Am 7.Januar 1871 war ein Wechsel im Oberbefehl
über die 1.Armee eingetreten. General von Manteuffel übernahm die
neugebildete Südarmee, sein Nachfolger wurde auf Befehl des Königs der
bisherige Kommandierende General des VIII.Korps, General von Goeben.
Dieser Offizier war einer der begabtesten höheren Führer, die dieser
Krieg hervorgebracht hatte. Seine persönliche Tapferkeit war
unbestritten, allein während seiner Kämpfe in Spanien wurde er als
junger Leutnant fünf mal verwundet. Von zu Hause aus nicht mit Reichtum
gesegnet kam er dennoch früh in den Generalstab und ging dort seinen
Weg. 1864 führte er in Schleswig erfolgreich die 26.Brigade und 1866
erwarb er sich als Kommandeur der 13.Division am Main hohen Ruhm. Durch
seine wissenschaftliche Begabung war er einer der wenigen, die in ihrer
Art dem General von Moltke ähnelten. Die Soldaten hegten zu diesem Mann,
der mit seiner Brille eher wie ein Hochschulprofessor wirkte, ein
geradezu unbegrenztes Vertrauen. Ein Meister des Schlachtfeldes war er
allemal. Merkwürdigerweise trug sein Gegenüber, General Faidherbe,
ebenfalls eine solche Art von Augengläser.
General von Goeben - der Sieger
von St.Quentin. |
Der französische General trug Bedenken, den Gegner, der seine Armee
hinter die Sommelinie zurückgeführt hatte, anzugreifen. Aber er enthielt
von Paris den Befehl, die vor ihm stehenden Truppen möglichst zu
beschäftigen und von der Hauptstadt abzuziehen, weil Trochu dort den
letzten Versuch eines Durchbruchs machen wollte. Er wandte sich deshalb
aus seiner Stellung zwischen Bapaume und Albert nach St.Quentin, um auf
die Verbindungslinien der Deutschen mit ihrer Heimat zu stoßen. General
von Goeben war allerdings durch seine Kavallerie, die unermütlich
aufklärte, bestens unterrichtet. Er wandte seine Armee in einem
glänzenden Rechtsabmarsch an beiden Ufern der Somme, um für alle Fälle
schlagfertig zu sein, über Peronne nach Südosten, um bald Fühlung mit
dem Feind zu gewinnen. Sein linker Flügel bestand aus der Division des
Generals von Memerty und der Kavalleriebrigade des Grafen zu Dohna, das
Kommando führte General von der Gröben. Die Mitte hielt die 15.Division.
Die 16.Division und die 12.Kavallerie-Division , gefolgt von der
3.Reserve-Division bogen südlich aus, um einen Abmarsch des Feindes nach
Paris unmöglich zu machen. 33000 Deutsche mit 161 Geschützen standen
somit 40000 Franzosen mit 99 Geschützen gegenüber. Am 18.Januar faßte
General von der Gröben die französische Nachhut westlich von St.Quentin bei
Tertry und Poeuilly. Bei diesem Gefecht wurde General von Memerty schwer
verwundet, General von Gayl übernahm für ihn das Kommando. Die Kämpfe
endigten vor Vermand und waren das verhängnisvolle Vorspiel des großen
Sieges vom folgenden Tag, dem 19.Januar 1871.
Die 7.Ulanen attackieren
französische Infanterie bei St.Quentin. |
St.Quentin war damals mit mehr als 30000 Einwohnern eine der
bedeutensten Fabrikstädte Frankreichs. Om Osten zieht sich zwischen der
Stadt und der Vorstadt die Sommeniederung. Ansonsten wechseln sich
Höhenzüge mit flachen Mulden ab und begünstigen dadurch eine
Verteidigung. Von Goebens Truppen näherten sich nach seinem Plan von
Westen und Süden her der Stadt. Die kommende Schlacht zerfällt nun
räumlich wie auch zeitlich in zwei Abschnitte, in den vorbereitetenden
und in den vollendenden.
