Wertungen der Feindarmeen 

Diese Abschnitt folgt überwiegend einem Bericht des Generals der Infanterie v.Tschischwitz, der u.a. in dem Buch "Deutsche Infanterie" (Verlag Sporn, Zeulenroda, 1933) veröffentlicht ist. Der General war als Oberstleutnant im Weltkrieg u.a. Generalstabschef des XXIII.Reservekorps und der 2.Armee, im Frieden war er vorher im Großen Generalstab. Er ist auch als Militärschriftsteller bekannt, auch hat er das Buch "Weltkriegsbriefe des Generals v.d.Marwitz" herausgegeben.

 
Die Franzosen

Der Franzose galt von jeher wegen seiner vortrefflichen militärischen Eigenschaften, seiner Tapferkeit und Zähigkeit als ein gefährlicher Gegner. Seine Aufgewecktheit, sein lebhafter und lebendiger Geist unterstützten die fleißig fortschreitende Ausbildung, und sein "feu facre" gaben ihm den nötigen Schwung für den Angriff.

Die Gewandtheit, Selbsttätigkeit und Unternehmungslust seiner Patrouillen haben wir im Kriege zur Genüge kennengelernt. Nicht minder geschickt zeigte er sich in der Benutzung des Geländes, in dessen Verstärkung, in der Verteidigung von Ortschaften und Wäldern, die er mit großer Zähigkeit hielt.

Die Enttäuschung, die die französische Infanterie 1870/1871 mit dem überlegenen Chassepotgewehr in der Verteidigung erlebt hatte, hatte zu einer Unterschätzung des gezielten Feuers geführt und zur Vernachlässigung der Schießausbildung - abgesehen von den vortrefflichen Einzelleistungen guter Schützen, die mit Erfolg gegen unsere Führer ausgenutzt wurden (Baumschützen usw.).

Der vor dem Kriege im französischen Heere bis zur Angriffssucht übertriebene Angriffsgedanke führte 1914 auch infolge mangelnder Artillerieunterstützung zu schweren Verlusten und bitteren Enttäuschungen bei der Infanterie. Unter diesen Einflüssen zeigte sich frühzeitig die geringe physische Widerstandskraft des "poilu", der wechselnden Eindrücken und Rückschlägen weniger gewachsen ist als sein deutscher Gegner. Empfänglich für und begeistert durch hochtönende Befehle, griff der französische Infanterist tapfer und begeistert an, versagte aber, wenn er unerwartet auf stärkeren Widerstand stieß. Seine Angriffslust ebbte im Laufe des Krieges immer mehr ab und machte schließlich die restlose Vorarbeit der Artillerie zur Vorbedingung für jegliches Vorgehen. Nur ungern war der "Franzmann" im Herbst 1914 mit dem Spaten in die Erde gegangen, zeigte aber bald seine besondere Geschicklichkeit für den Grabenkrieg, wenn er auch physisch als Einzelkämpfer dem deutschen Infanteristen meist nicht gewachsen war. Er neigte dazu, es an sich herankommen zu lassen, und gibt erst in der Bedrängnis das letzte her. Dann allerdings ist er zu starker Kraftäußerung fähig, getrieben durch seinen, alles fremdländische ablehnenden Nationalstolz.

Alles in allem: der französische Infanterist des Weltkrieges war ein geschickter, zäher und tapferer Gegner - unser Hauptfeind. Das Schwergewicht des persönliches Kampfgeistes lag beim Franzosen. Unter den afrikanischen Hilfsvölkern waren die Araber Nordafrikas - Algerier, Tunesier, Marokkaner - das wertvollste Menschenmaterial, das auch im Winter an der Front aushielt; die Senegalesen - die Neger aus West- und Zentralafrika - bildeten die Masse der farbigen Truppen, mußten aber vom Oktober bis April aus der Front zurückgezogen werden. Diese Völker stellten ein Kontingent beachtenswerter Gegner dar mit zum Teil sehr guter militärischer Ausbildung, aber auch vielfach bestialischer Kampfweise.


 
 
Der Engländer

Wir Deutschen neigten vor dem Kriege dazu, den Engländer gegenüber dem Franzosen in seinen Fähigkeiten und Leistungen zu niedrig einzuschätzen, obwohl sein vortreffliches Aussehen im Frieden und seine langjährige Erprobung in zahlreichen Kolonialkriegen es nicht zu dieser Unterschätzung hätte kommen lassen dürfen.

