Hindenburg und Ludendorff

1. 
Einleitung

Einen Vergleich der Charaktere zweier großer Persönlichkeiten vorzunehmen, erscheint gerade dann, wenn sie so unterschiedlich sind, wie die von Hindenburg und Ludendorff, als eine Aufgabe von großer Herausforderung. Sie ist aber nicht völlig loszulösen von der Betrachtung der jeweiligen Lebensläufe, die nicht minder interessant sind. Der Weg beider führte sie während des Weltkrieges 1914-1918 über 4 Jahre an die Spitze großer militärischer Verbände, ja zum Schluß sogar in die entscheidenden Führungspositionen des deutschen Heeres. Vorher kannten sie sich nicht einmal persönlich. Und auch nach dem Kriege trennten sich ihre Weg wieder, und das Leben führte sie in ganz unterschiedliche Richtungen.

Wir wollen daher zuerst kurz den Werdegang der beiden vor ihrem Zusammentreffen darstellen. Natürlich ist ein Vergleich hier schwierig, da alleine der Altersunterschied von 18 Jahren bewirkt, daß sie in verschiedenen Epochen gelebt und dadurch auch unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Hindenburg wurde am 2.Oktober 1847 geboren, Ludendorff am 9.April 1865. So sind auch die wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben völlig verschiedener Natur.

Gemeinsam haben sie, daß sie im Alter von 12 Jahren beide in das Kadettenkorps eingetreten sind, Hindenburg in Wahlstatt in Schlesien, Ludendorff in Plön. Letzterer wechselte dann aber nach 2 Jahren in die Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde bei Berlin.
Beide schlossen diese Zeit erfolgreich ab, und Hindenburg trat 1866 als Secondelieutenant in das 3.Garderegiment zu Fuß ein, Ludendorff als Leutnant (die Dienstgradbezeichnung hatte sich inzwischen geändert) 1882 in das 8.Westfälische Infanterie-Regiment Nr.57 in Wesel am Niederrhein.
Nun beginnen die Lebensläufe voneinander abzuweichen. Hindenburg nahm als Zugführer am Krieg gegen Österreich 1866 teil, wurde in der Schlacht bei Königgrätz leicht verwundet, und bekam für die Eroberung feindlicher Batterien seinen ersten Orden, den "Roten Adlerorden 4.Klasse mit Schwertern". Diesen hat er übrigens, sein ganzes Leben lang, als den wichtigsten und für ihn am bedeutungsvollsten unter allen seinen Auszeichnungen gehalten.
Nach dem Kriege blieb er in seinem Regiment und stieg bis zum Jahre 1870 zum Adjutanten des I.Bataillons auf. In dieser Stellung nahm er am Kriege gegen Frankreich teil, kämpfte u.a. in der für die preußische Garde so verlustreichen Schlacht bei St.Privat mit, erlebte auf dem Schlachtfeld von Sedan den großen Sieg, und war schließlich mit seinem Regiment auch bei der Belagerung von  Paris dabei. Am 18.Januar 1871 durfte er als Abordnung seines Regiments mit den Fahnen an der Kaiserproklamation teilnehmen, ein für ihn entscheidendes und tiefe Eindrücke hinterlassendes Erlebnis. Zum Oberleutnant befördert und mit dem Eisernen Kreuz geschmückt kehrte er 1871 wieder nach Hause zurück, wo er noch etwa 2 Jahre im Regiment blieb. 1873 begann dann sein Besuch der Kriegsakademie.
Hindenburg war es also noch vergönnt, an den entscheidenden Vorgängen teilzunehmen, die dazu führten, daß aus einem zersplitterten Deutschland ein Deutsches Reich wurde.
 
 

Hindenburg als Oberleutnant 1871
nach dem Feldzug gegen Frankreich
Ludendorff als Leutnant 1889
im Seebataillon

Ludendorff blieb etwa 5 Jahre in Wesel bei seinem Regiment, in der Provinz, wie er es selbst bezeichnete. Im 1.Halbjahr 1887 wurde er zur Militärturnanstalt nach Berlin kommandiert, und im Juli dieses Jahres erfolgte seine Versetzung zum Seebataillon nach Wilhelmshaven. Dort blieb er bis 1890, um dann unter Beförderung zum Oberleutnant in das Leib-Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm III. (1.Brandenburgisches) Nr. 8 nach Frankfurt/Oder versetzt zu werden. Doch schon kurze Zeit später, im Oktober dieses Jahres begann auch sein Besuch der Kriegsakademie.

Bis hierher liest sich der Weg Ludendorff nicht so spannend wie der von Hindenburg. Es zeigt sich eben, daß die unterschiedlichen Epochen zu unterschiedlichen Entwicklungen führen können. Und dennoch, wenn auch ca. 17 Jahre auseinander, wir finden beide wieder auf der Kriegsakademie, wo sie für höhere Aufgaben geschult wurden. Sie verblieben jeweils 3 Jahre dort und schlossen die Teilnahme erfolgreich ab.

Nach einer kurzen Zeit, die Hindenburg nochmals im Regiment verbrachte, wurde er schließlich unter Beförderung zum Hauptmann im April 1878 in den Großen Generalstab versetzt. Dort blieb er bis zum Jahre 1881, um dann nach Steten als Generalstabsoffizier der 1.Infanterie-Division versetzt zu werden. 3 Jahre blieb er in dieser Stellung, um dann 1884 nach Fraustadt/Posen als Kompaniechef in das Infanterie-Regiment Nr.58 zu wechseln.

Auch Ludendorff ging nach dem Besuch der Kriegsakademie 1893 wieder in sein Regiment zurück. Im April 1894 kam auch er in den Großen Generalstab und im März 1895 wurde er zum Hauptmann befördert. 1896 schließlich kam dann sein Wechsel nach Magdeburg zum IV.Armeekorps als Generalstabsoffizier. Dort blieb er 2 Jahre, um schließlich 1898 nach Thron als Kompaniechef in das Infanterie-Regiment von der Marwitz (8.Pommersches) Nr. 61 versetzt zu werden.

Wieder finden wir einen Dienstposten, den beide bekleidet haben. Nun waren das allerdings auch Stationen, die für eine militärische Laufbahn in höhere Gefilde nicht ausgespart werden konnten. Nur ganz wenige große militärische Führer, der Generalfeldmarschall Graf von Molke sei hier als Beispiel genannt, konnten fast ihre ganze Militärzeit in den höheren Stäben verbringen.
Sowohl Hindenburg als auch Ludendorff haben ihre Zeit als Kompaniechef in ihren Büchern später immer mit als die wichtigste bezeichnet. Der Kontakt, den sie hier in verantwortungsvoller Stellung mit den einfachen Soldaten hatten, war bei beiden hoch angesiedelt.

