ek Die Belagerung von Metz vom 26.August bis 27.Oktober 1870 ek


Im Jahr 1870 zählte die altertümliche Stadt Metz etwa 85 000 Einwohner, zu denen noch 20 000 Flüchtlinge aus der Umgebung kamen. Erst in den letzten Jahren hatte Napoleon III. angefangen, starke Forts auf den umgebenden Höhen zu errichten, die jedoch bei Ausbruch des Krieges meist noch nicht vollendet bzw. bewaffnet waren. Da jetzt hier eine große Armee eingeschlossen war, handelte es sich für die Deutschen mehr darum, diese nicht entkommen zu lassen, als die Festung zu belagern. Nicht durch Kampf, sondern durch Not sollten die Franzosen zur Ergebung gezwungen werden. 160 000 Mann hatten die Aufgabe,den stärkeren Gegner festzuhalten.

Die Umfassungslinie bildetete ungefähr einen Kreis von ca. 10 km Durchmesser. Auf dem rechten Moselufer lagerte im Norden die aus Deutschland herbeigerufene 3.Reservedivision. Ursprünglich als Landwehrdivision mit vier Landwehrregimentern aufgestellt, war sie durch eine kombinierte Brigade mit zwei aktiven Regimentern verstärkt worden und wurde nun als Reservedivision bezeichnet. Da die Festung Mainz nicht mehr besetzt wurde, rückten nun die beiden Besatzungsregimenter 19 und 81 hier in die Front ein. Daran schloß sich das I.Korps an, etwa in dem Kampfbereich vom 14.August, und das VII.Korps stand südlich der Stadt rechts und links der Mosel. Das linke Flußufer war stärker besetzt. Das VIII., IX. und II.Korps deckten die schluchtenreichen Höhen zwischen der Festung und dem Schlachtfeld von Gravelotte. An sie reihte sich bis zur Mosel hin das X.Korps an. Die Reserve bildete das III.Korps. Das Oberkommando hatte Prinz Friedrich Karl, der Führer der 2.Armee. Ihm war für die Erfüllung seiner Aufgabe die 1.Armee unter General Steinmetz unterstellt worden.

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Der Belagerungsring um Metz mit den Vorpostenstellungen.

General von Stiehle, sein Stabschef, leitete die Anlage von künstlichen Befestigungen. Laufgräben und Batterieständ ewurden angelegt und die Ortschaften und Pachthöfe zur Verteidigung eingerichtet. Über die Mosel wurden zahlreiche Kriegsbrücken gebaut und Kolonnenwege erweitert oder neu angelegt, ja sogar die damals hochmodernen Telegraphen wurden eingesetzt.

Der eigentliche Plan des französischen Oberkommandierenden Bazaine bleibt wohl für immer sein Geheimnis. Sicherlich wollte er die Armee stark erhalten und auch den Kaiser wollte er sicherlich nicht fallen lassen. Auch eine Vereinigung mit MacMahon wäre er wogl eingegangen. Aber dafür tat er zu wenig und hoffte wohl, sein Mitfeldherr müsse das Beste dazu tun. Auch von seinen Generalen ging kein Feuer aus. Lediglich die Truppe, die die Schlachten um Metz nicht als Niederlage ansahen, waren kampfbegierig und tüchtig.

Bazaine zog für einen ersten größeren Ausbruchsversuch seine ganze Armee auf das rechte Moselufer. Am 31.August drückte er morgens die deutschen Vorposten bei Colombey zurück, was diesen jedoch eine höchstdringliche Warnung war. Erst am nachmittag gegen 4.00 Uhr entfalteten die Franzosen ihre volle Kraft. Um sich nach St.Batbe (und ggf. weiter nach Diedenhofen) durchzuschlagen, mußte er die seine rechte Flanke bedrohende Stellung der Deutschen nehmen. Die Ostpreußen wehrten sich so gut sie konnten, dennoch ging ein Dorf nach dem anderen verloren: Zuerst Noiseville, dann Montoy und Colombey, selbst Schloß Aubigny und Coincy wurde ihnen entrissen. Nun richtete sich die ganze Wucht des Angriffs gegen St.Barbe, welches durch die vorliegenden Dörfer Servigny und Failly gedeckt war. Hier endlich konnte dem Feind Einheit geboten werden. Das war nicht zuletzt dem aufopferungsvollen Kampf des Regiment Kronprinz zu verdanken, vom dem Teile bei Failly fast eine ganze französische Division aufhielten. Noch spät am Abend führte General von Bentheim wie schon am 14.August unter Trommelschlag die 2.Brigade vor und warf den Feind auf der ganzen Linie. Postenschleier sicherten dann in der Nacht diesen kritischen Bereich, denn die Franzosen hatten den Bereich noch nicht entgültig geräumt und obendrein zog gegen morgen auch noch Nebel auf.

