Musketier Jakob Bill

* 31.10.1899
+ 29.9.1918

gefallen in der 8.Kompagnie des
Reserve-Infanterie-Regiments Nr.236
bei Somme-Py (Tahure)
während der Abwehrschlacht in der Champagne


 
Als das Jahr 1918 anbrach, da kam auch für Jakob Bill der Zeitpunkt, wo der große Krieg seinen Einsatz forderte. Schon sein älterer Bruder Heinrich hatte den feldgrauen Rock angezogen und als k.u.k-Flieger bei den Österreichern gekämpft. Am 26.September 1916 war er beim Einflieger neuer Maschinen auf dem Flugplatz Aspern bei Wien tödlich abgestürzt. So rückte der im Oktober 1917 gerade 18 Jahre alt gewordene junge Naunheimer im tiefsten Winter in das im thüringischen Gera stationierte Ersatzbataillon des Reserve-Infanterie-Regiments Nr.236 ein, um dort seine infanteristische Ausbildung zu erhalten.
Als ab März 1918 die letzten großen deutschen Angriffe an der Westfront stattfanden, da war für ihn die Zeit gekommen, um Gera zu verlassen. Mit einem Ersatztransport ging es mit der Eisenbahn in Richtung Westen. Aber noch waren die jungen Männer, die damals ausrückten, nicht fertig für den Fronteinsatz ausgebildet. So kam auch Jakob Bill zuerst in das Rekrutendepot der 51.Reserve-Division, zu der sein Regiment gehörte. Hier wurde die Ausbildung auf die Erfordernisse der Westfront zugeschnitten, daß bisher Erlernte wurde verfeinert und ergänzt. Nun wurde z.B. der Umgang mit Handgranaten oder das Erstürmen von befestigten Stellungen geübt. Auch auf den Zusammenhalt der jungen, noch kampfunerfahrenen 
Soldaten kam es den Ausbildern an. Schließlich, der Frühling hatte sich schon langsam eingestellt, war auch diese vorbei, und nun wurde Jakob Bill zu seiner Truppe in Marsch gesetzt. Als er sein Regiment erreichte, wurde er dem II.Bataillon, und hier der 8.Kompagnie zugeteilt.
Mitte Juni 1918 waren die 236er gerade aus der schweren Schlacht bei Soissons zurückgekehrt und lagen nun in Ruhe in Ortsunterkunft in Chery. Viel Zeit zum Einleben blieb dem Naunheimer nicht, denn nur kurz war die Erholungszeit, die dem Regiment vergönnt war. Schon am 30.Juni traf dann der Befehl ein, daß Marschbereitschaft herzustellen sei. Bei schwüler Witterung und auf staubiger Straße wurde angetreten. Als Reservetruppe kam es nun in den nächsten Tagen bald hierhin, bald dahin, aber noch war ein ernster Einsatz nicht erfolgt. Doch ab 15.Juli wurde den 236ern dann eine Stellung bei Beuvardes zugewiesen. Nun wurde es ernst!
In der Nacht vom 17./18.Juli trat ein schweres Gewitter ein, und in den Donner mischte sich verstärkt das Dröhnen der schweren Artillerie. Doch noch vor Sonnenaufgang wird abgelöst - was war passiert? 
Im Eilmarsch geht es in Richtung Norden, und während die Männer vorwärtsschreiten, da wird bekannt, daß aus dem Walde von Villers-Cotterets ein schwerer feindlicher Angriff erfolgt sei. Abgekämpfte deutsche Truppen seien überrannt worden, es stehe "auf des Messers Schneide".
Nun überschlagen sich die Ereignisse. Schon zu einem Gegenangriff bereitgestellt, wird das Regiment wieder verschoben. Kaum wieder angetreten, wird alles erneut widerrufen. Endlich gelingt es dem Regimentskommandeur, Klarheit zu bekommen. Bei Billy und Geramenil-Ferme wird eine Auffangstellung eingenommen. Nachdem die letzten Reste der zurückgehenden deutschen Verbände durch sind, greift der Gegner um 10.00 Uhr abends an. Es ist die Feuertaufe von Jakob Bill. Doch das Regiment zeigt sich gefestigt - alle Vorstöße der Gegner werden abgewiesen. Der nächste Tag, es ist der 20.Juli, wird noch schwerer. Erneut versuchen die Franzosen, vorzustoßen. Am Himmel erscheinen Flugzeuge, die Bomben abwerfen. Doch das Regiment stand, auch wenn sich die Verluste mehren. Immer wieder gibt es Einbrüche in die Stellung, doch schnell ausgeführte Gegenstöße der Reserven sorgen dafür, daß die Gräben in deutscher Hand bleiben. 
In der folgenden Nacht wird die Stellung auf breiter Front zurückgenommen. Bei Olchy finden am nächsten Tag wieder erbitterte Kämpfe statt. Ein Durchbrechen der Front gelingt dem Feind aber wieder nicht. 
Der 22.Juli beginnt mit stärkstem Artilleriefeuer, das wieder große Verluste fordert. Um 8.00 Uhr vormittags tauchen auch Tanks (Panzer) vor der Stellung des II.Bataillons auf. Doch die Geschütze der deutschen Artillerie nehmen sie direkt unter Feuer, wieder wird der Gegner abgewiesen. Dann endlich, am 23.Juli, werden die 236er durch bayerische Truppen abgelöst. Im Walde von Foufry sammeln sich die Männer.