1885 erfolgte für Hindenburg die Rückversetzung in den großen Generalstab nach Berlin und die Beförderung zum Major. 3 Jahre später wurde er 1.Generalstabsoffizier (Ia) des damals in Berlin liegenden III.Armeekorps. Diese Stellung hatte er nur 1 Jahr inne, und schon 1889 wechselte er in das preußische Kriegsministerium als Abteilungschef, wo er auch zum Oberstleutnant befördert wurde. Für Hindenburg nicht der Traum seiner beruflichen Vorstellungen, aber mit preußischer Pflichterfüllung machte er auch hier das Beste aus allem. So war es für ihn eine große Freude, als er im August 1893 unter gleichzeitiger Beförderung zum Oberst nach Oldenburg versetzt wurde, wo er Kommandeur des Oldenburgischen Infanterie-Regiments Nr.91 wurde.

Ludendorff blieb 2 Jahre Kompaniechef, dann wurde er schließlich im 1900 nach Glogau als Generalstabsoffizier zur 9.Infanterie-Division  versetzt. 1902 kam sein Wechsel nach Posen zum V.Armeekorps als 1.Generalstabsoffizier (Ia) und auch seine Beförderung zum Major. Nach weiteren 2 Jahren erfolgte dann die Rückversetzung nach Berlin zum Großen Generalstab, und zwar  in die 2. (Aufmarsch-) Abteilung. Dort blieb er auch formell in der Zeit von 1906 bis 1908, in der er hauptsächlich als Militärlehrer an der Kriegsakademie tätig war. Im April 1908 wurde er dann Abteilungschef der 2. (Aufmarsch-) Abteilung, gleichzeitig erfolgte seine Beförderung zum Oberstleutnant. 5 Jahre hatte Ludendorff diese Stelle inne, in der er sich als brillianter strategischer Kopf, aber auch für einige als unbequemer Querdenken entpuppte. So kam seine Versetzung 1913 nach Düsseldorf nicht unerwartet. Wieder am Rhein, wurde er dort unter Beförderung zum Oberst Kommandeur des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr.39.

Die Stellung eines Regiments-Kommandeurs ist wieder eine entscheidende. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß wir beide in dieser Position wiederfinden. Wie schon viele andere sprechen auch Hindenburg und Ludendorff von der schönsten Zeit in ihrem Militärleben, wenn sie von ihrer Zeit als Kommandeur eines Regiments erzählen. 

Hindenburg blieb 3 Jahre in Oldenburg, dann erfolgte seine Versetzung nach Coblenz/Rhein als Chef des Generalstabes des VIII.Armeekorps. Kurz darauf wurde er zum Generalmajor befördert. Diese Stellung hatte er 5 Jahre inne, dann ging er schließlich 1901 nach Karlsruhe als Kommandeur der 28. (Badischen) Infanterie-Division. In dieser Stellung wurde er Generalleutnant. Am 27.Januar 1903 erfolgte seine letzte Versetzung, und zwar nach Magdeburg, wo er als Kommandierender General das IV.Armeekorps übernahm. Es folgte daraufhin seine Beförderung zum General der Infanterie. 8 Jahre war es ihm vergönnt, diesem Posten auszufüllen. Schließlich wurde er am 31.Dezember des Jahres 1911 in den Ruhestand verabschiedet, und zwar unter gleichzeitiger Stellung "a la suite" des 3.Garderegiments zu Fuß.

Gute 3 Jahre konnte er die Friedenszeit als Pensionär genießen, dann brach der Krieg aus. Hindenburg hatte sich sofort, auch für ein niederes Kommando, zur Verfügung gestellt. Doch er wurde zuerst vertröstet. Mit leicht saurer Miene wartete er in Hannover, seinem Wohnsitz. Schließlich kam am 22.August 1914 die Anfrage aus dem großen Hauptquartier, ob er zur sofortigen Verwendung bereit sei. "Bin bereit", war die für ihn typische lakonische Antwort!
So fuhr er in der folgenden Nacht gegen 3.00 Uhr mit einem Sondezug von Hannover in Richtung Osten ab zur Übernahme des Oberbefehls über die 8.Armee in Ostpreußen. Auf dem Bahnhof traf er nun den Mann, mit dem er die nächsten 4 Jahre in engster Zusammenarbeit die Geschicke der deutschen Truppen lenken sollte - Ludendorff!

Dieser war nur knapp 18 Monate in Düsseldorf als Regiments-Kommandeur geblieben. Am 1.Mai 1914 erfolgte die Versetzung nach Straßburg im Elsaß als Kommandeur der 85.Infanterie-Brigade. Als wenige Wochen später der Krieg ausbrach, wurde Ludendorff, sehr zu seinem Ärger, Als Oberquartiermeister der 2.Armee verwandt. Er war in dieser Position mehr für Versorgungs- denn für taktische Aufgaben zuständig. Bei dem Handstreich auf Lüttich am 6.August war er quasi nur als Beobachter anwesend. Doch als der Brigadekommandeur Generalmajor v.Wussow gefallen war, und unter den Soldaten sich eine Krise breit zu machen schien, da setzte sich Ludendorff persönlich an die Spitze der Truppen, ordnete diese, und stürmte ohne Rücksicht auf seine eigene Person vorwärts, den Soldaten dadurch ein Beispiel gebend. Dies rettete die Situation, und der Kaiser dankte es ihm durch die Verleihung des Ordens "Pour le merite". Kurz danach wurde er in das Große Hauptquartier nach Coblenz/Rhein gerufen. Hier waren gerade die Hiobsbotschaften von der 8.Armee in Ostpreußen eingetroffen. Zum neuen Chef des Generalstabes dieser Armee ernannt, setzte er sich in den Sonderzug, um zuerst nach Hannover zu fahren. Hier sollte er den neuen Oberbefehlshaber, General der Infanterie v.Hindenburg, treffen, einen Mann, mit dem er nie zuvor zusammen gearbeitet hatte, ja noch nicht einmal persönlich kannte.

Am Bahnhof in Hannover, am 23.August um 3.00 Uhr nachts, gaben sich beide zum ersten Mal die Hand. Nach einem kurzen Gespräch, bei dem Ludendorff die Lage und die schon von Coblenz gegebenen Befehle erläuterte, die Hindenburg im übrigen alle billigte, begaben sich beide zu Bett. Daß in diesem Sonderzug in dieser Nacht der gewaltige Plan zur Vernichtung der russischen Armeen bei Tannenberg und an den masurischen Seen "ausgeheckt" wurde, gehört in das Reich der Legenden.