Die zwar kleine englische Armee setzte sich aus geworbenen, lang dienenden Soldaten zusammen, die zu Berufssoldaten wurden und sich die Erfahrungen der Kolonialkriege vortrefflich zu nutze machen verstanden. Daher hat sich auch die kleine englische Armee bei Beginn des Weltkrieges hervorragend geschlagen.

Durch weitgehende Pflege des Sports schon in der Jugend bringt der Engländer einen durchtrainierten Körper mit gestählten Nerven, also wichtige Vorbedingungen für den Soldatenberuf im allgemeinen und für den Patrouillendienst im besonderen mit. Er erwies sich aber auch als guter Schütze ebenso wie als zäher und gewandter Gegner im Nahkampf.

Der "Tommy" kämpfte mit bemerkenswerter Tapferkeit, Ausdauer und Zähigkeit, aber auch mit dem Stolz und Hochmut seiner Rasse - unbeirrt durch den Widerstand, den er fand; er hielt, was er besaß, und holte sich wieder, was er verlor.

Die Führung war hingegend mangels genügender Vorbildung nicht auf der erforderlichen Höhe. Daher zeigte die englische Infanterie auf im weiteren Verlauf des Krieges ihre Stärke vor allem in der Verteidigung.

Der "Tommy" war und blieb ein anständiger Gegner. Seine Hilfsvölker - Inder und Australier - waren militärisch meist sehr gut ausgebildet und beachtenswerte Gegner.


 
 
Der Belgier

Der Belgier erwies sich als ein sehr mittelmäßiger Soldat, der aber in der Verteidigung des letzten Zipfel seines Landes ziemlich zähe ausharrte.

Ungemein unsympathisch war die Hinterlist, mit der er - und nicht nur der Infanterist - verfuhr, im Gefecht seine Uniform mit dem im Tornister mitgeführten Zivilanzug vertauschte, wie ja auch die belgische Zivilbevölkerung sich in schamlosester Weise am Kriege beteiligte und vor den größten Roheiten nicht zurückschreckte.


 
 
Der Amerikaner

Der durch verantwortungslose Propaganda in den europäischen Krieg gezwungene Amerikaner war für diesen - abgesehen von einer ausreichenden Handhabung des Gewehrs - gar nicht ausgebildet. Allerdings brachte der "Sammy" infolge guter sportlicher Ausbildung ebenso wie sein Rassekamerad, der "Tommy", gute Eigenschaften für den Waffendienst mit und bewährte sich im Nahkampf.

Die Zeit bis zu seiner Verwendung an der französischen Front war zu kurz, um ihn hinreichend ausbilden zu können. Die amerikanische Infanterie wurde notdürftig "stellungsreif" gemacht, um französische Truppen abzulösen, die für den Angriff bestimmt waren. Wo sie ausnahmsweise angreifen mußten, ging sie entsprechend dem 1918 bereits sehr vereinfachten Verfahren hinter den Tanks - meist in dicken Kolonnen - vor und erlitt demgemäß schwere Verluste.

Immerhin waren dem Amerikaner gute militärische Eigenschaften nicht abzusprechen. Jung, frisch und gut gewöhnt, aber auch ohne Erfahrung war er in den europäischen Kampf gegangen, hatte durch seinen Opfermut neuen Kampfgeist in die ermüdeten Kämpfer von jenseits und damit den Umschwung in der Kriegslage gebracht.


 
 
Die Italiener

Das in den letzten 100 Jahren wenig ruhmvolle italienische Heer benutzte die ersten neun Kriegsmonate bis zu seiner Kriegserklärung zu schneller Vorbereitung auf den Krieg, dessen bisherige Erfahrungen ihm hierfür zugute kamen. Es vermied geschickt die großen Verluste, die im Herbst 1914 sowohl im Osten wie im Westen bei Freund und Feind eingetreten waren.

Der italienische Infanterist war zwar im Schießen gut ausgebildet und eröffnete daher auch auf kleine und schwer erkennbare Ziele das Feuer, er war aber seinem heißblütigen Temperament entsprechend auch von großer Ungeduld und zeigte daher die gerade für den Stellungskrieg erforderliche Ruhe und Gleichgültigkeit nicht; häufiger Wechsel in der Verwendung erwies sich als notwendig.

Unter Deutschlands Feinden war Italien wohl dasjenige Land, dessen Soldaten den geringsten militärischen Wert besaßen. Eine Ausnahme bildeten die Alpini und Bersaglieri. Diese verfügten über ein ausgesuchtes Menschenmaterial mit vortrefflichen soldatischen Eigenschaften und mit sehr guter militärischer Ausbildung. Die Alpini waren besonders für den Gebirgskrieg geeignet, die Bersaglieri in hohem Maße beweglich.