Das Schlachtfeld von
St.Quentin. |
Um ca. 10.00 Uhr vormittags eröffnete im Süden der Stadt die 31.Brigade
die Schlacht, indem sie gegen Grugies vorging. Vier mal versuchte ein
Bataillon der 69er vergeblich, über das freie Feld hinweg die
vorliegenden Höhen zu stürmen. Schließlich gelang es mit Hilfe der 29er,
die nun ihrerseits vordringenden Franzosen bis an die Zuckerfabrik
zurück zu werfen. Auf der rechten Flanke erstürmten die 12.Jäger einen
Park, und die 86er nahmen la Neuville. Hier wurden die Angriffe
eingestellt, denn der geforderte Flankenschutz war erreicht und
die Zahl der Kämpfer doch recht gering. Nach 12.00 Uhr mittags
griffen die Franzosen die 31.Brigade sehr heftig an und drückten sie bis
nach Essigny zurück, doch mit Hilfe der 32er konnten die vorher
innegehabten Stellungen an der Zuckerfabrik wieder zurückerobert werden.
Bajonettangriff der 29er an der
Zuckerfabrik. |
Ähnlich verlief der Kampf in dem westlichen Abschnitt. Teile der 44er
und des Regiments Kronprinz nahmen Holnon, das ebenfalls eroberte Fayet
konnten die Franzosen jedoch durch einen kräftigen Gegenstoß zurück
gewinnen. Die 29.Brigade sah sich nach der Einnahme von Savy durch das
nördliche, hartnäckig verteidigte Waldstück aufgehalten.
Auf der ganzen Linie war das Gefecht zum Stillstand gekommen, als der
deutsche Oberbefehlshaber seine aufgesparten Reserven überall wirksam
vorwarf. Sie drangen entlang den beiden Ufern der Somme als Keil
zwischen die feindlichen Abteilungen und bereiteten sich zum Angriff auf
die französische Hauptstellung vor. Im Süden nahmen die Ostpreußen vom
41.Regiment (ein Teil der von Ham herangekommenen Armeereserve unter
Oberst von Böcking), längs der Niederung vorstürmend, die von der
Artillerie wirksam beschossenen Mühlenhöhe südlich von Grugies.
Schließlich zog sich der Feind von der Zuckerfabrik und dem Dorf Grugies
selbst ganz zurück. Auch von weiteren Höhen wurden die Franzosen nun
vertrieben. Schließlich stürmten 41er und 81er den Bahnhof und drangen
von hier aus um 5.30 Uhr abends über die Kanalbrücke in die Stadt ein.
Die Ostpreußen vom 41.Regiment
im Angriff auf die Mühlenhöhe. |
Auf dem rechten Ufer drangen von Rupy aus die 28er gegen einige Gehöfte
vor. Nun gingen auch die 4er und 44er wieder vor und nahmen das Dorf
Francilly. Dadurch mußten die Franzosen nun das so lange gehaltene
Waldstück räumen. General von der Gröben wurde durch den Feind
aufgehalten, der alles aufbot, um die Straße nach Cambrai zu sichern.
Doch die Division des Generals von Kummer hatte nun den Weg auf die
Höhen wstlich der Stadt frei. General Faidherbe, der die drohende Gefahr
der Umzingelung erkannt hatte, befand sich nun schon auf dem Rückzug.
Ein Teil des XXIII.Korps leistet in der westlichen Vorstand St.Martin
noch heftigen Widerstand. Da die Preußen aber schon von Süden her
kommend in der Stadt waren, mußten hier ca. 2300 Franzosen die Waffen
strecken.
Die letzten französischen
Truppen verteidigen den Marktplatz gegen die angreifenden 81er. |
Die Deutschen Verluste betrugen 2400 Mann, die Franzosen verloren 3000
Mann und weitere 9000 gerieten in Gefangenschaft. Da die Deutschen erst
am nächsten Tag die Verfolgung aufnahmen, konnte General Faidherbe sich
mit seinen Männern in die nördlichen Festungen flüchten. Seine Truppen
hatten tapfer Widerstand geleistet, war aber völlig erschöpft, so daß
viele Männer am Straßenrand liegenblieben, die dann von der Kavallerie
nur noch eingesammelt werden mußten.
General von Goeben hatte seinen Zweck erreicht und nahm Ende Januar
wieder Stellung an der Somme in der Linie Amiens, Peronne, St.Quentin.
Bei Rouen und Umgebung, wo die 2.Division zurück geblieben war, rückte
nach der Schlacht von Le Mans das XIII.Armeekorps ein. Nur bei Le Havre
stand noch eine französische Abteilung. Jeglichen kriegerischen
Unternehmungen machte dann aber der Waffenstillstand ein Ende.
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