 
 
2. 
Die beiden Charaktere

Der französische Gelehrte und Naturforscher Graf von Buffon sagte einmal: "Der Stil sei der Mensch selbst"! Wenn wir nun unter diesem Gesichtspunkt auf den jeweiligen Charakter der beiden großen Persönlichkeiten eingehen wollen, so werden uns hierbei die Aufzeichnungen von ihnen eine wertvolle Hilfe sein. Sowohl Hindenburg als auch Ludendorff haben ihre Weltkriegserlebnisse niedergeschrieben. Doch ist hier nicht nur der eigentlich Vorgang, der geschildert wird, von Bedeutung, nein, es ist interessant zu lesen,  w i e  die Ereignisse und Personen dargestellt werden. Auch der Zweck, der durch die jeweilige Form zum Ausdruck gebracht werden soll, ist von Bedeutung.
Ein Vergleich anhand der beiden Bücher "Aus meinem Leben" von Hindenburg und "Meine Kriegserinnerungen" von Ludendorff soll uns also als Grundlage dienen.
 
 

Ludendorff (Mitte) und Hindenburg (vorne) 1914 
in Posen mit dem Stab des Armeeoberkommando 9

Nun wollen wir uns zuerst mit der Persönlichkeit Hindenburgs beschäftigen. Er ist Aristokrat, sein voller Name lautet "von Beneckendorff und von Hindenburg". Bis in das Jahr 1280 reicht die Linie der Beneckendorffs zurück.
Als durch und durch preußisch ist sein Bewußtsein zu bezeichnen. Sicher hat er die großen Ereignisse erlebt, die das Deutsche Reich schufen. Und auch darauf ist er stolz. Aber Preuße bleibt er in seinem Herzen, und mit Preußen verbindet er auch sein Dasein als Soldat für das Herrscherhaus. "Mit Gott für König und Vaterland", dieser Satz gilt für Hindenburg immer. Im April 1916 feierte Hindenburg in Kowno sein fünfzigjähriges Offiziersjubiläum. Zuerst richtete der Feldmarschall seinen Dank an Gott, dann an seinen Kaiser! Für diesen tritt er aber ansonsten ohne wenn und aber ein. Die angebliche Hartherzigkeit Kaiser Wilhelms II. versucht Hindenburg bei jeder Gelegenheit zu widerlegen. So als beide einem Trupp englischer Gefangenen begegnen, und der Kaiser die mit gesenktem Kopf dahinmarschierenden ansprach und ihnen Lob und Anerkennung für ihr tapferes Verhalten aussprach. Auf diese Geschichte weist er öfters hin.
Als sich Kaiser Wilhelm im Oktober 1918 nach Berlin begab, folgte ihm Hindenburg. Er wollte seinem Herrn in diesen schweren Tagen "nahe sein". Auch die Order, das Heer nach dem Waffenstillstand in die Heimat zu führen, führt er in treuer Pflichterfüllung aus. Und als später die Möglichkeit einer Auslieferung Kaiser Wilhelms bestand, da bot sich Hindenburg an, sich statt des Kaisers aburteilen zu lassen.

Hindenburg hält seiner ganzen Natur nach sehr auf Tradition, und die Geschichte ist für ihn immer präsent. 1917 auf dem Chemin de Dames erinnert er an die Zeiten von Craonne und Laon während der Befreiungskriege 1814. Korpsgeist ist für ihn absolute Voraussetzung, um als Offizier im preußischen Heer dienen zu können. Die Worte "der alte Geist" wird er noch in späten Jahren immer wieder gebrauchen.
Preußische Tugenden, wie man sie landläufig bezeichnet, nennt er sein eigen. In seinen Augen ist Ordnung eine Bedingung des nationalen Daseins. Und Ordnung kann  nur herrschen, wo sich jeder einzelne freiwillig einem Willen, dem herrschenden , unterordnet. Hindenburg schätze weiterhin Willenskraft, Charakterfestigkeit, Kaltblütigkeit, Tatenfreude, Entschlußkraft und nicht zuletzt Verantwortungsgefühl. 
Eine seiner großen Stärken ist eine seltene Gemütsruhe. Diese strahlt oftmals auf seine Umgebung ab. Wahrend der vielen Krisen, in denen er an verantwortlicher Stelle stand, hat er sie nie verloren. Er begegnet ihnen in unerschütterlicher Ruhe und Gelassenheit, ohne den jeweiligen Ernst der Lage zu unterschätzen.
Seine Verantwortungsfreude zeigt sich in einer Maßnahme, die oft unterschätzt wird. 1917 faßt er den Entschluß, zur Verkürzung der Front in eine rückwärtige Stellung zu gehen. Ein Rückzug !!!
Sicher, aber ein taktisch begründeter. Und Hindenburg scheut sich nicht, ihn durchzusetzen, weil er ihn für militärisch geboten hielt.

Seine einzige Freizeitbeschäftigung war die Jagd. Hierin konnte er ganz aufgehen. Mit großer Freude und Dankbarkeit nahm er immer wieder Einladungen zu Jagdveranstaltungen an. Bis in sein hohes Alter blieb er dem Weidwerk treu.
Auch ist er ein Familienmensch, hier schöpft er Kraft. Er ist glücklich verheiratet und nennt Kinder und Enkel sein eigen. Wann immer es ihm möglich ist, widmet er ihnen einen Teil seiner ohnehin spärlichen freien Zeit.

Mit Politik hat sich Hindenburg nie gerne abgegeben. Vielleicht hielt er sich für ungeeignet. Seine spätere Reichspräsidentschaft steht dazu nicht im Widerspruch; hier siegte die Pflicht über die Neigung. Seiner Meinung nach kam das Unheil oftmals von den Politikern her, die sich nach seinen Worten "um den Platz an der Futterkrippe in den Haaren lagen". Allerdings geht seine Abneigung gegen Politik nicht so weit, daß er, wenn er dadurch seine militärischen Pläne durchsetzten konnte, nicht auch im Stande war, Politik zu betreiben. Bei den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk sah er, wie die Politiker die Zeit vertrödelten, die er brauchte, um Truppen von dort an die Westfront zu bekommen. So ließ auch er durchaus Druck ausüben durch den dortigen Verhandlungsführer Generalmajor Hoffmann. 

