bei Lüttich erreicht. Die Festung war erobert und der Vormarsch durch Belgien begann. Das nächste Ziel war die Festung Namur.

Über diese Festung schreibt das Reichsarchiv: 

"Ebenso wie Lüttich war auch Namur zu einer neuzeitlichen Gürtelfestung ausgebaut, deren Forts durch Ausbau und Kampfstärke eine hohe Widerstandskraft besaßen." 

Am 22.August begann das Feuer der deutschen schweren Artillerie. Die 83er im Rahmen ihrer 22.Division lagen südlich der Maas, die Hauptkräfte der Angriffsgruppe nördlich. Einen Tag später begann das Vorrücken der Infanterie. Zwei Forts der Belgier ergaben sich schon am Nordflügel, bald erreichten die Truppen die ersten Zwischenstellungen, und am Abend hatten einige Regimenter sogar schon den Stadtrand besetzt. So waren auch die Regimenter der 22.Division vorgestürmt und hatten noch in später Stunde das Fort Maizeret genommen. Schließlich stand alles am 24. morgens zum Sturm bereit. 
Wieder lag der Schwerpunkt im Norden, und ein Fort nach dem anderen streckte die Waffen. Einige wenige hielten sich noch bis zum nächsten Tag, doch endlich war am 25.August ganz Namur von deutschen Truppen besetzt - fast 7000 Belgier und Franzosen waren gefangen genommen worden. 
So war es auch den Hessen, vergönnt, siegreich in die Stadt und Festung Namur einzurücken.

Doch damit war die Zeit an der Westfront schon fast vorbei. Am 31.August bereits wurde in Malmedy verladen, und der Bahntransport an die Ostfront begann. Über Köln - Wetzlar - Gießen - Kassel - Berlin - Schneidemühle - Bromberg und Thorn ging die Fahrt nach Biesellen. Hier wurde am 4.September früh morgens bei schauderhaftem Wetter ausgeladen und nach kurzem Marsch Ortsunterkunft bezogen. 


 
Die 8.Kompagnie während des Eisenbahntransports
von Belgien nach Ostpreußen

 
General v.Hindenburg hatte bei Tannenberg einen großen Sieg über die Russen erfochten. Aber noch war ganz Ostpreußen nicht befreit. Eine zweite Schlacht - später "Schlacht an den Masurischen Seen" genannt - stand bevor. Hierzu hatte die deutsche Führung Truppen der Westfront als Verstärkung vorgesehen. Daß diese später in der Marneschlacht fehlen könnten, hatte man nicht bedacht.

Am 5.September begann dann der Vormarsch über Allenstein hinaus in Richtung Osten, aber außer einigen russischen Kavalleriepatrouillen war zuerst kein Feind zu sehen. 
Dann aber häufen sich die Gefechte mit zurückweichender feindlicher Infanterie. Die nächsten Tage sind geprägt von einem ständigen Wechsel - marschieren und kämpfen. An die Truppe werden hohe Anforderungen gestellt. Erschütternd ist für die Männer immer wieder der Zustand der ostpreußischen Dörfer, die nach und nach befreit werden. Die Russen haben teilweise fürchterlich gehaust... 

Am 9. kommt es zu einem sehr ernsten Gefecht bei Assaunen und Berthawert. Die Russen lesiten zuerst heftigen Widerstand und eröffnen ein wildes Feuer. Es treten die ersten größeren Verluste ein, doch die Männer haben Glück: in der Nacht räumt der Russe seine Stellung, und sofort wird die Verfolgung aufgenommen. Auch am 11. finden wieder schwere Kämpfe mit den Nachhuten des Feindes statt. 

Immer erschöpfter wird die Truppe, und auch der Wettergott kennt keine Gnade - durchweg Regen. Die Männer kommen aus ihren nassen Sachen nicht mehr heraus, Krankheitsfälle mehren sich. Erschütternd ist der Einmarsch in dem deutschen Grenzstädtchen Gumbinnen: die jubelnde von den Russen befreite Bevölkerung begrüßt die 83er mit Blumen und Wein. Am 13. wird kurz hinter Eydtkuhnen die russische Grenze überschritten. Vom Feind ist kaum noch etwas zu sehen, er hat sich doch mit größeren Truppenteilen noch absetzen können. Dann, am 16., läßt General v.Hindenburg den Vormarsch stoppen, die Schlacht an den Masurischen Seen war beendet! Über 40 000 gefangene Russen, über 150 erbeutete Geschütze waren der Erfolg. Und nicht zuletzt: Ostpreußen war vom Feinde frei. 