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Auf Posten!

Bazaine hatte wieder eine Gelegenheit verpaßt, denn seine Garde stand den ganzen Tag in Reserve. Ihr Einsatz wäre für das I.Korps wohl zu einem Desaster geworden, es hätte der Vernichtung wohl kaum entgehen können. So fochten an diesem Tag 36000 Deutsche gegen 120000 Franzosen. Obwohl Bazaine den Kampf abgebrochen hatte, kam es mit der Division Aymard bei Servigny noch in der Nacht zu erbitterten Kämpfen. Zwar konnte hier die Situation letztendlich bereinigt werden, so konnten sich die Franzosen doch weiter südlich ausdehnen und Flanville besetzen.

Am nächsten Morgen begann die Schlacht teilweise unter dichtem Nebel erneut. Mittlerweile war aber auf deutscher Hilfe Seite Hilfe angekommen: General von Kummer schickte alle entbehrlichen Teile seiner Reserdivision, und auch das IX.Korps hatte Truppen in Marsch gesetzt. Alles hing nun an Noisseville, ohne deren Besitz Bazaine bei Servigny nicht durch konnte. Es entbrannte ein furchtbarer Kampf um den Ort, der zuerst von den Regimentern 3 und 43 Hof für Hof zurück erobert worden war. Dann aber wurden sie von einem starken Gegenangriff wieder hinausgetrieben. Erst als 114 Geschütze ihr Feuer auf Noisseville konzentrierten, gaben die Franzosen das Dorf auf, zumal ihnen auch Flanville wieder entrissen worden war. Um die Mittagszeit neigte sich die Schlacht dem Ende. Die Franzosen verloren 3400 Mann, die Deutschen 126 Offziere und 2850 Mann. Der größte Teil davon, 90 Offiziere und 2202 Mann, entfiel auf das I.Korps, das geradezu heldenmütig gekämpft hatte. Alleine das Regiment 44 büßte 549, das Regiment 43 421 Mann ein. Auch die Teile der Reservedivision hatten sich vortrefflich bewährt. Die Franzosen hatten eingesehen, daß der preußische Landwehr keine Spottfigur war sondern ein zuverlässiger Krieger, der seinen jüngeren Kameraden nicht nachstand.

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Preusssiche Landwehr im Gegenstoß bei Noisseville.

Siebzig Tage hatten die Belagerer Zeit, das vor ihnen liegende Bild zu betrachten: Die Stadt mit der sie überragenden Kathedrale, das breite Moseltal mit den stattlichen Dörfern, Obstgärten und Weinberge sowie waldige Bergzüge. Aber das Wetter sorgte dafür, daß der Anblick oftmals im Regen unterging. Und auf sonnige Tage folgten kalte Nächte. Das Biwakieren ließ sich nicht vermeiden, die Truppen kamen über einen Monat nicht unter Dach und Fach und nicht aus den Kleidern! Nur langsam konnten Wohnbaracken erbaut werden. Und immer wieder kam der Regen, der dafür sorgte, daß kaum ein Feuer möglich war. Langsam näherte sich das Aussehen der Truppe den "Grasteufeln" Friedrich des Großen - aber sie bissen auch wie jene.

Mit der Nahrung stand es am Anfang auch nicht so gut. Fleisch war zuerst genug da, bis dann zu allem Übel die Rinderpest ausbrach. Besonders an Brot mangelte es enorm, zumal bei dem Wetter auch keine Vorräte angelegt werden konnten. Speck schillerte in allen Farben, nur nicht in der gesunden. Das unreife Obst machteb krank und die Kartoffeln waren so schlecht, daß ihr Genuß zeitweilig verboten werden mußte. Obwohl viel Wasser vom Himmel kam, gab die Erde von diesem nichtviel her. Oftmals mußte es von weit her geholt werden. Und wer in der Mosel schöpfte mußte aufpassen, daß ein paar französische Kugeln das Wasser nicht bleihaltig machten.

War durch die erschöpfenden Kämpfe der Gesundheitszustand vor der Belagerung schon nicht sehr gut, so wurde er jetzt geradezu bedenklich. Die Ruhr nahm einen sehr gefärlichen Umfang an und schließlich kam auch noch Typhus hinzu. Die Truppenführung und auch die Heeresverwaltung bot alles auf, um die Situation in den Griff zu bekommen. Langsam, nachdem sich auch die Versorgungswege eingespielt hatten, besserte sich der Zustand. Konserven, allen voran die Erbswurst, linderten den Nahrungsnotstand. Auch künstliches Futter für die darbenden Pferde brachte Hilfe. Und nicht zuletzt muß man auch die Liebesgaben nennen, die über manche dunkle Stunde hinweghalfen. Nur eines besserte sich nicht - das Wetter! Die Schleusen des Himmels waren meistens weit geöffnet.