Trug man Hindenburg Bedenken gegen die eine oder andere Entscheidung vor, und ließ er sich nicht durch Fakten und Argumente überzeugen, so hörte man von ihm oft das Wort "Vertrauen"! Dieses Vertrauen brachte er seinen Truppen entgegen. So wie er ihnen vertraute, so vertrauten sie aber auch ihm! Wohl kein anderer Heerführer wäre in der Lage gewesen, daß auseinanderfallende Heer 1918 noch geschlossen in die Heimat zu führen. Fast in jeder Regimentsgeschichte liest man, daß die Truppen aufatmeten, als sie hörten, Hindenburg stehe trotz der politischen Wirren weiter an der Spitze des Heeres. Seinen Nimbus, den er immer zum Wohle der Truppen eingesetzt hat, war in dieser Zeit sein größter Trumpf. Und daß er ihn eingesetzt und damit die Ordnung aufrecht erhalten hat, daß ist ihm nicht hoch genug anzurechnen.

Hindenburg hatte einen aufrichtigen Charakter. In seiner edlen Art zollte er auch dem Gegner Lob und Anerkennung. Niemals hat er durch gehässige Äußerungen versucht, andere in ein falsches Licht zu setzen. In seinem Buch "Aus meinem Leben" kommt immer wieder das Wort "wir" vor. Er ist stets bereit, den Erfolg zu teilen. Seine Person stellt er nicht in den Vordergrund. Oftmals versucht er, Schwächen der anderen zu entschuldigen. Gerade bei seinen Passagen über den Verbündeten Österreich-Ungarn tritt dies deutlich zu Tage. Die wenigen Erfolgserlebnisse des Nachbarn hebt er hervor, wo immer es nur geht. Auch gegenüber Bulgarien und der Türkei findet er nur lobende Worte.

Einzelnen Persönlichkeiten gegenüber findet er schonende Worte, niemals höhnt er. In seinem Buch  übt er stets Nachsicht. Bei jeder Kritik, die er anbringt, legt er anschließend ein Pflaster auf die Wunde.

Ludendorff wird von ihm immer mit äußerst ehrenden Worten geschildert. Auch wenn es nach Außen hin manchmal so aussah, in den Schatten gedrängt hat er sich nie gefühlt und war es auch nicht. Immer tritt er für den Mitstreiter ein. Die Verdienste seines Kameraden werden durchaus gerühmt, er spricht in seinem Buch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Ludendorff von "einer glücklichen Ehe". 
In seinem Werk "Aus meinem Leben" spricht er nur seine leitenden Gedanken aus, weder finden wir große Rechtfertigungsreden, noch hebt er seine Entscheidungen in den Himmel. Sicher rühmt er seine Siege, aber nie, ohne im nächsten Satz den entscheidenden Anteil dem einfachen Soldaten zuzuschreiben.

Daß Hindenburg auch Humor hatte, soll zum Abschluß eine kleine Geschichte beweisen, die er in seinem Buche niedergeschrieben hat. Im März 1918 war ein günstiger Heeresbericht in die Heimat abzusenden. Es war ein Samstag. Hindenburg bat den Kaiser, es so einrichten zu dürfen, daß der Bericht erst am Sonntag in Berlin einträfe. Auf die erstaunte Frage des Kaisers nach dem "warum" antwortete Hindenburg, daß dann die Kinder am Montag schulfrei haben würden. Wenn die Nachricht aber schon am Samstag ankäme, würde er wieder hunderte von Briefen bekommen, mit folgendem lustigen Inhalt: "Lieber Onkel Hindenburg! Warum lieferst du denn Schlachten an einem dummen Samstag? Tu es doch am Sonntag, damit wir montags schulfrei haben!"
 

Kommen wir nun zu der Betrachtung von Ludendorff. Das Besondere an seiner Persönlichkeit ist eine stark ausgeprägte Dominanz. Sie bestimmt in weiten Teilen sein ganzen Verhalten, beeinflußt sein Tun und Lassen.
Dies führt dazu, daß er als Feldherr voller Energie ist, sehr klug beobachten und sein talentvolles strategisches Denken entsprechend umsetzen kann. Vor allem seine Operationspläne im Osten sind geprägt vom Gedankengut Schlieffens, einer frontalen Bindung des Feindes bei gleichzeitiger weit ausholender Umfassung mit einem Angriff gegen eine schwache Stelle des Feindes. Der weite Raum hat im Bewegungskrieg dies natürlich begünstigt. Die eigentlich unglückliche zentrale Lage des Deutschen Reiches nützt er unter den gegebenen Umständen beeindruckend aus, indem er auf der sogenannten "Inneren Linie" geschickt operierte. Den Schwerpunkt verlegt er bald nach Westen, bald nach Osten, er findet Truppen für den Feldzug gegen Rumänien 1916 und den Angriff gegen Italien 1917. Permanent rollten die Truppenzüge durch Deutschland.
Er war es auch, der als erster nicht nur eigesehen, sondern auch umgesetzt hat, daß das Festhalten an einzelnen Gräben nur unnötige Menschenverluste kostete. Auch der neuartige Begriff der "Eingreifdivision" stammt von ihm. Sie sollten den durchgebrochenen oder sich schon stark geschwächten Gegner überraschend angreifen und mindestens in seine alte Ausgangsstellung zurückwerfen.
Bei den Angriffen im Jahre 1918 hat er sich schwerer getan. Das wellenartige Vorbrechen führte schließlich dazu, daß der Gegner, nachdem er das Verfahren erkannt hatte, im Juli 1918 bei Reims geschickt auswich, und der Stoßt der deutschen Truppen somit ins Leere lief.
So können wir durchaus behaupten, ohne ein Fazit vorweg zu nehmen, daß im Bereich der Wahl der Mittel und der Verfahrensweisen Ludendorff die Urheberschaft zuzuschreiben ist.

Seine Arbeitskraft scheint unermeßlich, er plant und kontrolliert alles. Hindenburg sagt in seinem Buche, sie wäre "titanisch", und an anderer Stelle spricht er von einer "eisernen" Arbeitskraft. 1915 übernimmt er  in den besetzten östlichen Gebieten die gesamte wirtschaftliche Organisation zusätzlich. 

Für den Generalfeldmarschall findet auch Ludendorff in seinem Buch "Meine Kriegserinnerungen" anerkennende Worte, allerdings faßt er sie kurz und knapp ab. Seinen Untergebenen hat er die Treue in der Form gehalten, daß er viele seiner alten Kameraden aus dem Osten mit in die OHL nahm, oder er brachte sie auf wichtigen Generalstabsoffiziersposten unter. Sicher bestand der Vorteil darin, verläßliche Mitarbeiter um sich zu haben. Aber in weiten Bereichen führte dies auch zu der sogenannten "Generalstabswirtschaft". Viele Oberbefehlshaber beklagten immer wieder, daß, von Ludendorff ausgehend, die Entscheidungen mit den Chefs der Generalstäbe abgesprochen wurden, und die Führer der Heeresgruppen und Armeen nur noch in Kenntnis gesetzt wurden. Der Generalfeldmarschall Kronprinz Rupprecht von Bayern hat diese Zustände in seinem Werk "Mein Kriegstagebuch" mit der ihm eignen vornehmen und sensiblen Art treffend dargestellt.