Wenige Tage Ruhe nur ist der Truppe vergönnt. Am 23. wird in Königsberg verladen. Nach zweitägiger Fahrt erkennen die Männer, daß Krakau daß Ziel ist.
Es gilt nun, den stark bedrohten Bundesbrüdern aus Österreich-Ungarn zu helfen. General v.Hindenburg und sein Stabschef Ludendorf haben den Feldzug in Südpolen geplant - und die 83er sollen dabei mitwirken. 

Der Vormarsch beginnt in nördliche Richtung. In fürchterlichem Zustand sind Straßen und Quartiere! Anfang Oktober haben die Truppen den ersten Feindkontakt, aber noch handelt es sich um leichte Gefechte. Am 4.Oktober jedoch wird der Widerstand der Russen bei Opatow stärker.

Der Feind hatte sich auf den Höhen des Ortes eingegraben, ein nicht gerade leichter Angriff für die 83er. In mehreren Wellen wird angegriffen, erste Verluste treten ein. Doch als die Männer bis auf 500 m an die Stellung der Russen herangekommen sind, bemerken sie, wie diese kehrt machen und flüchten. Rasch geht es vorwärts, das Dorf wird besetzt und abgesucht. Fast 600 Gefangene kann das Regiment an diesem Tag melden, ein großer Erfolg. 
Doch schon nach wenigen Stunden wird gesammelt und der Vormarsch fortgesetzt. Schließlich ist man am 8. nur noch wenige Kilometer von der Weichsel entfernt. 

Aber die anstrengenden Märsche und Kämpfe hinterlassen ihre Spuren. Erschöpfung macht sich breit, und weiter mehren sich die Ausfälle durch Krankheit. Vor allem die Ruhr macht den Männern zu schaffen. Der desolate Zustand der Wege läßt auch die Fahrzeuge nicht in der üblichen Schnelligkeit folgen. Oftmals kommen die "Gulaschkanonen" zu spät oder gar nicht. Auch hat es in einzelnen Fällen schon Mangel an Munition gegeben. Und dennoch, der Drang nach vorwärts ist weiterhin ungebrochen. Allein der Name des Armee-Oberbefehlshabers "Hindenburg" hat schon in diesem frühen Stadium des Krieges einen anspornenden Klang. Auch rechnen viele damit, daß es an der Weichsel einige Tage Ruhe geben wird.

Tatsächlich wird der deutsche Vormarsch an der Weichsel dann auch eingestellt, daß Regiment sichert gegen feindliche Flußübergänge bei Tarlow, Hermanow und Sulejow. 

Am 12.September, als die 83er wieder zum Aufbruch rüsten, fällt im Nachbarregiment Nr.167 der Naunheimer Ludwig Schäfer bei einem Angriff, nur wenige Kilometer von der Stellung von Heinrich Lamm entfernt.

Für die 83er beginnt nun ein langer Marsch in nördliche Richtung. Hier toben noch harte Kämpfe, und das Regiment ist zur Verstärkung an diesem Frontteil vorgesehen. Am 15. wird es aus dem Marsch heraus in den Kampf bei Slowiki-Nowe geworfen. Hier sind die Russen nach starken Gegenangriffen dicht an die deutschen Stellungen herangekommen. Die ganze Nacht durch bis zum Morgengrauen greifen sie die erschöpften deutschen Truppen an. 

Die Regimentsgeschichte sachreibt über diese Nacht:

"Eine grauenvolle Nacht, die aber trotz der großen numerischen Unterlegenheit dank der moralischen Überlegenheit mit einem vollen Erfolg der deutschen Truppen überstanden wird."

Am nächsten Morgen wird festegstellt, daß der Russe seine Stellung geräumt und abgezogen ist. Nur starkes Artilleriefeuer liegt noch auf der deutschen Infanterie. 
In der Nacht zum 21. wird das Regiment abgelöst und sammelt sich weiter rückwärts. Nun endlich hat die Truppe einen Tag der Ruhe, auch treffen Post und Liebesgaben aus der Heimat ein.

Aber schon am 23. wird abmarschiert. Immer wieder werden allerdings Ruhetage eingelegt, damit die Truppe sich für den nächsten großen Angriff erholen kann. Schließlich wird mitte November Kolow erreicht. Die deutsche 9.Armee rüstet sich für einen weiteren Schlag gegen die Russen, der Feldzug in Nordpolen steht bevor.