Über diese Stunden lesen wir in der Regimentsgeschichte:

"Die Truppe ist völlig abgekämpft und durch starke Verluste zu kleinen Verbänden zusammengeschmolzen., die für die Kompagnie nur noch etwa 30 bis 40 Köpfe betragen. Fehlender Schlaf und mangelhafte Verpflegung haben die Stimmung herabgedrückt, und alles rechnet auf längere Schonung Jedermann trägt aber im Herzen das stolze Gefühl, seine Pflicht erfüllt zu haben."

Die Hoffnung auf Ruhe sollte sich aber nicht erfüllen. Schon in de Nacht vom 25./26.Juli rückt das Regiment wieder in Stellung. Doch vorläufig bleibt es relativ ruhig. Schlimm macht sich jedoch der Wetterumschwung bemerkbar, und die in ganz Europa grassierende Grippe fordert nun auch bei den jungen Männern ihre Opfer.
Der 29.Juli beginnt mit stärkstem Trommelfeuer des Feindes. Und plötzlich bricht der feindliche Infanterieangriff los. Genau die 8.Kompagnie wird stark getroffen. Einige noch in ihren Stollen liegende Gruppen werden völlig überrascht und geraten in Gefangenschaft. Wenige nur kommen zurück, und auch Jakob Bill hat es geschafft. Schließlich gelingt es den Reserven doch, den Einbruch abzuriegeln. Aber die Kampfkraft der 236er ist erschöpft, und auch die höhere Führung erkennt die Situation. So werden die Männer schließlich am nächsten Tag abgelöst. Die Abwehrschlacht zwischen Aisne und Marne im Juli 1918 hatte das Regiment 19 Offiziere und 756 Unteroffiziere und Mannschaften an Toten, Vermißten und Verwundeten gekostet!

In den kleinen Orten Curieux und Cilli wird Ortsunterkunft bezogen. Nun endlich bekommen die Truppen Ruhe. Nach einigen Tagen der Erholung beginnt dann langsam wieder die Ausbildung. Auch Waffen und Gerät werden instandgesetzt. Auch kam nochmals Ersatz - nur wenige, junge Männer, die die Verluste bei weitem nicht ausgeglichen konnten. 

Bis Ende August dauerte diese Zeit. Dann wurde das Regiment wieder eingesetzt. Bei schlechtem Wetter führte Marsch in Richtung Reims. Am Fort Brimond wurden dann württembergische Truppen abgelöst. Glücklicherweise war es eine ruhige Stellung. Einzelne Patrouillienunternehmungen wurden durchgeführt, aber zu Großkampftagen kam es nicht.
Am 24.September besuchte der Divisionskommandeur General von Kleist die Männer und teilte mündlich mit, daß die Division sofort abgelöst werde, der Orts des weiteren Einsatzes sei aber noch unbekannt. Nach nur etwa vier Wochen in der ruhigen Champagne ging es nun neuen schweren Kämpfen entgegen.

 
Die 236er beim Marsch an die Front im September 1918

 
Nach kurzer Bahnfahrt am nächsten Tag stellten die Männer fest, daß sie in östlicher Richtung gefahren waren. Sie wurden weiter an der Champagnefront eingesetzt, nun aber schon in der Nähe der Argonnen. Nach dem Ausladen folgte noch ein kurzer Fußmarsch, dann wurde das Regiment nahe des Dorfes Somme-Py in die Front eingeschoben. 
In der Nacht zum 28.September wurde bekanntgegeben, daß für den folgenden Tag mit einem Großangriff zu rechnen sei. Das Regiment erhielt den Auftrag, einen Einbruch in die 2.Hauptwiderstandslinie östlich Somme-Py "unter allen Umständen" zu verhindern. Heftiges feindliches Artilleriefeuer brachte schon bei der Bereitstellung der Kompagnien die ersten Verluste. 