Allerdings ist Ludendorff auch hochmütig. Schon nach den ersten Seiten seines Buches merken wir, daß er sich selbst, immer in der "Ich-Form" schreibend, ein rühmliches Denkmal setzten will. In weiten Bereichen ist es eine Mischung aus Verherrlichung seines Tuns und seiner Person, aber auch zu seiner Verteidigung und Rechtfertigung ist es aufgebaut. Nur wenige Worte widmet er seinem Kameraden Hindenburg, den Kaiser vergißt er fast ganz. Immer stärker treten diese Eigenschaften zu Tage, den Krieg führte er zum Schluß wohl ganz alleine, und hätte man in allen Lagen auf seinen Rat gehört, so wäre das Vaterland gerettet worden. Sicher trug er große Verantwortung, aber so alleine, wie er es darstellt, stand er schließlich nicht. Immer spricht er von "seinen" Operationen, und unabhängig vom Anteil des jeweiligen ist es doch wohltuender, das "wir" bei Hindenburg zu lesen. Ludendorff steht alleine gegen einen Wall von Feinden. Er "lebt" für die Sache. Niemals hat ein Mensch ein schweres Amt auf sich genommen. Dadurch kam es auch, daß er nach seinen eignen Worten "freudlos" geworden war. 

Aber Ludendorff ist nicht nur stolz auf seine Person, er ist es auch auf sein Vaterland. Dies ist durchaus positiv zu betrachten, wenn auch sein Glaube ihn in einigen Bereich, wie z.B. bei den Kriegszielen, die er aufstellte, wohl über das Machbare hinaus getragen hat.

Das Urteil über die Verbündeten Deutschlands fällt vernichtend aus. Von einem "halb verwesten Körper" spricht er in Bezug auf Österreich-Ungarn, Zar Ferdinand von Bulgarien stand an der Spitze eines "faulen" Regierungssystems und die bulgarische Armee hat 1918 einfach "Verrat begangen". Auch der Türkei gegenüber spart er nicht mit Vorwürfen.

Sein eigenes Volk nimmt er sehr kritisch unter die Lupe. Durchaus berechtigt sind die Bemerkungen über eine teilweise im Jahre 1914 um sich greifende Sorglosigkeit in der Heimat. Schuld hatte aber an allem natürlich der viel zu lasche Reichstag, außerdem ein Reichskanzler (Bethmann-Hollweg), der nur durch seine "Schlappheit" glänzte. Sicher ist die ein oder andere Kritik berechtigt, die Rund-um-Schläge, die Ludendorff hier verteilt, treffen aber alle, den Richtigen jedoch nie voll. Überhaupt fühlt er sich zum Politiktreiben hingezogen. Es gibt Kreise, die ihn durchaus gerne als Reichskanzler sehen würden. Er lehnt ab, denn seine Bedingung, g l e i c h z e i t i g  die militärischen Zügel mit in der Hand zu halten, ist absolut unerfüllbar. In seinem Buch fällt auch schon das Wort "Diktatur". 

Ludendorff ist Traditionalist und auf seine eigene Weise königstreu. Für ihn steht allerdings nicht die Person des Herrschers im Vordergrund, sonder das Haus Hohenzollern mit allem, was unter ihnen geschaffen wurde. Dabei sind es die "Macher", die er verehrt. Bismarck ist hier an erster Stelle zu nennen, auch die großen Feldherren der Geschichte werden gebührend genannt.

Man muß anerkennen, daß er aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Er spricht die Dinge so aus, wie er sie tatsächlich denkt, ohne Rücksicht auf sich und andere. Das Heer hat für ihn seine Schuldigkeit getan, die Heimat aber hat versagt. Hier liegen die Ursachen der Revolution. Mit der Psyche der Menschen kann er nur schwer umgehen. Bei allen setzt er die Beweggründe voraus, die ihn selbst leiten. Dieser Eifer macht ihn blind und unberührbar gegen alles, was anders denkt, fühlt oder handelt. Als Ideale läßt er nur die eigenen gelten.

Es gibt nur wenige Momente, in denen er nicht nach diesen Grundsätzen handelte. Besonders in jener Phase des Jahres 1918, als sich herausstellte, daß der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, fällt dies auf. Wir sprechen von den Tagen nach dem 8.August, dem "schwarzen Tag des deutschen Heeres, wie Ludendorff ihn nennt. Vorher waren die Dinge klar, seine Führernatur zeigte den Weg. Hier sehen wir zum ersten Mal, daß sein überlegenes "Ich" Risse bekommt, indem wir Widersprüche in seinem Denken und Handeln finden. Zuerst ein dringender Appell an die Politiker, den Frieden herbei zu führen, oder um es mit seinen Worten zu sagen, "der Krieg ist zu beenden". Dann aber, einige Zeit später, empfiehlt er die Weiterführung des Kampfes und stellt dies als möglich in Aussicht.  Das ist eigentlich nicht der Mann der Tat, so wie er sich selber gerne hinstellt.

Über sein Privatleben spricht Ludendorff so gut wie gar nicht. Er hat keine leiblichen Kinder, die Söhne, von denen in seinen Büchern die Sprache ist, brachte seine Frau mit in die Ehe. Diese war, aus nicht bekannten Gründen, später drogenkrank geworden; es folgte 1925 die Scheidung. Interessen, die über die politische und militärische Geschichte hinausgehen, nennt er nicht. Freie Zeit glaubt er nicht zu haben, sein Arbeitseifer ist permanent. So darf es uns also nicht verwundern, daß sich nach seiner Entbindung von dem Amt des Ersten Generalquartiermeisters am 26.Oktober 1918 die Wege von ihm und Hindenburg wieder trennten und in ganz unterschiedliche Bahnen liefen.
 
 

Hindenburg (vorne links) und Ludendorff (vorne rechts) 1917
in Bad Kreuznach mit der Operationsabteilung der OHL

Bevor wir ein abschließendes Fazit ziehen wollen, ist es doch interessant, anzusehen, wie sich nun das Leben dieser beiden großen Persönlichkeiten, die doch zusammen ein entscheidendes Stück deutsche Geschichte geschrieben haben, nach dem für Deutschland unglücklichen Ausgang des Krieges entwickelt hat. 


