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Die Ursachen des Krieges |
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Der französische Kaiser Napoleon III. ist die schon tragisch zu
nennende Figur in diesem Spiel. Schließlich war er es, der den
preußischen Ministerpräsidenten Graf Bismarck ermutigte, die
Machtstellung Preußens abzurunden. Er dachte dabei allerdings an ein
von Frankreich abhängiges Staatsgebilde nördlich des Mains, das die
Zerklüftung Deutschlands verewigen würde. Der Norddeutsche Bund
mußte ihn jedoch mißtrauisch machen, weil Bismarcks Politik über die
Mainlinie hinausgriff. Preußen kam also dem französischen
Sicherheits- und Prestigebedürfnis n i c h t mit Kompensationen
entgegen. Bei der Gründung Italiens war Frankreich bezüglich der
Abtretungen noch wesentlich erfolgreicher gewesen.
Napoleon III. war durch einen Staatsstreich zur Macht gelangt; seine ganze Legitimation lag in der "Grandeur" des Kaiserreichs. Doch gerade jetzt endete die lange Folge der Kriege, die das napoloeonische Frankreich in Afrika, Europa, Asien und Amerika angezettelt hatte, mit dem Mißerfolg des mexikanischen Abenteuers. Napoleon fühlte den Boden unter sich wanken. Er mußte die Niederlage vergessen machen oder abdanken.
Bismarck hatte dafür Verständnis und erhob zunächst keinen Einspruch, als der Kaiser das wegen seiner Personalunion mit Holland nicht in den Norddeutschen Bund aufgenommene Luxemburg zu kaufen versuchte. Nachdem der Handel ruchbar geworden war, weil der niederländische König öffentlich die Zustimmung Bismarcks zu dem Kauf forderte, schäumte die deutsche Öffentlichkeit vor Wut und Paris wies alle Verantwortung für diesen Eklat dem norddeutschen Bundeskanzler zu. Dieser stellte sich nun umgehend auf die Seite des erregten Nationalgefühls. Diese "Luxemburgische Krise" wurde durch eine Konferenz europäischen Großmächte in London beigelegt. Sie endete mit einer kaum verhüllten Niederlage der französischen Diplomatie. Napoleons Prestige war tief gesunken, seine große Enttäuschung über die deutsche "Undankbarkeit" offensichtlich. Bismarck mußte fortan mit einem bewaffneten Konflikt rechnen. Einen schnellen Präventivkrieg zu führen, wie ihn der Chef des preußischen Generalstabs, General von Moltke, empfahl, lehnte er jedoch ab. Wahrend sich die Spannungen zwischen Preußen und Frankreich also verschärften, war Luxemburg der eigentliche "Sieger" der Konferenz. Die Festung wurde geschleift und Luxemburg sollte bei allen zukünftigen Konflikten neutral bleiben. Die Wirtschaft blühte auf, und der Wahlspruch der Bevölkerung "Mir welle bleiwen waat mir sinn" konnte in Erfüllung gehen.
Napoleon III. bemühte sich in dieser Zeit um den Abschluß eines Militärbündnisses mit Österreich und Italien. Bismarck hat diese Politik, die bis zu einem Vertragsentwurf, Monarchenbriefen und Generalstabsgesprächen führte, in ihrer Gefährlichkeit nicht überschätzt, war aber gewillt, die ruhelose Aktivität der französischen Regierung zu dämpfen. Gelegenheit dazu sollte ihm die spanische Thronkandidatur geben. In Spanien hatte die Königin Isabella ihre Krone durch furchtbare Mißwirtschaft verloren. Der Marschall Prim y Prat suchte für sie einen Nachfolger. Unter andererm bemühte er sich um den Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, der ihm als Katholik und Gemahl einer portugisischen Prinzessin zusagte und sogar mit Napoleon III. verwandt war! Als dieser Plan zum erstenmal bekannt wurde, erhob Paris keine Einwände. Trotzdem verzichtete Leopold. Die spanischen Granden versuchten jedoch in einem zweiten Versuch, den Erbprinzen doch noch umzustimmen. Napolen III. lehnte diesen Antrag ab.
Bismarck betrieb nun die Kandidatur insgeheim weiter, er wollte Frankreich vor vollendete Tatsachen stellen. Doch seine Absicht wurde bekannt. Der französische Außenminister Gramont sah in diesem Schachzug einen willkommenen Ansatz zur Demütigung des Widersachers. Preußen sollte als Schrittmacher der nationalen Bewegung in Deutschland diskreditiert werden. Bismarck war es inzwischen gelungen, Leopold umstimmen. Dieser nahm zwar am 2.Juli 1870 den Antrag Spaniens an, allerdings verzichtete sein Vater Fürst Karl Anton dann umgehend und abschließend auf die Krone. Bei seinen Aktivitäten schoß Gramont jedoch weit über das Ziel hinaus. Er überging Napoleon und seinen Ministerpräsidenten, brachte den Begriff der "nationalen Würde" ins Spiel, reizte damit das Parlament und wollte sich nicht zufriedengeben, als Bismarck die Thronkandidatur als eine Familienangelegenheit hinstellte, auf den endgültigen Verzicht verwies und die Spanier von einer Wahl des Erbprinzen absahen. Gramont verlangte eine Entschuldigung. Auch mußte der Botschafter Benedetti dem preußischen König auf der Kurpromenade in Ems die Zusage abfordern, daß er als Familienoberhaupt eine solche Kandidatur niemals wieder genehmigen werde. Wilhelm I. weigerte sich, diesem Ansinnen nachzukommen. Er ließ Bismarck telegraphisch unterrichten und ihm anheimstellen, den Vorfall der Presse mitzuteilen. Als dies geschah, erklärte Frankreich umgehend noch am 15.Juli nachmittags Preußen den Krieg. Die offizielle Kriegserklärung traf jedoch erst am 19.Juli in Berlin ein.
Bismarck hatte in seiner Presseveröffentlichung - der "Emser Depesche" - deutlich gemacht, daß die beabsichtigte Demütigung nicht gelungen war. Für Frankreich konnte das weniger ein Grund als der Vorwand zum Krieg sein. So urteilten auch die übrigen Mächte und hielten sich zurück. Der russische Zar gab sogar bekannt, daß er eingreifen werde, falls Wien mobilmachen sollte. Eine unvorhergesehene Wirkung hatte die Depesche auch in Deutschland. Obwohl sie den Anlaß des Konfliktes ausdrücklich nannte, empfand man jäh die Gefahr, den Affront für die ganze Nation. Daher mußten auch die süddeutschen Regierungen den Bündnisfall als gegeben ansehen. "Von hier ab ändert sich die Natur der Sache", urteilte der bayerische Ministerpräsident, "die spanische Kandidatur verschwindet, die deutsche Sache beginnt". Nach vielen Jahrhunderten von Trennung und Zwistigkeiten begann nun mit diesem Kriegsausbruch endlich die Einigung der deutschen Nation. |