Im Morgengrauen kam schlagartig der erwartete Angriff. Doch die Deutschen waren vorbereitet, und so konnte der Vorstoß im Laufe des Vormittags zum Stehen gebracht werden. Das feindliche Feuer ließ dann nach, die nun eintretende Ruhe wurde zum Ordnen der Verbände benutzt. Für den Abend war dann ein Gegenstoß befohlen worden. Trotzdem alles überstürzt ablief, gelang es vor allem der 8., 11. und 12.Kompagnie, in die feindlichen Gräben einzudringen und neun Franzosen zu Gefangenen zu machen. Aber die Lage war kritisch, denn der rechte Flügel der 8.Kompagnie hatte keinen Anschluß und hing in der Luft - der Nachbar war nicht vorgekommen. Gegen Mitternacht erfolgte dann genau von dieser Seite ein Angriff der Franzosen. Nur mit Mühe und unter persönlichem Einsatz der Offiziere gelang es, die Kompagnien - ohne Gefangene zu verlieren - wieder in die Ausgangsstellung zurückzubringen.


 
Am Morgen des 29.September lag das II.Bataillon wieder in der alten Stellung des Regiments auf dem rechten Flügel, in der Mitte das III.Bataillon, links von diesem das II.Bataillon. Nach starkem Artilleriefeuer folgte um ca. 9.30 Uhr vormittags erneut ein Großangriff des Feindes. Er traf zuerst die Mitte und den rechten Flügel, wo sich die zusammengeschmolzenen Kompagnien tapfer wehrten. Dann aber erfolgte links ein schwerer Einbruch. Das Nachbarregiment war zurückgeschlagen worden, nun drohte, daß die 236er umgangen werden würden. Gegen 11.00 Uhr wurde die Lage kritisch. Das III.Bataillon hatte seinen linken Flügel herumgebogen, während das II.Bataillon weiterhin frontal den Feind abwehrte. Würde hier die Front zusammenbrechen, dann wäre das Regiment verloren. 
Der Kommandeur setzte nun das I.Bataillon links ein, um die Gefahr der Überflügelung abzuwenden, zumal das III.Batailon schon sehr starke Verluste hatte. Die 236er lagen nun sichelförmig in ihren zerschossenen Gräben, hielten sich aber noch immer. Da kam die Nachricht zum Regimentsgefechtsstand, daß nun auch das II.Bataillon am rechten Flügel so schwere Verluste hätte, daß es sich nicht mehr lange halten könnte. Nun erkannte Oberstleutnant Bauer, daß ein weiteres Aushalten nicht mehr zu rechtfertigen war. Am frühen Nachmittag erteilte er dann den Befehl, daß III. und II.Bataillon in die 3.Hauptwiderstandslinie zurückzugehen hätten, Verwundete und Gefallene seien auf jeden Fall mitzuführen!
Das geschah, und diese Reste (3 MG-Trupps und etwa 20 Mann) hielten dann die neue Stellung bis in die Nacht. Dann wurden sie endlich abgelöst.

 
Bei den schweren Abwehrkämpfen des II.Bataillons auf dem rechten Flügel des Regiments am 29.September 1918 ist auch Musketier Jakob Bill in seiner 8.Kompagnie gefallen. Trotz der kritischen Lage konnte man seine Leiche bergen und treue Kameraden haben ihn damals unmittelbar bei dem Dorf Somme-Py beigesetzt.

 
Der Soldatenfriedhof St.-Etiennes-a-Arnes,
heute die letzte Ruhestätte des Musketiers Jakob Bill

 
Nach Kriegsende wurden die kleinen Friedhöfe und Einzelgräber von den französischen Militärbehörden aufgelöst. Der schon seit 1915 bestehende Soldatenfriedhof im nahen St.-Etiennes-a-Arnes wurde durch Zubettungen aus dem Areal von über 27 Gemeinden und Ortsteilen, teilweise aus einer Entfernung von mehr als 25 Kilometern, erheblich erweitert. So kam es, daß auch der Musketier Jakob Bill auf diesem Friedhof in Block 5, Grab 403 seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Viele Kameraden aus seiner Heimat ruhen hier mit ihm, so z.B. Karl Lenz aus Klein-Rechtenbach, Felix Liebmann aus Bonbaden, Ferdinand Rau aus Launsbach, Jakob Regel aus Burgsolms, Jakob Wilhelm Ritter aus Ehringshausen sowie Johann Macrander und Georg Meurer aus Wetzlar.

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