 
 
3. 
Die Weg in der Nachkriegszeit

Hindenburg blieb an der Spitze des deutschen Heeres, so wie es der Kaiser noch angeordnet hatte. Zuerst in Wilhelmshöhe, dann in Kolberg, nahm die OHL Quartier. Bis in den Frühsommer dauerten die letzen Grenzgefechte im Osten. Am 2.Mai 1919 erbat er schließlich - zum zweiten Mal in seinem Leben - den Rücktritt vom Kommando. Der Reichspräsident Ebert bestand auf einen formellen Antrag. Am 3.Juli endlich verläßt der Generalfeldmarschall mit dem Zug Kolberg, seine Frau erwartet ihn in Hannover. Der nun fast 72jährige Hindenburg glaubt, seine Pflicht für Deutschland erfüllt zu haben. Doch sein Vaterland ließ ihn nicht lange ruhen!

Lange währte das Familienglück nicht, denn am 21.Mai 1921 starb seine geliebte Gattin. In einem Ehrengrab, daß der Magistrat der Stadt Hannover Hindenburg schenkte, wurde sie unter großer Trauer aller gesellschaftlichen Kreise beigesetzt.

Hindenburg versuchte nun, soweit es ihm bei seiner Popularität möglich war, zugezogen zu leben. Von der Politik hielt er sich fern. Sein Auftritte vor dem Untersuchungsausschuß des Reichstages mit Ludendorff zusammen düpierte alle diejenigen, die es nachträglich besser wissen wollten. Überhaupt versuchte er, die Freundschaft mit Ludendorff aufrecht zu erhalten. Von dessen Seite jedoch waren immer wieder Schwierigkeiten zu erwarten. Wir kommen später darauf zurück. 

Am 28.Februar 1925 starb der erste Reichspräsident Ebert. Bei den folgenden Wahlen konnte keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang eine ausreichende Mehrheit erzielen. Man bedrängte Hindenburg aus dem Lager der Konservativen, gegen den Sozialdemokraten Marx zu kandidieren. Hindenburg war zuerst nicht bereit. Aber ausgerechnet der alte Großadmiral von Tirpitz sowie der Großgrundbesitzer Walter von Keudell waren in der Lage, ihn umzustimmen. Geschickt appellierte Tirpitz an das Pflichtgefühl des Generalfeldmarschalls gegenüber dem Vaterland. So kam es doch noch dazu, daß Hindenburg antrat. Im Wahlkampf hielt er sich stark zurück. Und dennoch, im Ausland war man gar nicht begeistert. Das amerikanische Blatt "New York Evening" schrieb am 6.April 1925: "... die Nachbarn Deutschlands würden sie (die Aufstellung) vorwärts zur Wiederherstellung der Monarchie auffassen..."! Und unmittelbar nach der Wahl, die er knapp gewonnen hatte, schrieb die französische Zeitung "Le Temps": "... die Wahl des Marschalls von Hindenburg ist eine Herausforderung an die Alliierten..."! Auch in England schlugen die Wellen hoch. Lediglich die "Times" äußerte sich etwas ruhiger und schrieb: "Die Wahl des Marschalls Hindenburg zum Präsidenten der deutschen Republik hat unvermeidlich die europäische Meinung in eine gewisse Verwirrung gesetzt." Und etwas weiter:"... die Wahl wird wahrscheinlich nicht einen plötzlichen Wechsel in der internationalen Politik einführen..."!

Wie immer auch das Ausland und einige Kreise im Inland dachten, in einem Punkt hatten sie alle geirrt. Wer glaubte, mit Hindenburg das System verändern zu können, der hatte sich getäuscht. Wie in seinem ganzen bisherigen Leben erfüllte er seine Pflicht. Und die war letztlich in der Verfassung festgeschrieben. Und der neue Reichspräsident hielt sich an diese. Auch das war ein Teil seiner Pflichtauffassung. Nach dem Prinzip, "ü b e r  den Parteien ein Präsident für  a l l e  Deutschen" zu sein, so faßte er seine Arbeit auf. Und genau so verstanden es schließlich auch die meisten, und so hatte die Mehrheit des Volkes es auch gewollt. Wenn das Wort von dem "Ersatzkaiser" fällt, so muß man verstehen, daß bei großen Teilen der Bevölkerung nach dem Sturz der Monarchie ein Vakuum entstanden war. Nur eine Person von der Ausstrahlung Hindenburgs war in der Lage, dieses Vakuum zu füllen. Und es gelang ihm in den meisten Fällen. Das Deutsche Volk hatte endlich einen Mann an seiner Spitze, zu dem es aufblicken konnte. Man war dankbar und hatte seine großen Taten im Weltkrieg nicht vergessen.
 
 

Der Reichpräsident Paul von Hindenburg 1929

Im Jahre 1929 standen Wiederwahlen an. Hindenburg hatte eigentlich keine persönlichen Gegner, sein Ansehen in der Welt war groß, nachdem auch das Ausland begriffen hatte, was er für das Deutsche Volk bedeutete, und was es für den Generalfeldmarschall hieß, seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit zu tun. Nur die Politik und der Stil, mit dem sie betrieben wurde, hatte sich geändert. Nun waren es die Parteien der Weimarer Republik, die Hindenburg aufforderten, gegen die mehr und mehr erstarkende rechte Front anzutreten. Nach langem Zögern trat Hindenburg gegen Hitler an. Im ersten Wahlgang verfehlte er nur knapp die absolute Mehrheit, im zweiten siegte er schließlich. Aber Hitler hatte Stimmenzuwachs zu verbuchen. Die "neue Zeit" warf schon ihre Schatten voraus!

Aber trotz allem, sein Alter beschränkte seine Handlungen mehr und mehr. Immer öfter mußte er seiner engsten Umgebung vertrauen. Und diese versuchte, diese Schwäche von ihm auszunutzen. Auch nahmen die innenpolitischen Probleme, die Kämpfe zwischen Rechts- und Linksextremisten ständig zu. Gegen eine Kanzlerschaft Hitlers hat er sich lange widersetzt. Aber die Alternativen und ein Reichstag, der permanent Gefahr lief, aufgelöst zu werden, machten die Dinge für ihn immer schwieriger. Pappen und Schleicher scheiterten. So blieb ihm zu Schluß doch keine andere Wahl. Er befürchtete, daß Schleicher einen Putschversuch unternehmen würde, und den dann drohenden Ausbruch eines Bürgerkrieges wollte er um jeden Preis vermeiden. So kam es doch noch, daß am 30.Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. 