Nach der Schlacht von Noisseville war zuerst Ruhe eingekehrt. Erst gegen Ende September erfolgten wieder Ausbruchsversuche. Aber diese hatten offensichtlich den Zweck, Dörfer mit Vorräten zu erobern und diese in die Festung zu bringen. Als diese Methode sich als erfolgreich erwies, mußten einige sehr nahe an der Stadt liegende Dörfer niedergebrannt werden.

Am 7.Oktober erfolgte ein großer Ausbruchsversuch nach Norden zu. Die 3.Reservedivision wurde bei Bellevue voll von ihm getroffen. Sie erlitt große Verluste und hatte ca. 400 Mann an Gefangenen verloren. Nur mit Hilfe der Nachbarn gelang es gegen Abend, die Lage wieder zu stabilisieren. Dieser Kampf war der letzte bei Metz, denn danach begannen Verhandlungen. Bazaine blieb auch nach der Nachricht vom Sieg der Deutschen bei Sedan und der Revolution in Paris dem Kaisertum treu. Bismarck ließ schließlich anfragen, unter welchen Umständen die Franzosen jetzt zur Kapitulation bereit wären. Der Marschall antwortete: "Ausschluß der Festung von der Übergabe und freier Abzug". Dies konnte ihm unmöglich gewährt werden.

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Der Hunger der Franzosen machte es möglich: Reger Tauschhandel zwischen den Vorposten.

Die Stadtbevölkerung litt mittlerweile doch enorm unter der Belagerung. Wasser und Nahrung waren schon sehr knapp geworden, und auch in der Stadt verbreiteten sich Krankheiten, die manchen Schwachen hinwegrafften. Pferdefleisch war noch am ehesten zu bekommen, aber als auch dieses immer weniger wurde, wuchs der Unmut. Den französischen Soldaten erging es nicht viel besser, und schließlich brachte ein Kriegsrat Bazain dazu, sich doch für Kapitulationsverhandlungen zu entscheiden. Ein Besuch des Generals Boyer bei der Kaiserin Eugenie, den König Wilhelm gestattet hatte, brachte nichts ein.

Bei der Bevölkerung, die Korn und Mehl in die Magazine abzugeben hatten, stieg die Entrüstung  auch das Heer wurde unruhig. Die Hungersnot nahm unheimlich zu. Viele französische Vorposten kammen zu ihren deutschen Gegenüber, um Nahrung zu erlangen. Schließlich, nachdem sich die Mehrheit der Korpsführer dazu entschlossen hatte, wurden die deutschen Forderungen angenommen und am 27.Oktober abends in der Vorpostenlinie in dem Schlößchen Frescaty die Urkunden unterzeichnet. Ein Aufruhr in Metz in letzter Stunde wurde unterdrückt.

Am 29.Oktober erfolgte mittags die Übergabe des Forts und um 1.00 Uhr begann bei strömenden Regen der Ausmarsch der Franzosen auf sechs Straßen, denen die Deutschen ihre Achtung erwiesen, indem sie trotz des Wetters hierzu angetreten waren. Je 10000 Mann sollten nun täglich nach Deutschland mit der Bahn in die Gefangenschaft abtransportiert werden.

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Bei strömendem Regen erfolgt die Übergabe von Metz.

Die Stadt Metz ging mit allem Staatseigentum in deutschen Besitz über. Eine Unmenge an Kriegsutensilien wurde eingebracht, darunter auch 56 Regimentsadler. Bazaine selbst reiste nach Kassel zu Kaiser Napoleon. Gambetta beschuldigte ihn indessen des Verrats, doch der Marschall hatte keinen Preis von niemanden angenommen. Dennoch glaubte das Volk dem Republikaner, und so wurde Bazaine durch ein Kriegsgericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Es wurde dann aber in eine 20jährige Haftstrafe umgewandelt. 1874 konnte Bazaine mit seiner Gattin nach Spanien fliehen, wo er 1888 unter dürftigen Verhältnissen starb.

Den Truppen, welche Metz so lange vor sich hatten, war keine lange Ruhepause gegönnt. Die 2.Armee rückte schon bald in den Westen ab und die 1.Armee bekam den Auftrag, mehrere Festungen zu nehmen und anschließend in das nordöstliche Frankreich vorzudringen.