 
 
Der Serbe

Obwohl Serbien in den Balkankriegen reiche Erfahrungen gesammelt haben mußte, hatte man den Wert des serbischen Soldaten doch unterschätzt. Von Hause aus flink und gewandt, hinterlistig und verschlagen, war er ein erprobter, tapferer Gegner. Der serbische Infanterist - zwar als Schütze mangelhaft ausgebildet - leistete um so mehr mit dem Maschinengewehr. Erfahren in der Geländebenutzung, verstand er sich in seiner grün-gelblichen Uniform dem Gelände auch geschickt anzupassen.

Der Serbe war ein schneidiger und sehr zäher Kämpfer.


 
 
Der Rumäne

Auch der Rumäne im allgemeinen ein tapferer Gegner, - aber von geringerer Ausdauer. Er war den Anstrengungen des langen Krieges auf Dauer nicht gewachsen, - anscheinend infolge unzureichender Ernährung. Der Rumäne ist im Ganzen sehr ruhig und willig und leicht zu leiten.

Die Leistungen der einzelnen Truppenteile waren sehr verschieden und ganz besonders von der Führung abhängig. Das Offizierskorps aber entsprach nicht unseren Auffassungen. Die rumänische Armee hätte mehr leisten können.


 
 
Der Russe

Der russische Friedenssoldat machte einen vorzüglichen Eindruck. Seine Ausbildung war aber trotz der Erfahrungen des mandschurischen Feldzuges nicht auf der Höhe. Die Schießausbildung des Infanteristen und die Feuerleitung ließen sehr zu wünschen übrig. Dazu kam die Schwerfälligkeit dieses Menschenschlages, die Entschlußlosigkeit, die ihn für den modernen Gefechts- und Patrouillendienst wenig geeignet und von der - im allgemeinen auch noch mangelhaften - Führung sehr abhängig machten. Daher seine zusammengeballten Massenangriffe mit dem Bajonett in dicken Klumpen, vielfach ohne Feuervorbereitung und ohne Rücksicht auf Verluste. Schwerfällig in der Bewegung, klebte er infolge reichlichen Spatengebrauchs leicht an einer einmal eingerichteten Stellung.

Schnelle Ausnutzung günstiger taktischer Lagen bekam die russische Führung nicht fertig.

Tannenberg bereits hatte das Vertrauen außerordentlich erschüttert. Ende 1914 war die Angriffskraft gegenüber den Deutschen gebrochen. Mit dem Übergang zum Stellungskrieg kam der Russe in sein eigentliches Element, besonders seit dem russisch-japanischen Krieg besaß er eine Vorliebe für den Stellungskampf. Gewandt in der Geländebenutzung, geschickt in der Herstellung von Erddeckungen und Scheinanlagen, verstand er es musterhaft, sich schnell einzugraben.

Der Russe ging entsprechend seinem Volkscharakter leidenschaftslos und ohne einen aus seiner nationalen Seele kommenden Zwang in den Kampf. Als gläubiger Christ und unempfindlich gegen die Wechsel der Kriegslage kämpfte er mit gleicher Tapferkeit. Bei seiner beispiellosen Genügsamkeit war er gewöhnt, zu leiden.

Seine Gutmütigkeit und die vorkriegszeitliche eiserne Disziplin standen in schroffen, fast unerklärlichen gegensatz zu seiner andererseits nur zu oft bewiesenen Zerstörungs- und Vernichtungswut und den ungezählten, beispiellosen, selbst gegen die eigene Bevölkerung verübten Roheiten.

Der zaristische Russe war ein tapferer Soldat, tapfer im Angriff, tapfer in der Verteidigung. Die Revolution brach seinen Kampfgeist und entnervte ihn in bedenklichem Maße als Soldat.

Trotz aller Großartigkeit der Kriegführung im Osten - der über weite Ländergebiete geführten Operationen mit vernichtenden Schlägen - berührte sie innerlich weniger als diejenigen im Westen. Unsere Feinde im Osten waren für die "Unternehmer" des Weltkrieges von sekundärer Bedeutung, sie waren nur Mittel zum Zweck. Die Entscheidung konnte nur im Westen fallen, dort wurde der Kampf geistig am entschlossensten geführt, dort war der Vernichtungswille am schärfsten ausgeprägt.


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