Lange dauerte Hindenburg Amtszeit nicht mehr. Schon im nächsten Jahr verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Und am 2.August 1934 schloß der 86jährige Reichspräsident für immer die Augen. Seine letzten Worte sollen "seinem Kaiser" und "seinem Vaterland" gegolten haben.
 
 

Das Tannenberg-Denkmal in Ostpreußen
Die Särge des Generalfeldmarschalls und seiner Gattin

Das neue Regime nutzte die Beisetzung Hindenburg und seiner Gattin in dem monumentalen Ehrenmal von Tannenberg zu einer Propagandashow ersten Ranges. An der Stelle, wo er seinen größten Triumph feierte, fand er seine Ruhestätte. Doch es war ihm nicht vergönnt, hier den ewigen Schlaf zu schlafen. 10 Jahre später, im Januar 1945, stand die rote Armee vor Tannenberg. Deutsche Pioniere sprengten im letzten Moment das Ehrenmal, die Särge Hindenburg und seiner Frau konnten noch in Sicherheit gebracht werden. Über Königsberg und Berlin kamen sie schließlich in einem Bergwerk in Thüringen an. Es waren dann die Amerikaner, die schließlich die Überführung der sterblichen Überreste in die Elisabethkirche nach Marburg veranlaßten.

So ruht, ohne daß es die meisten Menschen wissen, in einer beschaulichen Stadt an der Ahn ein großer Deutscher und vielleicht ... der letzte Preuße!
 

Ludendorff Weg entwickelte sich in anderen Bahnen. Nach seiner Entlassung kehrte er nach Berlin zurück. Doch schon bald nach Kriegsende verließ er wegen der Unruhen im Zusammenhang mit der Revolution Deutschland und ging nach Schweden zu Freunden. Hier fing er an zu schreiben. Zuerst "Meine Kriegserinnerungen". Später, nach Deutschland zurückgekehrt, folgten "Urkunden der obersten Heeresleitung" und "Kriegführung und Politik". Schon in diesen ersten Werken erkennt man seine oben geschilderten Eigenschaften und Charakterzüge. Alle folgenden Werke, und es sind so viele, daß man eine eigene Abhandlung darüber schreiben könnte, sind im gleichen ichbezogenen Stil geschrieben. Wir greifen der Zeit etwas voraus und nennen nur noch 2 Werke von ihm. In "Mein militärischer Werdegang" schreibt er über seine Jugend und Militärzeit bis zum Kriegsausbruch, "Meine Lebenserinnerungen" schildern die Zeit von 1919 bis zu seinem Tode in 3 Bänden. Der letzte ist erst nach dem 2.Weltkrieg von seiner zweiten Frau herausgegeben worden.

Recht interessant ist der Untertitel seiner "Lebenserinnerungen". Er lautet "Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung"! Hier spiegelt sich schon die Richtung, in die sein Wirken läuft. Seine Anfangszeit nennt er "auf nationalen Wegen", ab 1921 bis 1923 wandelt sich seine Geisteshaltung vom "Nationalen" zum "Völkischen". Diese Begriffe sind bei Ludendorff durchaus wörtlich zu nehmen. Bis zum gemeinsamen - kläglich gescheiterten - Putschversuch mit Hitler 1923 steht der nationale Gedanke im ureigensten Sinne im Vordergrund. Dann wendet er sich von Hitler ab, er durchschaut ihn schon jetzt. Zwar gibt es immer noch einzelne Übereinstimmungen, aber Ludendorff sieht aus seiner Sicht weiter. Die Entwicklung zu völkischen, zu ur-deutschen, aus den frühestens Anfängen der Rasse stammenden Eigenschaften will er das Volk vorantreiben. Er will nicht zurück in die Steinzeit. Er will das nationale Denken und Handeln überwinden durch Rückbesinnung auf die eigentlichen Tugenden des deutschen Volkes. Worte und Begriffe ändern sich bei ihm. Er gebraucht alte Monatsbezeichnungen, schreibt z.B. "im Hartung". Eine Familie kennt er nicht, dafür gibt es die "Sippe". 
So geht er seinen eigenen Weg. Doch bei allem, was er macht, bleibt er der Mittelpunkt. Über eine Stelle in Hindenburgs Buch, in der der Generalfeldmarschall Sorgen und Zweifel während der Schlacht von Tannenberg ausspricht, regt er sich maßlos auf. Ohne nähernen Grund bezieht er die Stelle auf sich und wirft Hindenburg vor, dieser hätte geschrieben, daß er, Ludendorff, in der Schlacht Momente des Zögerns gehabt hätte. Wahrlich eine weit hergeholte Konstruktion. Aber er greift den Generalfeldmarschall durch Briefe und Veröffentlichungen in seinem Verlag, den er mittlerweile in München hat, permanent an. Und dennoch, Hindenburg bemüht sich weiter um die Freundschaft.
Durch sein Wesen verliert er mehr und mehr alte Kriegskameraden. Er ist auch hart, wer nicht für ihn ist, der ist gegen ihn. Seine Schar der Getreuen wird größer, aber insgesamt übertreibt er die Bedeutung in seinen Schriften.

Im Jahre 1926 findet ein Ereignis von besonderer Bedeutung statt. Nach seiner Scheidung von seiner ersten, drogenkranken Frau, heiratet er Mathilde v.Kemnitz, eine "Religionsphilosophin", wie er sie bezeichnet. Gemeinsam verstärken sie nun den Kampf gegen die "überstaatlichen Mächte". Hierzu zählen vor allem Freimaurer, aber auch die großen Weltreligionen, besonders die katholische Kirche und das Judentum, aber auch marxisten. Schriften auf Schriften folgen. Eine Serie "Am heiligen Quell deutscher Kraft" wird aufgelegt. Die von ihm gegründete Bewegung "Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff)" und der "Tannenberg-Bund" werden neben dem Schrifttum das Werkzeug, mit dem die beiden ihre Gedanken der breiten Öffentlichkeit präsentieren. Sie reisen durch Deutschland, halten Reden und lesen aus ihren Büchern vor. 
 