Am 14.November beginnt der Angriff. Bei Smardzew stürmt das II.Bataillon, in dem sich Heinrich Lamm bei der 8.Kompagnie befindet, unterstützt durch deutsche Artillerie, eine stark besetzte russische Stellung. Anschließend finden erbitterte Kämpfe um das Dorf Drzewze statt. Trotz starker Verluste können die 83er auch hier die Oberhand behalten. Der Kompagnieführer von Heinrich Lamm, Leutnant Küthe, wird schwer verwundet.

Zwei Tage später wird das Regiment aus der vordersten Linie gezogen und bezieht Ortsunterkunft. Doch auch hier waren es nur Stunden der Ruhe. Die Kämpfe tobten weiter, aber schließlich war es den deutschen Truppen doch vergönnt, am 6.Dezember als Sieger in Lodz einzuziehen.

Doch noch gab es keine Ruhe, der Russe versuchte immer noch, durch Gegenangriffe das Verlorenen wiederzugewinnen. Schließlich aber, auch durch den straken Wintereinbruch bedingt, flachten die Kämpfe ab. Die 83er waren im Verlauf dieser Kämpfe bis an die Rawka gelangt und lagen nun bei Rawa in Stellung.


 
Der Divisionskommandeur Excellenz von Plüskow
besichtigt die Stellung der 83er auf Höhe 10

 
Hier ging es nun an den Ausbau der Gräben und Stollen. Auch das Weihnachtsfest und Sylvester wurde in dieser Stellung verbracht.
Am 24. brannten überall kleine Christbäume, und ein sternenklarer Himmel sorgte außerdem trotz des Krieges für festliche Stimmung.

Am 30. und 31. gab es nochmals heftige Kämpfe, da ein feindlicher Stützpunkt erkannt und erstürmt werden sollte. Zwar wurden 350 Gefangene eingebracht, aber auch die 83er hatten zum Jahresabschluß nochmals schlimme Verluste zu verzeichnen.

Im Januar und Februar des neuen Jahres blieb es bei wenigen Kampfhandlungen. Russen und Deutsche lagen sich in ihren Stellungen gegenüber, auf der Höhe 10, einem besonders kritischen Punkt, teilweise nur 10 m auseinander. 
Am 1.März besichtigt der Divisionskommandeur General v.Plüskow die Stellung. Dann, am 5., wird der Russe rege - ein Angriff scheint sich anzubahnen.


 
Die Stellung an der Rawka. Bei Rawa auf der 
Höhe 10 (+) wurde Heinrich Lamm tödlich verwundet.

 
Am 6. erkennen die Deutschen, daß die feindlichen Gräben stark mit Infanterie besetzt sind, auch das Artilleriefeuer wird stärker. In der Nacht vom 7. zum 8. März steigert sich um 3.30 Uhr das Feuer heftig, hauptsächlich gegen die Höhe 10, die von der 8.Kompagnie mit Heinrich Lamm gesichert wird. Um 4.30 Uhr beginnt der russische Infanterieangriff in dichten Schützenlinien. Teilweise bricht er vor den deutschen Gräben zusammen, aber auf der Höhe 10 dringt der Feind gegen 5.00 Uhr in die eigene Stellung ein. Ein erbitterter Nahkampf, auch mit Spaten und Handgranaten geführt, beginnt. Rettung bringt der 8.Kompagnie ein Trupp Pioniere, die mit ihrem Flammemwerfer Furcht und Entsetzen unter den Russen verbreiten. Am Morgen ist der Angriff endgültig abgeschlagen. 400 tote und verwundete Russen bedecken das Gefechtsfeld, aber auch die 83er haben Verluste: 20 Gefallene und 40 zum Teil schwer Verwundete.

Zu den Letzteren gehört auch Heinrich Lamm, der schwer verwundet von der Höhe 10 zum Verbandplatz gebracht wird. Von hier aus kommt er zuerst in ein Feldlazarett und schließlich in ein Lazarett in Kassa, einer Stadt im nahegelegenen nördlichen Ungarn. Doch auch hier können ihn die Ärzte nicht retten, am 13.April verstibt er an seinen schweren Verletzungen.


 
Die Todesanzeige von Heinrich Lamm im Wetzlarer Anzeiger vom 10.Mai 1915

 
Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde er auf dem Lazarettfriedhof in Kasse beigesetzt. Möglicherweise existiert sein Grab dort heute noch.

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