 
 

Erich Ludendorff, der Führer der Bewegung 
"Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff)" 1937

Dabei muß eines klar herausgestellt werden: Die Ludendorffs wollen   k e i n e  Vernichtung der Andersdenkenden im physischen Sinne, so, wie es die Nationalsozialisten getan haben. Eine Bereinigung des Volkes ist zwar das Ziel, aber nicht mit Gewalt. Die Aufklärung und die damit einhergehende Offenlegung der Geheimnisse um Freimaurer und Priestertum der verschiedenen Richtungen ist das Mittel, um den "Gegner" zu "vernichten", wie sie immer wieder betonen. So konstruieren sie Vergleiche aus der Geschichte, und nichts und niemand ist ihnen heilig. Auch gegen Okkultismus wenden sie sich. Was von ihnen jedoch alles "aufgedeckt" wird, ist teilweise schon haarsträubend. Letztlich ist die gesamte Geschichte, nach ihrer Ansicht, durch die überstaatlichen Mächte gesteuert. Diese sorgen dafür, daß die artreinen Völker sich durch Kriege gegenseitig so weit schwächen, damit dann die durch Priestertum oder Freimaurer geführten überstattlichen Mächte uneingeschränkte die Oberherrschaft erringen können.

Um sich dieser drohenden Gefahr zu entziehen, gibt es nur ein Mittel. Man muß die Bücher der Ludendorffs studieren und sich ihrer Bewegung anschließen. Nur sie kennen Mittel und Wege, um das deutsche Volk wieder an den Platz zu führen, an den es hingehört.

1931 kam der Punkt, an dem auch der Staat erkannt hatte, welche Gefahren in den von Ludendorff geführten Vereinigungen steckt, der Tannenberg-Bund wird verboten. Aber der "Feldherr", nur so wird er noch von seiner Frau genannt, kämpft weiter. Nach 1933 wird die Situation für ihn noch schwieriger, die Nationalsozialisten wollen seine Schriftenreihe verbieten. Verbissen bemüht er sich um Rücknahme, teilweise hat er Erfolg. 
 
 

Ein heute noch existierender "Ludendorff-Stein" in Ostfriesland!
Die Inschrift lautet:
"Dem unsterblichen Feldherrn Erich Ludendorff zum Gedächtnis, der uns zur deutschen Gotterkenntnis 
Mathilde Ludendorffs hinführte, die uns vor den
überstaatlichen Priesterkasten errettete."

     (Ort) 9.4.1938                                                      (Name)

Aber die Ludendorffs müssen vorsichtiger werden, ihre politischen Attacken schrauben sie zurück. Jetzt wird der Schwerpunkt ganz auf den religiös-philosophischen Teil gelegt, und nur da, wo die Angriffe regimekonform sind, werden sie entsprechend weiter geführt.

Hitler und Ludendorff finden schließlich doch noch zu einer Aussprache zusammen. Nach außen wird der Schein gewahrt. Aber Ludendorff ist klug genug, um zu erkennen, welchen Weg der Führer und Reichskanzler eingeschlagen hat. Hinterher notiert er, und man bedenke, daß der 3.Band seiner Lebenserinnerungen, in dem das folgende Zitat veröffentlicht worden ist, erst  n a c h  Kriegsende erschienen: "Es ist alles vergebens, dieser Mann wird Deutschland ins Unglück stürzen." 

Das Unglück, das er kommen sah, hat er zu seinem Glück nicht mehr erlebt. Am 20.Dezember 1937 entschlief  Ludendorff in München in einem Krankenhaus. "Er starb in deutscher Gotterkenntnis", versicherte seine Frau hinterher in den noch zugelassenen Schriften. In Tutzing wurde der General beigesetzt, sein Grab ziert  k e i n  Kreuz!
Seine Frau schrieb weiter Bücher, um die Bewegung am Leben zu halten. Fotobände von der Beisetzung des Feldherrn folgten. Doch der Krieg führte dazu, daß die Menschen andere Sorgen bekamen, die nackte Existenz stand wieder auf dem Spiel. 

Nach dem 2.Weltkrieg versuchte Mathilde Ludendorff, die Bewegung wieder ins Leben zu rufen. Nur spärlich war der Zulauf, aber es fanden sich doch wieder Anhänger. Doch die Zeiten hatten sich geändert, 1961 wurde die "Ludendorff-Bewegung" gerichtlich verboten.


 
 
4. 
Schlußbetrachtungen

Wir wollen uns abschließend nochmals dem Vergleich der Charaktere zuwenden. Gemeinsam haben sie die militärische Schulung und das strategische Denken im Geiste Schlieffens. Aber schon im nationalen Glauben sehen wir unterschiede. Beide sind stolz darauf, Deutsche zu sein. Hindenburg jedoch gesteht es jedem Menschen zu, auf sein Vaterland stolz zu sein. Alle Völker haben ihre guten Seiten, aber auch Mängel. Ludendorffs Liebe zum Vaterland aber ist die absolute Liebe eines Mystikers, das Deutschtum steht über allem. 
Hindenburg entschuldigt Fehler und Mängel, er ist tolerant. Ludendorff fühlt sich im Besitz der reinen Wahrheit. Wer sich dieser nicht unterwirft, der ist im Irrtum.
Hindenburg spricht bescheiden von seinen Taten, er stellt sein Licht wahrlich nicht unter den Scheffel. Dagegen versucht Ludendorff, sich bei jeder passenden Gelegenheit ein Denkmal zu setzen. Er, und nur er allein, führte den Krieg. 
Hindenburg ist gastfreundlich, von einer grundsätzlichen frohen Natur, und er liebt seine Familie, besonders Kinder und Enkelkinder.
Ludendorff ist gegen die meistens Menschen eckig und kantig, ja in sich verschlossen. Er kennt nur die Arbeit, sowohl während des Krieges als auch danach. Entspannung in einer heiteren Umgebung ist ihm fremd.
Hindenburg verhält sich würdig, auch den Parteien und Politikern gegenüber. Selbst dann, wenn er die Dinge persönlich anders betrachtet, so bleibt er doch stets der über allem stehende unparteiische Reichspräsident. Ludendorff nützt, politisch geschickt taktierend, bald den einen, bald den anderen, für seine Zwecke aus. Dabei geht er aber nie zu weit, er erkennt das Machbare. Auch verliert er nie seinen messerscharfen Verstand. Ihm macht so leicht keiner etwas vor.

Es ist nicht leicht, den Unterschied zwischen diesen beiden Persönlichkeiten in einem Satz oder mit einem Begriff zu charakterisieren. Doch schaut man sich alle Eigenschaften in Ruhe an, verfolgt man die Wege, die beide in ihren Leben gegangen sind, und betrachtet man die Dinge, für die beide gekämpft und die ihnen bedeutsam waren, dann erkennt man doch den entscheidenden Punkt, der beide trennt, und der ihre Wesen so verschieden macht.
Es ist der  F a n a t i s m u s, den Ludendorff in sich hat, Hindenburg jedoch fremd ist! Hier liegen die Wurzeln, die den Unterschied ausmachen.


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